Hamburg – In Europa verbreitete Stechmücken könnten im Süden des Kontinents das tropische Oropouche-Virus übertragen. Das berichtet eine Arbeitsgruppe des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNITM), der Universität Hamburg und weiteren Einrichtungen im Journal of Infectious Diseases (2025; DOI: 10.1093/infdis/jiaf356).
Das Oropouche-Virus gehört zu den Arboviren, also Viren, die durch blutsaugende Arthropoden übertragen werden. Seit Anfang 2024 kam es in mehreren Ländern Mittel- und Südamerikas zu einem deutlichen Anstieg von Infektionen.
Die Panamerikanische Gesundheitsorganisation verzeichnete laut der Arbeitsgruppe mehr als 11.000 bestätigte Fälle bis Ende des Jahres – darunter erstmals auch Todesfälle sowie Hinweise auf eine mögliche Übertragung während der Schwangerschaft mit schwerwiegenden Folgen wie Fehlgeburten und Mikrozephalie.
Angesichts dieser Entwicklung stufte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Risiko im betroffenen Raum als hoch ein. In Europa wurden bereits einzelne importierte Fälle bei Reiserückkehrenden festgestellt.
„Unklar war bislang, ob Stechmücken als Überträger des Oropouche-Virus infrage kommen, also eine sogenannte Vektorkompetenz für dieses Arbovirus besitzen – eine zentrale Frage für die Risikobewertung“, hieß es aus dem BNITM.
Das Forschungsteam untersuchte fünf auf dem europäischen Kontinent verbreitete Stechmückenarten im Labor – heimische und invasive Arten. Die Tiere wurden mit Oropouche-Viren infiziert und bei unterschiedlichen Temperaturen gehalten. Die Forscher analysierten, ob sich die Stechmücken mit dem Virus infizieren lassen und ob eine Übertragung durch den Speichel stattfinden kann.
Es zeigte sich: Von den untersuchten Arten hat nur Aedes albopictus – die Asiatische Tigermücke – bei Temperaturen von 24 bis 27 °C eine geringe Vektorkompetenz. Bei niedrigeren Temperaturen und bei den anderen getesteten Stechmückenarten ließ sich keine Virusübertragung nachweisen.
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Zum Bericht im Journal of Infectious Diseases
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Das Forschungsteam kombinierte in einem zweiten Schritt ihre Labordaten mit Klimadaten und aktuellen Verbreitungskarten von Aedes albopictus.
Die Analyse zeigt, dass insbesondere Regionen rund um das Mittelmeer klimatische Bedingungen aufweisen, die eine saisonale Virusübertragung im Sommer begünstigen könnten. Besonders betroffen wären dabei Gebiete in Spanien, Süditalien, Griechenland und der Türkei – Regionen, in denen Aedes albopictus bereits etabliert ist.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Oropouche prinzipiell auch in Europa übertragen werden könnte, wenn infizierte Reisende auf Populationen von Aedes albopictus in wärmeren Regionen treffen“, sagte Anna Heitmann, Letztautorin der Studie. „Die Vektorkompetenz ist zwar niedrig, aber nicht gleich null – das macht Wachsamkeit und weitere Forschung notwendig“, so die Wissenschaftlerin.