Sind die Patriot-Flugabwehrsysteme schon bald überflüssig, weil Drohnen und Raketen mit Laser abgeschossen werden können?
(Bild: Karolis Kavolelis / Shutterstock.com)
Neue Laser-Waffe blendet Drohnen und Raketen – für einen Bruchteil der Kosten eines Patriot-Schusses. Ist das ein Wendepunkt in der Luftabwehr?
Das türkische Rüstungsunternehmen Aselsan hat mit YILDIRIM 100 ein Laserwaffensystem entwickelt, das Drohnen und Raketen auf ungewöhnliche Weise bekämpft: Statt sie zu zerstören, blendet es ihre Sensoren. Die Angreifer verfehlen dadurch ihr Ziel.
Pro Einsatz fallen lediglich Stromkosten an – ein drastischer Unterschied zu herkömmlichen Abwehrsystemen wie den amerikanischen Patriots, bei denen jeder Schuss vier Millionen US-Dollar kostet.
Der Krieg in der Ukraine hat die zentrale Rolle von Drohnen auf modernen Schlachtfeldern deutlich gemacht. Die Militäranalystin Patricia Marins beschrieb auf X eine fundamentale Veränderung der Kriegsführung:
Beide Seiten kämpfen jetzt einen anderen Krieg. Ich wage zu behaupten, dass große Konvois obsolet geworden sind, und alles, was sich langsam bewegt, wird an der Front nur eine kurze Lebensdauer haben.
Drohnenkrieg verändert alles – vom Panzer zum Motorrad
Die neue Realität zeige sich demnach besonders in der umkämpften Stadt Pokrowsk. Russische Drohnen überwachen dort rund um die Uhr. Frühere Taktiken wie Fahrten bei Dämmerung bieten keinen Schutz mehr. Besonders problematisch: Glasfasergesteuerte Drohnen lassen sich nicht stören.
Marins beschrieb die neue russische Taktik als „Mad Max-Style-Offensive“: Kleine Gruppen auf Motorrädern und Buggys rasen mit hoher Geschwindigkeit vor, gedeckt von Drohnenschwärmen. Sie versuchen, gegnerische Stellungen zu infiltrieren. Schwere Panzerkonvois gehören demnach der Vergangenheit an.
Die ukrainische Seite hat sich an die neuen Kampfbedingungen angepasst und arbeitet ebenso intensiv mit Drohnen, um die russischen Angriffe abzuwehren. Vor diesem Hintergrund gewinnen Waffen, die Drohnen effektiv bekämpfen können, an Bedeutung.
Blendung statt Zerstörung – so funktioniert das System
Das System YILDIRIM 100 arbeitet mit der sogenannten DIRCM-Technologie (Directed Infrared Countermeasure – gezielte Infrarot-Gegenmaßnahme). Ein radarbasierter Sucher spürt anfliegende Geschosse auf und leitet die Informationen an die Lasereinheit weiter. Diese richtet dann gebündelte Laserenergie auf die Suchköpfe der Angreifer.
Der Laserstrahl ist nicht stark genug, um Raketen oder Drohnen zu beschädigen. Er reicht jedoch aus, um deren empfindliche Infrarotsensoren zu stören und zu blenden. Die Geschosse verlieren dadurch ihre Orientierung – sie werden quasi blind und können ihr Ziel nicht mehr anvisieren. Bei Angriffen auf Flugzeuge oder Schiffe stürzen die geblendeten Raketen meist ins Meer oder verschwinden in der Atmosphäre.
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Das YILDIRIM 100 verfügt über ein Doppelturmdesign mit zwei Lasereinheiten. Diese Konstruktion ermöglicht einen Rundumschutz von 360 Grad. Eine elektronische Steuerbox koordiniert den Betrieb und kommuniziert mit Raketenwarnsystemen. Der gesamte Prozess läuft automatisch ab – von der Erkennung bis zur Neutralisierung vergehen nur Sekunden.
Mehrere Ziele gleichzeitig im Visier
Ein entscheidender Vorteil des Systems: Es kann mehrere Bedrohungen gleichzeitig bekämpfen. Die Lasereinheiten müssen dazu nur kleine Bewegungen ausführen, um von einem Ziel zum nächsten zu schwenken. Der Laserstrahl steht dabei unterbrechungsfrei zur Verfügung.
Bei Tests gelang es Aselsan nach eigenen Angaben, mehrere infrarotgesteuerte Raketen erfolgreich abzuwehren – darunter auch solche mit aktiven Sprengköpfen. Das System erkannte die Bedrohungen, verfolgte sie und neutralisierte sie durch die Blendung ihrer Suchköpfe.
Ahmet Akyol, Vorstandsvorsitzender von Aselsan, erklärte: „Mit dem erfolgreichen Test des YILDIRIM 100 sind wir sehr stolz darauf, die Luftverteidigungsfähigkeiten unseres Landes auf das Niveau der weltweit führenden Nationen zu bringen.“
Grenzen der Blendtechnik bei Bodenzielen
Die Blendtechnik hat allerdings auch Nachteile. Bei Angriffen auf Bodenziele können geblendete Raketen oder Drohnen an unvorhersehbaren Stellen einschlagen und dort Schaden anrichten. Das System eignet sich daher besonders für den Schutz von Luftfahrzeugen und Schiffen, wo verfehlte Geschosse meist keine Gefahr mehr darstellen.
Das YILDIRIM 100 ist speziell gegen tragbare Luftabwehrsysteme (MANPADS) entwickelt worden – schultergestützte Raketen, die von Einzelpersonen abgefeuert werden können. Diese Waffen sind weltweit verbreitet und stellen eine erhebliche Bedrohung für Hubschrauber und tieffliegende Flugzeuge dar.
Laut Aselsan zeichnet sich das System durch geringen Stromverbrauch und hohe Einsatzbereitschaft aus. Die Wartungskosten seien niedrig, die Lebensdauer hoch. Genaue Angaben zu den Anschaffungskosten machte das Unternehmen nicht. Diese dürften jedoch deutlich unter den 325 Millionen Dollar eines Patriot-Systems liegen.
Die Türkei reiht sich mit dieser Entwicklung in eine kleine Gruppe von Nationen ein, die über fortgeschrittene laserbasierte Abwehrsysteme verfügen. Im März 2025 hatte Aselsan bereits Tests seines mobilen Laserwaffensystems Gökberk abgeschlossen, das speziell zur Bekämpfung von First-Person-View-Drohnen entwickelt wurde – kleinen Drohnen, die der Pilot aus der Ich-Perspektive steuert.