Der Jurist Hans Victor Schwartz hat seine Memoiren im Isensee Verlag veröffentlicht. In der Nachkriegszeit hat er im Hörsaal mit jungen Männern gesessen, die 17-Jährige zum Volkssturm eingezogen wurden und Amputationen hatten.

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Westerstede/Oldenburg –
Hans Victor Schwartz hat das Buch für seine vier Enkelkinder geschrieben, die in den 1990er-Jahren geboren wurden. Seine wichtigste Botschaft für die Kinder lautet: Nie wieder Krieg. Denn eine der folgenreichsten Entscheidungen in seinem Leben war das Jura-Studium in Tübingen. Hier lernte er seine spätere Frau kennen. Und hier saß er ab 1954, neun Jahre nach Kriegsende, in einem Hörsaal mit Studenten, die noch zur Wehrmacht eingezogen worden waren.

Studenten mit Amputationen

„Mit 17 Jahren“, erinnert sich Schwartz. „Sie saßen mit Amputationen im Hörsaal. Aber sie hatten immerhin überlebt.“ Es waren junge Männer der Jahrgänge 1928, die Ende 1944 zum Volkssturm eingezogen wurden. Der Volkssturm wurde nur notdürftig ausgerüstet und ausgebildet, weshalb diese Männer den Alliierten nicht viel entgegenzusetzen hatten.

Auch der Vater war Jurist in Westerstede: „Ich hatte ein besonders intensives Verhältnis zu ihm“, so der Autor. Der Vater hatte damals eine Kolumne in der Zeitung „Der Ammerländer“, in der er sich kritisch mit der Gesetzgebung im Dritten Reich auseinandersetzte. Die Reichsschriftumskammer machte dem damals 34-Jährigen klar, dass er seinen Beruf an den Nagel hängen könne, wenn er weiter seine Kolumnen schreiben würde. „Er hat seinen Beruf an den Nagel gehängt und ist in die Wehrmacht eingetreten. Er war beim Einmarsch in das Sudetenland dabei“, erzählt Schwartz. In der Zeit der Trennung haben Vater und Sohn sich viele Briefe geschrieben, aus denen er für sein Buch schöpfen konnte. Später war der Vater in Hamburg bei der Luftwaffe stationiert. Von den Deportationen, die über Kamp Westerbork in den Osten führten, hat er nicht erfahren: „Die Züge fuhren über Ocholt und Bad Zwischenahn.“

Bereicherung an jüdischem Vermögen

In der Nachkriegszeit musste die Familie aus ihrem Haus ausziehen, weil die Engländer es als Offizierskasino nutzten. „Wir kamen bei Nachbarn unter, die im Dritten Reich Nazis waren.“ Als Anwalt kümmerte sein Vater sich um die Ansprüche von enteigneten Juden oder ihrer Hinterbliebenen: „Das war nicht einfach“, erinnert er sich, „denn es waren ja Bürger aus Westerstede, die jüdisches Vermögen an sich genommen haben. Der Vater war daher auch Anfeindungen ausgesetzt.“ Es ging um Häuser und Villen in der Lange Straße und die heutige Bibliothek in der Poststraße, die jüdischen Viehhändlern gehörten.

Das Buch endet mit einem überraschenden Telegramm: „Ich bin verrückt nach Dir“ lautet der einzige Satz und er stammt von Dorothee, der Schwester eines Freundes und seiner späteren Frau.

Das Buch „Was ich noch erzählen wollte. Erinnerungen 1934 bis 1963. Isensee Verlag, broschiert, 28 Euro.

Corinna Tonner