„Führung auf oberster Ebene bedeutet unter anderem, in Ausnahmesituationen Orientierung zu geben. Dabei braucht es nicht nur Fachwissen, sondern durchaus auch Erfahrung mit öffentlichen Erwartungen, medialem Druck und Krisen sowie den rechtlichen Rahmenbedingungen. Genau hier kann ich einen Beitrag leisten.“
Niemand Geringeres als Patricia Schlesinger hat das kundgetan. Als Eigenwerbung, mit der die frühere Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandendburg (RBB) ihren neuen Job anpreist. Sie wird für das Berliner Beratungsunternehmen Stella Circle arbeiten.
Krise mit dem RBB dauert an
Das ist so verblüffend wie bestechend. Schlesinger hat sich selbst und den RBB mit ihrer außer Maß und Mitte geratenen Intendanz tief in die Krise befördert. Jetzt liegt sie mit dem früheren Arbeitgeber in einem längst nicht beendeten Rechtsstreit. Sie will üppige Ruhegeldzahlungen, der Sender verlangt umfangreichen Schadenersatz.
Diese überaus krisenhafte Beziehung will Schlesinger nun kapitalisieren. An Qualifikation mangelt es ihr ja nicht: Führung auf oberster Ebene, Fachwissen, Erfahrung mit öffentlichen Erwartungen, medialer Druck – kennt sie alles aus dem Effeff, gibt es überhaupt irgendjemand, der sich besser in der Welt der Krisen auskennt als die geschasste RBB-Führungskraft?
Bei Schlesinger paart sich Chuzpe mit Selbstbewusstsein. Soll die 64-jährige Ex-Intendantin denn still und schuldbewusst in der Ecke sitzen? Das ist nicht ihr Ding. Wenn schon Krise, dann aber zu ihren Bedingungen. Und Stella Circle ist bislang nicht sonderlich bekannt im Bannkreis der Beratungsunternehmen, da ist das Engagement der über Berlin und Brandenburg hinaus bekannten Schlesinger ein PR-Stunt.
Mag die Krise beim RBB, der vor einem massiven Sparprogramm mit mehr als 200 abzubauenden Stellen steht, auch andauern, die frühere Intendantin sucht ihren Weg aus der ihren. Auf Honorarbasis, soviel Bescheidenheit soll sein.
Mehr zu Patricia Schlesinger bei Tagesspiegel Plus Eine Bestandsaufnahme des RBB Systematische Selbstverzwergung Im Zentrum der RBB-Affäre Der tiefe Fall von Patricia Schlesinger Öffentlich-rechtliches Systemversagen? Der Fall Schlesinger und die Folgen
Ob der RBB sicher sein kann, dass diese Honorare auf das Ruhegeld angerechnet werden müssen, sollte Schlesinger dessen lebenslange Zahlung vor Gericht durchsetzen? Bei der früheren Programmdirektorin Claudia Nothelle hatte der RBB den notwendigen Vertragspassus vergessen, also kassiert sie zum Professorengehalt gut 8.400 Euro zusätzlich im Monat.
An der Glasfront des Fernsehzentrums haben sie den Schlesinger-RBB-Slogan „Bloß nicht langweilen“ abgekratzt. War doch zu früh.