Neuzugang im Porträt
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Werder Bremen geht nach vielen Jahren der konservativen Transfertaktik mit der Verpflichtung von Samuel Mbangula wieder ein finanzielles Risiko. 10 Millionen Euro werden für die Dienste des 21 Jahre alten Flügelstürmers von Juventus Turin fällig, eine Summe, die in der grün-weißen Vereinsgeschichte erst einmal zuvor gezahlt wurde. Dass dies ziemlich genau zwei Monate nach dem Aus von Trainer Ole Werner geschieht, welches unter anderem mit dessen Forderung nach qualitativ hochwertigeren Neuzugängen zusammenhing, klingt paradox. Und dennoch macht ein Blick auf das Profil des Belgiers deutlich, dass der Youngster ebenso zum Bremer Weg der letzten Jahre passt.
Zunächst die finanziellen Details des Deals: Neben der Sockelablöse von 10 Mio. Euro können durch Boni bis zu 2 Mio. Euro hinzukommen. Der Vertrag von Mbangula läuft der „Deichstube“ zufolge bis 2030 und soll ein Jahresgehalt von 1,5 Mio. Euro beinhalten. Damit reiht sich der Neuzugang im vorderen Bereich des Bremer Kaders ein, Top-Verdiener wie Marvin Ducksch liegen bei mehr als 2 Mio. Euro.
Dass das seit Jahren klamme Werder sich einen solchen Deal leisten kann, nachdem man sich letztmals vor 14 Jahren für den internationalen Wettbewerb qualifizierte und 2021 den Gang in die 2. Bundesliga antreten musste, ist nicht nur ein Zeichen für die gute Arbeit in den letzten vier Jahren. Es bringt auch zum ersten Mal die Finanzspritze des regionalen Investorenbündnisses von vor rund anderthalb Jahren zum Vorschein. 38 Mio. Euro wurden damals für 18 Prozent der Anteile zur Verfügung gestellt, ein Teil davon sollte auch für Neuzugänge genutzt werden, die im Idealfall gewinnbringend weiterverkauft werden können.
In den vergangenen zwei Transferphasen war dies kaum bemerkbar, lediglich ein kleines Transferminus von 1,1 Mio. Euro stand am Ende der Saison 2024/25 zu Buche. Auch in diesem Sommer ist ein großer Angriff auf dem Transfermarkt nicht zu erwarten, die Bremer Verantwortlichen bemühen sich gebetsmühlenartig darum, die dringend benötigten Einnahmen in den Vordergrund zu stellen. Bisher stehen 500.000 Euro für die Leihe von Dawid Kownacki an Hertha BSC auf der Habenseite, Verkaufskandidaten wie Romano Schmid (25) und Marvin Ducksch (31) werden den Verein wohl noch verlassen. Und dennoch ist die Verpflichtung Mbangulas eine Ansage, da sie getätigt werden kann, bevor die Einnahmen auf dem eigenen Konto eingegangen sind.
Wer ist Samuel Mbangula? Frühstarter in Belgien, turbulentes Juventus-Jahr
Mbangula galt in Belgien früh als Top-Talent. Schon im Alter von 10 Jahren wurde er von Club Brügge entdeckt und in die Jugendteams geholt, obwohl er aus der Nähe von Anderlecht stammt. Das war nicht nur deshalb pikant, weil der RSC zu dieser Zeit der größte Rivale in der Entwicklung junger Spieler war, sondern auch weil etwa 100 Kilometer zwischen den beiden Vereinen liegen. „Mbangula sprach jedoch Französisch und hatte Schwierigkeiten, sich an den niederländischsprachigen Teil Belgiens anzupassen“, erklärt Bart Tamsyn, Transfermarkt-Area-Manager Belgien. „Es war vorgesehen, dass Spieler des Klubs ab der U13 eine Schule in Brügge besuchen sollten, aber im Fall von Mbangula wurde eine Ausnahme gemacht und er wurde jeden Tag 200 Kilometer gefahren. Club Brügge unternahm viel, weil man in ihm ein großes Talent sah, aber da er außerhalb des Spielfelds so große Schwierigkeiten hatte, entschieden sich seine Eltern 2019 dazu, ihn beim RSC Anderlecht unterzubringen, wo er nach einem Jahr von Juventus Turin entdeckt wurde.“
Dort folgte nach vier Jahren in der Jugend im vergangenen Jahr der Durchbruch im Profibereich. Vier Tore und fünf Vorlagen steuerte der 21-Jährige für die Alte Dame bei, obwohl ihn vor zwölf Monaten nur wenige Fans auf dem Zettel hatten. Jatin Dietl, Transfermarkt-Area-Manager Italien beschreibt ihn als „eine der großen Überraschungen der letzten Saison. In der Saison zuvor war Mbangula auch bei der Reserve in der dritten Liga nur Ersatz und hatte dann fast die gesamte Rückrunde wegen einer Verletzung verpasst. In der Vorbereitung konnte er Thiago Motta – einen der wenigen mutigen Trainer in Italien was junge Spieler angeht – aber von sich überzeugen.“
Direkt in den ersten beiden Ligaspielen erzielte Mbangula ein Tor und legte drei weitere auf, obwohl sein Marktwert zu diesem Zeitpunkt bei gerade einmal bei 250.000 Euro lag. Dass der quirlige Rechtsfuß, der häufig von der linken Seite in die Mitte zieht, diese Scorerwerte und seinen Platz in der Startelf nicht halten konnte, ist einerseits normal für einen Spieler seines Alters und lag andererseits an der hohen Konkurrenz und turbulenten Saison bei Juventus.
