Bad Soden (Sc) – Im Rahmen einer Lesung die Autorin oder den Autor persönlich kennenzulernen ist immer eine großartige Erfahrung – birgt es doch die Möglichkeit, den Menschen hinter der Geschichte zu erleben und etwas über die Motive rund um die Entstehung des jeweiligen Werkes zu erfahren.

Am vergangenen Freitag war die Autorin Iris Otto auf Einladung von Chris Becker, Leiter der Stadtbibliothek im Badehaus in Bad Soden, zu Gast und stellte ihren neuen Roman „Das Elternhaus“ vor. Trotz der Sommerferien war das Foyer vor der Stadtgalerie mit zahlreichen interessierten Leserinnen und Lesern gut gefüllt, die Stimmung hervorragend und die Anwesenden waren gespannt, was Iris Otto wohl in Bezug auf ihr neuestes Werk zu erzählen hatte.

Die Autorin

Iris Otto stammt gebürtig aus Niedersachsen und ist seit vielen Jahren wohnhaft in Liederbach. Zum kreativen Schreiben kam sie später, zunächst machte sie eine Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau und arbeitete zudem viele Jahre in diesem Beruf – bis sie sich für die Familie eine Auszeit nahm. Nachdem sich eine spätere Rückkehr in den Beruf schwierig gestaltete, brachte sie ein Gespräch mit einer netten Nachbarin auf die Idee, doch etwas „ganz Neues“ zu probieren. Ihre Leidenschaft galt schon immer dem geschriebenen Wort, Geschichten gab es viele – was lag daher näher, als sich dem kreativen Schreiben zuzuwenden. Allerdings konnte sie sich mit einem empfohlenen Studium der Germanistik nicht so richtig anfreunden und professionelle Schreibkurse waren kostspielig. Aufgeben kam jedoch nicht in Frage, weshalb Iris Otto an mehreren Schreibwettbewerben, die regelmäßig von verschiedenen Verlagen veranstaltet wurden, teilnahm. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Ihre Kurzgeschichte zum Thema „Brieftauben“ wurde von einem Verlag in einem Sammelband für Kurzgeschichten veröffentlicht. Es folgten drei Kriminalromane („Mord kommt vor dem Fall“ (2016), Raub von Silber, Mord für Gold“ (2017) und „Ist der Ruf ruiniert, folgt der Mord garantiert“ (2019)), die von Iris Otto im Selbstverlag herausgebracht wurden.

Nach drei Kriminalgeschichten wollte Iris Otto nach eigenem Bekunden gerne etwas Neues probieren und wagte sich an ihr Romanprojet für „Das Elternhaus“. „Einen Roman zu schreiben ist etwas anderes, als eine Kriminalgeschichte“, so Otto. „Krimis folgen einem Spannungsbogen und haben in der Regel einen Fall als Thema, der letztendlich gelöst wird.“ Bei einem Roman, so führte Iris Otto aus, ist der Aufbau eines „Spannungsbogens“ sehr viel schwieriger, außerdem benötigt er sehr viel mehr Recherchearbeit und damit auch mehr Zeit.

„Das Elternhaus“

Der Roman „Das Elternhaus“ ist ein „Entwicklungsroman“, in dem die Leser den Hauptprotagonisten Andreas Losner über eine längere Zeit auf seinem Lebensweg begleiten – gute Beispiele für dieses Genre sind: „Die Blechtrommel“ von Günter Grass oder auch „Robinson Crusoe“ von Daniel Defoe.

Iris Otto erzählt in ihrem Roman eine packende Familiengeschichte über mehrere Jahrzehnte, die eingebettet ist in die ereignisreiche Zeit des Wirtschaftswunders, des Mauerbaus, der wilder 68er und des kalten Krieges bis hin zum Jahrtausendwechsel. Die Geschichte ist rein fiktiv und beginnt in Niederhofheim, wo Familie Losner Ende der 50er Jahre den Grundstein für ihr eigenes Haus legt.

