Schlüsselduelle
Deutschland trifft im Halbfinale der Frauen-EM 2025 auf Spanien. Die DFB-Frauen sind gegen den Weltmeister von 2023 zwar Außenseiterinnen – die Südeuropäerinnen sind aber verwundbar. Sportschau.de wirft einen Blick auf fünf Schlüsselduelle, auf die es in dem K.o.-Duell ankommen wird.
Vier Spiele, vier Siege, 16:3 Tore. Spanien trumpft bislang als stärkste Mannschaft der EM 2025 auf. Nur logisch, dass die Weltmeisterinnen auf der Jagd nach ihrem ersten EM-Titel im Halbfinale gegen Deutschland am Mittwoch (ab 20.15 Uhr, im Ersten und im Livestream auf sportschau.de) klarer Favorit sind.
In der Rolle als leichter Außenseiter hat sich die deutsche Mannschaft indes bereits im Viertelfinale gegen Frankreich (6:5 nach Elfmeterschießen) wohlgefühlt. Dort bewiesen die DFB-Frauen in über 100 Minuten Unterzahl was möglich ist, wenn man über sich hinauswächst. Sportschau.de wirft anhand der Daten von „createfootball“ einen Blick auf direkte Duelle, die das Spiel mitentscheiden könnten.
Janina Minge – Alexia Putellas
Janina Minge ist nicht nur als Kapitänin und Abwehrchefin eine absolute Führungsspielerin im DFB-Team, die 26-Jährige nimmt auch eine extrem wichtige Rolle im Spielaufbau ein. Das belegen ihre 305 Ballaktionen im bisherigen Turnier – der klare Höchstwert innerhalb der deutschen Mannschaft. Die Ballverlustquote der Wolfsburgerin ist dabei mit nur neun Prozent äußerst gering – und das trotz der langen Unterzahlphasen gegen Schweden und vor allem Frankreich.
Minge wird im Halbfinale im direkten Duell wohl sehr oft auf Alexia Putellas treffen. Die 31-Jährige ist in herausragender Form und führt mit sieben Punkten (drei Tore, vier Vorlagen) trotz eines verschossenen Elfmeters im Viertelfinale gegen die Schweiz (2:0) die Scorer-Wertung der EM 2025 an. Putellas ist Dreh- und Angelpunkt der spanischen Offensive. Die zweimalige Weltfußballerin (2021, 2022) kreierte bereits 17 Torchancen und hatte 31 Ballaktionen im gegnerischen Strafraum – fast so viele wie Jule Brand und Lea Schüller zusammen (32). Dazu brachte die Spielerin des FC Barcelona 56 Prozent ihrer Flanken an die Frau.
Putellas nimmt in der spanischen Auswahl eine fluide Rolle ein – sie wechselt in der Offensive also immer wieder ihre Position. Das macht sie schwer zu greifen. Minge wird gefordert sein, auch immer wieder aus der deutschen Abwehrformation herauszustechen, um Putellas möglichst bereits bei der Ballannahme zu stören. Dabei werden ihr auch die Teamkolleginnen helfen müssen. Aufgrund von Putellas Variabilität geht dieser Punkt dennoch an Spanien.
Alexia Putellas ist auf dem besten Weg, Spielerin des Turneirs zu werden. Kann ihr Elisa Senß am Mittwoch einen Strich durch die Rechnung machen?
Elisa Senß – Aitana Bonmati
Im defensiven Mittelfeld der deutschen Mannschaft ackert Elisa Senß bei der EM sehr intensiv. Die 27-Jährige eroberte bislang im Schnitt über neun Bälle pro Spiel – ein starker Wert. Neben ihrem Zweikampfgeschick bringt die Frankfurterin ihre Laufstärke mit ein, auch wenn ihr Topspeed nicht der höchste ist.
Aitana Bonmati brach gegen die Schweiz den Bann, als sie mit einem genialen Hackentrick die spanische Führung vorbereitete. Nach ihrer Hirnhautentzündung kurz vor Turnierbeginn ist die 27-Jährige auf dem Weg zur Bestform und hat längst ihre angestammte Rolle als Spielmacherin der spanischen Auswahl wieder eingenommen. Bonmati ist praktisch immer anspielbar und hat herausragende Qualitäten, sich unter Druck zu befreien und den Spielaufbau voranzutreiben.
Auch in diesem Duell hat Spanien klare Vorteile. Bonmati ist als zweimalige Weltfußballerin (2023, 2024) eine absolute Unterschiedsspielerin, die selbst im Weltklassekader der Spanierinnen noch einmal heraussticht.
Carlotta Wamser – Claudia Pina
Carlotta Wamser hat ihre Sperre nach ihrer Roten Karte aus dem letzten deutschen Gruppenspiel gegen Schweden (1:4) verbüßt und rückt wohl wieder ins Team. Die Rechtsverteidigerin ist laufstark, dynamisch und versucht immer wieder auch offensive Impulse zu setzen.
