Eine Person hält eine Kalimba in den Händen. Das Daumenklavier mit Metallzungen wird gespielt, während die Person ein helles, lockeres Hemd trägt. Die Szene ist ruhig und weich belichtet.

AUDIO: Musiktherapie wirkt – doch der Beruf kämpft trotzdem um Anerkennung (4 Min)

Stand: 23.07.2025 12:38 Uhr

Musiktherapie ist wissenschaftlich anerkannt und erfolgreich im Einsatz, doch in Deutschland ist die Berufsbezeichnung nicht geschützt. In Hamburg startet heute die 13. Europäische Musiktherapie-Konferenz, die noch bis zum 27. Juli läuft. 

von Ulrike Henningsen

Ob Bach, AC/DC oder Jazz: Musik kann beruhigen, motivieren oder Trost spenden. Sie wirkt individuell und situationsabhängig. Musiktherapeutische Angebote aber sind weit mehr: „Sport tut auch jedem gut – und trotzdem würden wir, wenn wir ein orthopädisches Problem haben, nicht weiter Sport machen, sondern wir würden uns gezielt eine Physiotherapeutin suchen, die uns hilft“, sagt Dorothee von Moreau. Sie ist Professorin für Musiktherapie an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg.

„Musik tut irgendwie gut“ reicht der Profession nicht

Auch Jan Sonntag, Professor für Musiktherapie an der Medical School Hamburg betont, dass es wichtig sei, den therapeutischen Effekt klar von einer allgemeinen Aussage wie „Musik tut irgendwie gut“ zu trennen. „Das stellt uns vor die Aufgabe, Musiktherapie als Profession, als wissenschaftlich gestützten Beruf zu positionieren“, findet Sonntag. Auch dazu soll die 13. Europäische Musiktherapie-Konferenz in Hamburg beitragen. Knapp 1.000 Teilnehmende und über 200 Referierende aus mehr als 40 Ländern werden sich über den aktuellen Stand der Wissenschaft austauschen.

Video:
Musiktherapie: Ungewohnte Klänge auf der Intensivstation (4 Min)

Zur Wirksamkeit von Musiktherapie gibt es im Jahr 2025 tausende Fachartikel sowie hunderte Studien und Metaanalysen, die zeigen, in welchen Bereichen ihr gezielter Einsatz helfen kann. „Wir arbeiten in der Onkologie, in der Palliativmedizin, bei Demenzerkrankungen, aber auch bei Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen kommt Musiktherapie heute zum Einsatz“, erklärt Musiktherapie-Professorin von Moreau. „Früher lag der Fokus stark auf psychischen Erkrankungen. Doch in den letzten zehn Jahren hat sich das deutlich erweitert: Musiktherapie wird zunehmend auch in medizinischen Bereichen angewendet.“

Forderung nach gesetzlichen Regelungen

In Deutschland besteht jedoch ein Widerspruch zwischen den wissenschaftlich dokumentierten Behandlungserfolgen und dem berufsrechtlichen Status, wie Jan Sonntag von der Medical School Hamburg herausstellt: „Es ermangelt einer berufsrechtlichen Regelung und Anerkennung. Berufspolitisch ist es im Moment die Hauptaufgabe, dass dieser hochwirksame Beruf auch gesetzlich geregelt wird.“

In Deutschland werden die Kosten für die Musiktherapie nur im stationären, nicht aber im ambulanten Bereich übernommen. Außerdem ist die Berufsbezeichnung Musiktherapeut nicht gesetzlich geschützt, obwohl hier seit Jahrzehnten akademisch ausgebildet wird. Die Deutsche Musiktherapeutische Gesellschaft fordert daher eine umfassende musikalische und psychologische Ausbildung und mindestens einen Bachelor-Abschluss. „In unseren Nachbarländern ist der Beruf geregelt und anerkannt“, weiß von Moreau. „Gerade für die Sicherheit der Patientinnen ist das besonders wichtig.“

KI ist auch in der Musiktherapie angekommen

Zu den länderübergreifenden Themen der Konferenz gehören die Auswirkungen der globalen Krisen, die in Form von unterschiedlichen psychischen Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen auch in den Therapieräumen deutlich werden.

Auch Künstliche Intelligenz wird ein Thema sein. Erfahrungen aus der Psychotherapie haben zwar schon kurzfristige Wirksamkeit zum Einsatz von KI in der Therapie gezeigt, langfristig wisse man aber aus der Forschung, wie wichtig menschliche Beziehungen für den Erfolg seien, so von Moreau: „Es braucht ein einfühlendes Gegenüber, das einem hilft, sich selbst besser zu verstehen, der Ursache auf den Grund zu gehen und vielleicht auch Perspektiven auszuleuchten, die einem erst einmal nicht bewusst sind. Das wird KI wahrscheinlich nicht leisten können.“

Echte Menschen und Musikinstrumente bleiben unersetzlich

Auch Jan Sonntag warnt davor, den Wert echter Begegnung zu unterschätzen: „Ich denke, dass echte Beziehung, gerade mit analogen Mitteln wie echten Musikinstrumenten, ihre Bedeutung für das Individuum und die Gesellschaft nicht verlieren wird. Im Gegenteil: Als Gegengewicht zur zunehmenden digitalen Mediennutzung könnte sie sogar noch an Bedeutung gewinnen.“

Eine Frau mit dunklem Haar und grünem Pullover spielt lächelnd Ukulele in einem warm beleuchteten Krankenhauszimmer. Im Vordergrund ist eine zweite Person von hinten angeschnitten zu sehen.

Ob Trompete oder Trommel: Musiktherapie hilft vielen – bei Schmerzen, Ängsten und in der Palliativversorgung.

Eine Frau knit vor einem Sitar-ähnlichen Instrument in einem mit Teppich ausgelegten Wohnzimmer.

Instrumentenbauer Ingo Böhme hat sich das Handwerk selber beigebracht. Seine Frau Martina nutzt die Instrumente in ihrer Praxis.