„Chaos“, „Verhau“, „Schandfleck“: Die Bezeichnungen für das unter anderem aus Planen, Paletten, Folien, Karton zusammengebaute ehemalige Klimacamp neben dem Augsburger Rathaus fielen teils drastisch aus. Oft schwang der Vorwurf mit, mit den jungen Klimaaktivisten werde zu nachsichtig umgegangen. Dass auch die Klimacamper ihre Konflikte mit der Ordnungsmacht auszufechten hatten, zeigte jetzt ein Prozess vor einem Jugendrichter des Amtsgerichts. Dort wurde das Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz gegen einen 22-jährigen ehemaligen Versammlungsleiter des Camps wegen Geringfügigkeit eingestellt. Er war verantwortlich dafür gewesen, dass zwei Solarmodule an der falschen Stelle gestanden hatten.
April 2024, eine Polizeistreife schaut am Klimacamp auf dem Fischmarkt direkt am Augsburger Rathaus vorbei. Den Beamten fällt ein Verstoß auf: Zwei Solarmodule des Klimacamps liegen zwischen Perlachturm und Rathaus auf dem Boden, aber an einer Stelle, die laut Bescheid der Stadt aus Brandschutzgründen freigehalten werden muss. Dazu muss man wissen, dass das Klimacamp als Veranstaltung angemeldet war und dass der Genehmigungsbescheid allerlei Auflagen enthielt. Eine solche Auflage war etwa, dass ständig, rund um die Uhr, ein verantwortlicher Versammlungsleiter bei der Polizei gemeldet sein muss.
Prozess in Augsburg: Versammlungsleiter des Klimacamps muss keine Strafe zahlen
Eine weitere: Die Fläche für die Versammlung Klimacamp war exakt in einen Plan eingezeichnet. Während der meiste Platz des Fischmarktes als für das Camp als freizuhaltende rote Zone galt, gab es in der Mitte eine gelbe Fläche für die Versammlung. Die beiden Solarmodule lagen außerhalb der gelben in der roten Zone. Das sprachen die Polizisten im Camp an und forderten Abhilfe. Bei einer Nachschau lagen die beiden Module immer noch am falschen Platz am Rande des Fußgängerweges zwischen Rathaus und Perlachturm. Wieder suchten die Beamten das Gespräch, so wurde es am Rande des Verfahrens bekannt, dann seien die Module entfernt worden.
Eine Anzeige gegen den Veranstalter war da aber schon geschrieben. In der Folge hatte es einen ersten Versuch gegeben, die Angelegenheit zu bereinigen. Der Vorschlag, der angeklagte Versammlungsleiter solle im Gegenzug für eine Einstellung des Verfahrens einen Aufsatz schreiben, schlug offenbar aufgrund eines Missverständnisses fehl. Und so kam es jetzt zur Hauptverhandlung vor Jugendrichter Nicolas Pfeil. Rechtsanwältin Martina Sulzberger gab nach Verlesen der Anklageschrift eine Erklärung für ihren Mandanten ab. Dieser gestehe die Tat, die stattgefunden hatte, als er selbst gerade nicht vor Ort gewesen sei. Sulzberger sprach sich dafür aus, das Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen, da es sich tatsächlich nur um zwei falsch aufgestellte Solarmodule gehandelt habe.
Staatsanwältin Carmen Haugg widersetzte sich dem Ansinnen nicht. Eine Vertreterin der Jugendgerichtshilfe hatte zuvor erklärt, dass der Angeklagte zu einem Gespräch bei ihr erschienen sei. Nach diesem Gespräch halte sie das Abfassen eines Aufsatzes für pädagogisch nicht mehr erforderlich. Auch in der Kostenfrage kam der Angeklagte glimpflich davon. Der junge Mann, derzeit arbeitssuchend und quasi mittellos, bekundete, selbst keine Strafe zahlen zu können. Entsprechend verzichtete Richter Pfeil nach Verkünden der Einstellung des Verfahrens auf eine Geldauflage und legte die Gerichtskosten der Staatskasse auf. Eine Lösung für die Kosten der rechtsanwaltlichen Hilfe muss der 22-Jährige indes selbst finden.
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Michael Siegel
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