Wamser wird es im Halbfinale vermutlich mit Claudia Pina zu tun bekommen. Die spanische Linksaußen weist bei der EM bereits vier Scorerpunkte (zwei Tore, zwei Assists) auf und gilt als starke Standardschützin. Die 23-Jährige besitzt eine gute Schusstechnik, sodass man sie nicht zum Abschluss kommen lassen darf. Pina wechselt während des Spiels immer wieder die Position, um dann von den Flügeln ins Zentrum zu stoßen. Sie gibt bei der EM im Schnitt pro Spiel über drei Torschüsse ab und ist an über zehn Abschlüssen beteiligt – beides bislang Turnier-Bestwerte.
Wamser steht vor einer schweren Aufgabe. Die 21-Jährige wird versuchen müssen, Pina frühzeitig zu stören. Aufgrund von Erfahrung und technischer Stärke in Kombination mit Dynamik sind auch in diesem Duell Vorteile für Spanien zu erwarten.
Claudia Pina war in dieser EM schon an fünf Toren direkt beteiligt.
Jule Brand – Olga Carmona
Gegen Spanien war Jule Brand überall auf dem Spielfeld zu finden, die 22-Jährige rannte gefühlt um ihr Leben. Die deutsche Rechtsaußen arbeitet enorm viel nach hinten, sie ist die bislang zweikampfstärkste Spielerin der EM 2025. In ihrem Kerngeschäft, der Offensive, hat Brand bereits vier Scorerpunkte (zwei Tore, zwei Vorlagen) aufzuweisen. Ihre große Stärke ist der Antritt. Von der rechten Seite aus zieht sie regelmäßig mit dem Ball nach Innen, wo sie entweder selbst abschließt oder versucht, für eine Mitspielerin eine gefährliche Situation zu kreieren.
Ihr 1:0-Siegtreffer im WM-Finale 2023 gegen England hat Olga Carmona unsterblich gemacht – und auch bei der EM 2025 ist sie als Linksverteidigerin eine Bank im spanischen Team. Carmona weist im Spiel gegen den Ball leichte Schwächen auf, nur Aitana Bonmati wurde im bisherigen Turnier öfter überspielt als die Außenverteidigerin. Dazu sind ihre bislang 2,7 Balleroberungen pro Spiel ein unterdurchschnittlicher Wert für eine Defensivspielerin.
Über die Seite von Carmona ist Spanien verwundbar. Das muss Brand ausnutzen – sie ist in diesem Duell im Vorteil. Die 22-Jährige muss immer wieder versuchen, in die Schnittstelle von Carmona und Innenverteidigerin Laia Alexandri zu stoßen. Zudem sollte Brand immer wieder mit Diagonalläufen für Verwirrung in der spanischen Abwehr sorgen.
Jule brand war die beste deutsche Feldspielerin gegen Frankreich. Kann se sich auch gegen die spanische Defensive durchsetzen?
Giovana Hoffmann – Maria Méndez
Giovanna Hoffmann hatte sich im Viertelfinale gegen Frankreich (6:5) verausgabt, bis es nicht mehr ging. Die Stürmerin agiert im DFB-Team zumeist als Zielspielerin, weil sie mit ihren 1,78 Metern Größe durchsetzungsstark ist und Bälle gut festmachen kann. Sie sorgte zudem gegen Frankreich durch clevere Läufe für viel Entlastung.
Nachdem Stamm-Innenverteidigerin Laia Alexandri gelb-gesperrt fehlen wird, wird aller Voraussicht nach Maria Méndez für sie nachrücken. Einige Knieverletzungen haben die Karriere der 24-Jährigen ein wenig gebremst, wie so ziemlich alle Spanierinnen ist aber auch die Verteidigerin passstark. Allerdings agiert sie lange nicht so beidfüßig wie Laia Alexandri. Wenn Hoffmann sie nach Außen zur – aus deutscher Sicht – rechten Seite presst, wird ihr nur der Ball auf Carmona bleiben – Brand kann hierbei unterstützen und Pässe abfangen. Defensiv ist Méndez am Boden stärker als in der Luft – hier dürfte Hoffmann einen klaren Vorteil haben.
Fazit: Spanien hat die Nase vorn, aber…
Schaut man auf die Schlüsselduelle, dann liegt Spanien mit 3:2 vorne. Der Kader des Weltmeisters ist gespickt mit absoluter Weltklasse, wohingegen Deutschland bereits bei der Energieleistung gegen Frankreich mit absolutem Willen und Mentalität punktete. Trotz der Favoritenrolle ist der Respekt bei Spanien groß – in bislang acht Duellen gab es gegen die DFB-Auswahl fünf Niederlagen und keinen einzigen Sieg. Unterschätzt wird Deutschland sicher nicht werden.