AUDIO: Graffiti ohne Risiko: Jugendliche sprayen in Groß Klein (3 Min)
Stand: 23.07.2025 17:32 Uhr
In Rostock Groß Klein hat eine Gruppe Jugendlicher nach monatelangem Einsatz endlich ihr Ziel erreicht: Eine Wand der örtlichen Sporthalle wurde zur legalen Graffiti-Fläche erklärt. Jetzt dürfen sie ganz offiziell sprayen – mit eigenen Regeln und viel Farbe für ihren Stadtteil.
Lindgrün und leuchtendes Orange: Erste Striche formen ineinander verschlungene Buchstaben. „Joel“ steht jetzt an der Außenwand der Sporthalle im Rostocker Stadtteil Groß Klein. Gesprayt hat es Till, 16 Jahre alt. Joel ist der Name seines kleinen Bruders. Der schaut Till beim Sprühen ehrfürchtig über die Schulter. Für Till ist das Graffiti-Handwerk mehr als ein Zeitvertreib: „Es macht mir Spaß, es ist ein gutes Hobby, es kann nicht jeder. Man kann sich darüber selbst ausdrücken, mit Figuren, mit Bildern“, so der Jugendliche.
Sporthallenwand wird zur Leinwand
Mit zehn Jahren hat Till mit dem Sprühen begonnen, erzählt er. Seitdem habe sich vor allem sein Schriftbild weiterentwickelt. Es sei heute aufwändiger, sauberer, durchdachter. Inzwischen sprayt er nicht mehr allein, sondern zusammen mit seinen Freunden – als „East Side Crew“. Die Idee, um offizielle, legale Sprayflächen zu bitten, entstand.
Unterstützung vom Verein Stadtgespräche
Unterstützung bekamen die Jugendlichen dafür vom Verein Stadtgespräche. Mitarbeiterin Kristine Koebe vernetzte Till und seine Freunde mit den richtigen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern. „Wir tun uns als Stadt einen Gefallen, wenn wir legale Räume fürs Sprayen schaffen“, so Kristina Koebe. Gäbe es diese nicht, würden Jugendliche woanders sprayen, vielleicht an Orten, die gefährlich sind oder schwer zu reinigen.
Illegales Sprayen in Rostock nahm zu
Till sprüht Graffiti seit er zehn Jahre alt ist.
Illegale Graffiti ist in Rostock ein Problem. Allein im Jahr 2024 wurden laut Polizei 710 Fälle von Sachbeschädigung durch Graffiti angezeigt – deutlich mehr als im Vorjahr (656 Delikte). Der dabei entstandene Sachschaden liegt bei über 350.000 Euro.
In Rostock seien die Kröpeliner Torvorstadt (KTV) sowie die Innenstadt seien besonders betroffen, so eine Sprecherin der Polizei. Und: Die Zahlen spiegeln nur das sogenannte Hellfeld wider – also Fälle, die tatsächlich angezeigt und erfasst wurden. Die Dunkelziffer dürfte laut Polizei deutlich höher liegen.
Sporthalle am Gerüstbauerring ausgewählt
Nach Gesprächen mit dem Jugendzentrum, dem Ortsbeirat, dem Verein Stadtgespräche und dem Eigenbetrieb KOE wurde schließlich eine Seite der Sporthalle am Gerüstbauerring in Groß Klein offiziell zur Graffiti-Fläche erklärt.
Jugendliche setzen sich eigene Regeln
Für die Eröffnung hat Till die Fläche stundenlang vorbereitet – jede graue Betonplatte grundiert, sorgfältig weiß gestrichen. Die Jugendlichen haben sich eigene Regeln gesetzt: Keine beleidigenden oder rassistischen Inhalte, keine Fenster oder Türen besprühen. Wer dagegen verstößt, muss damit rechnen, dass die KOE entfernt, was nicht passt. Bislang aber sei das kaum nötig gewesen, so Arndt Draheim von der KOE.
Zustimmung aus dem Viertel
In der Nachbarschaft kommt das Projekt gut an. Viele sehen es positiv, dass Jugendliche legale Möglichkeiten bekommen. „Ist doch gut – dann müssen sie nicht woanders schmieren“, findet ein Passant. Ein weiterer Rostocker stimmt ihm zu: „Macht den Ortsteil bunter.“ Auch die Eltern der Jugendlichen stehen hinter dem Projekt. „Hier bringt sich jeder ein bisschen selber zum Ausdruck. Sollen sie doch machen“, sagt ein Vater.
Was Till und die „East Side Crew“ als Erstes sprayen möchten, steht längst fest: „Unseren Gruppennamen“, so der 16-Jährige. Platz dafür ist auf der langen Wand genug. Genauso wie für weitere Ideen von Jugendlichen, die ihrem Stadtteil Farbe geben möchten. Denn es sind auch andere Wände in Rostock zum legalen Sprühen ausgeschrieben – darunter Außenwände der Sporthalle in der Straße Alte Warnemünder Chaussee. Ob es das Problem von illegalen Graffiti lösen wird? Viele in Groß Klein hoffen zumindest, dass die legalen Wände ein erster Schritt dahin sind.
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