Zum Saisonstart profitierte Mbangula von vielen verletzungsbedingten Ausfällen in der Juventus-Offensive, die ihn kurze Zeit später wieder aus der Startelf verdrängten. Dennoch zeigte er seine Qualitäten immer wieder von der Bank, wurde im November von Domenico Tedesco für die belgische Nationalmannschaft nominiert und traf für die Bianconeri unter anderem im Hinspiel der Champions-League-Zwischenrunde gegen die PSV Eindhoven (2:1). Sein Marktwert machte im März einen Sprung auf 14 Mio. Euro – ehe im selben Monat der Trainerwechsel zu Igor Tudor folgte, der ihn nur noch vier Minuten einsetzte.
Samuel Mbangula jubelt auf der großen Champions-League-Bühne.
Insgesamt stehen nach der ersten Saison bei Juventus ungefähr 1.080 Einsatzminuten zu Buche. Zum Vergleich: Das entspricht im Werder-Kader etwa der Zeit, die Justin Njinmah 2024/25 auf dem Feld stand. Mit viel Erfahrung kommt Mbangula also nicht nach Bremen – und dementsprechend berechtigt ist die Angst einiger Fans, dass man viel Geld für ein relativ unbeschriebenes Blatt in die Hand nimmt. TM-User „Claudio24“ schreibt etwa: „Ich kenne den Spieler nicht. Er wird hier beschrieben mit ‚einer vernünftigen Geschwindigkeit, ohne jetzt sehr schnell zu sein‘. Seine Fakten sind okay, aber nicht überragend. Ein Asllani mit seinen Scorern in der 2. Liga, um den sich alle reißen, hat bei mir für 6-8 Mio. mehr Fantasie geweckt als ein Mbangula für 10 Mio., den Juve abgeben möchte.“
Füllkrug, Diego & Co.
Die teuersten Werder-Zugänge
Zur Statistik
Als Negativbeispiel für den teuren Transfer eines Spielers, der seine Qualitäten bisher noch nicht langfristig auf Profiniveau nachgewiesen hat, gilt in Bremen Skelly Alvero. Der 23 Jahre alte Mittelfeldspieler hatte Werder letztes Jahr 4,75 Mio. Euro plus Boni gekostet, obwohl er in Frankreich bei Olympique Lyon zuvor nur etwas mehr als 400 Minuten in der Ligue 1 ran durfte und enttäuschte. TM-User „Werdiknight“ hält dennoch dagegen: „Alvero und Mbangula haben NICHTS gemein, außer, dass beide Spieler jung sind und man in beiden Fällen ein gewisses bzw. ein größeres finanzielles Risiko eingeht. Ganz andere Situation, ganz anderer Spielertyp, ganz andere Qualitäten und auch aus einer ganz anderen Marktsituation heraus. Wenn man mit diesem Vergleich sagen möchte, dass man GENERELL nicht mehr sehen möchte, dass Werder junge Spieler verpflichtet, die – so ist dies nun einmal in der heutigen Zeit, bei Offensivspielern noch viel mehr – eine gewisse Stange Geld kosten, dann möge man bitte von diesen Vergleichen absehen und dies einfach so allgemein sagen.“
Deutlich wird durch diese Diskussion vor allem eines: Werder traut sich auf dem Transfermarkt wieder mehr zu. Auch Keke Topp, im letzten Jahr für 2 Mio. Euro von Schalke 04 gekommen, Julián Malatini, im Winter 2024 für 2 Mio. Euro aus Argentinien verpflichtet, und schon im Sommer 2023 Olivier Deman (4 Mio. € von Cercle Brügge) und Senne Lynen (2,5 Mio. € von Union SG) waren Vorboten des neuen Bremer Wegs, dass für junge Spieler durchaus Geld investiert wird – auch wenn nicht jeder dieser Zugänge zwingend zünden muss.
Passend dazu sagt Sportchef Peter Niemeyer im Zuge der offiziellen Vorstellung: „Wir haben immer gesagt, dass wir auch bereit sind zu investieren, wenn wir von einem Spieler und seinem Potential überzeugt sind. Das ist bei Samuel absolut der Fall.“ Und die Einschätzung von Italien-Experte Dietl darf die Werder-Fans auf eine gute Investition hoffen lassen: „Ich denke der bezahlte Preis ist absolut okay, wahrscheinlich sogar relativ günstig. Aber ich glaube andererseits auch nicht, dass er eine Entwicklung wie zum Beispiel Dean Hujisen nehmen wird.“