Gerne möchten die Eltern die Schatten der Vergangenheit hinter sich lassen und ihrem Sohn ein gepflegtes Zuhause und ein Leben im Wohlstand schaffen. Jedoch läuft nicht alles so glatt wie von den Eltern erwünscht, denn Andreas kann bereits in der Grundschule die Erwartungen des Lehrers und seines ehrgeizigen Vaters nicht erfüllen. Oft verkriecht er sich im Keller des Hauses, der ihm Sicherheit vermittelt. Als die lebensfrohe Tante schließlich in das Haus mit einzieht, kehren für die Dauer ihres Aufenthaltes auch Unbeschwertheit, Freude und das Lachen in sein Elternhaus ein – umso schlimmer ist es für Andreas, als die junge Frau unvermittelt nach Ostdeutschland verschwindet. Die Konflikte mit dem Vater verschärfen sich und Andreas verlässt nach einem Streit sein Elternhaus. Mit dem Traum von einem eigenen Kino vor Augen landet er zunächst mittellos in der Frankfurter Hausbesetzer- und Drogenszene. Was folgt, ist eine Geschichte vom Erwachsenwerden, der ersten großen Liebe und die Frage, ob es ihm gelingen wird, ein harmonisches Miteinander in seiner eigenen Familie aufzubauen.

Kurzweilige Lesung

Wer nun denkt, Lesungen wären langweilig, der wurde bei Iris Otto eines Besseren belehrt. Während die Autorin so ganz nebenbei immer ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudert und die Anwesenden z.B. erfahren, dass ihr die Idee zum Buch kam, als in ihrer Nachbarschaft ein altes Haus abgerissen wurde und sie darüber nachdachte, was diese Wände wohl alles erlebt und gehört hatten.

Weil sich die Geschichte über mehrere Jahrzehnte erstreckt, hatte Iris Otto für jeden Teil, den sie aus den verschiedenen Erzählepochen des Buches vortrug, auch die passende Musik mitgebracht. „Die Musik hat sich mit den Jahrzehnten, in denen der Roman spielt, deutlich verändert und spiegelt die Stimmung der jeweiligen Zeit recht gut“, so Otto. So begann die Lesung mit einem 50er-Jahre Hit von Conny Froboess – einstimmend auf die Grundsteinlegung der Familie Losner für ihr eigenes Einfamilienhaus. Die 70er Jahre, in denen Andreas nach dem Streit mit seinem Vater von zuhause weggeht und in die Hausbesetzerszene in Frankfurt einsteigt, wurde von Otto sehr passend mit dem Song „House of the Rising Sun“ eingeleitet. Die Anwesenden konnten sich so, trotz der Zeitsprünge in der Geschichte, recht gut mit den Inhalten und der jeweiligen Stimmung identifizieren. Eine schöne Idee, die großen Anklang bei den Anwesenden fand.

Große Unterstützung bei ihrer Recherchearbeit erhielt Iris Otto vom Liederbacher Geschichtsverein, der ihr während der Pandemie, als der Besuch von Archiven und Bibliotheken etc. nicht möglich war, hilfreich zur Seite stand, um sich über die lokalen Ereignisse in der Nachkriegszeit zu informieren.

Letztendlich hat es vier Jahre gedauert, so Otto, bis ihr Roman fertiggestellt war. Ihre „Storyline“ stand dabei von vorneherein fest, manche Inhalte haben sich aber – in einem kreativen Prozess – erst beim Schreiben ergeben. Das Ergebnis ist eine kurzweilige Geschichte, vom Erwachsenwerden, aber auch von Veränderung und Emanzipation in der Zeit des Wirtschaftswunders.

Den Roman „Das Elternhaus“ gibt es in allen einschlägigen Buchhandlungen. Wer mehr über die Autorin und ihre Bücher erfahren möchte, dem sei die Internetseite der Autorin empfohlen: www.irisotto.de