Liebe Leserin, lieber Leser,

der Ruf des Aluhuts hat während der Corona-Pandemie gelitten, weil er
damals – zu Unrecht – mit pseudowissenschaftlich begründeter Impfkritik in
Verbindung gebracht wurde. Tatsächlich haben Aluhüte aber mit Viren nichts zu
tun. Jeder parawissenschaftlich halbwegs gebildete Mensch weiß, dass sie zur
Bekämpfung von Telepathie und Erdstrahlen dienen 😉.

Wie ich darauf komme? Vor ein paar Tagen wurde ich an eine spektakuläre
Kampagne erinnert, die weit länger zurückliegt als die Pandemie. Als ich vor 17
Jahren nach Klein Borstel gezogen bin, fand ich auf Fußwegen mit Farbspray
gezogene Markierungen vor. Sie wiesen auf den Abstand zu einem geplanten
Mobilfunkmast hin – und darauf, dass innerhalb des solcherart gezeichneten
Umkreises mit schweren Gesundheitsschäden infolge von Handystrahlung zu rechnen
sei. Anhängerinnen und Anhänger der Initiative riefen damals zu einem
Massentest auf, um die Veränderungen ihrer Blutbilder unter dem Einfluss
ionisierender Strahlung dokumentieren und den Betreiber des Sendemasts auf
Schadenersatz verklagen zu können. Mehr als hundert Personen ließen sich damals
Blut abnehmen. Man kann im Rückblick sagen: Die Wucht der Kampagne und die im
weitesten Sinne wissenschaftsähnliche Herangehensweise verdienen einen gewissen
Respekt.

Den bekamen sie auch: Der Sendemast ging nicht in Betrieb und wurde später
abgebaut.

Eine Folge der damaligen Kampagne ist, dass Teile Klein Borstels sich in
einem Funklöchlein befinden. Selbst bin ich nicht betroffen, aber weiter unten
im Alstertal kann es mit dem Handyempfang offenbar schwierig werden. Eine
Grünen-Politikerin aus dem Bezirksrat Nord, die selbst dort wohnt, möchte das
nun ändern und fordert einen neuen Sendemast für Klein Borstel.

Inzwischen ist ihr Vorstoß gescheitert. SPD, CDU und FDP, die zusammen im
Bezirk Nord die Mehrheit stellen, haben sich für unzuständig erklärt.
Allerdings ist es in Hamburg nicht ungebräuchlich, dass politische Mehrheiten
bloß eine Schamfrist verstreichen lassen, um sich danach die Anliegen ihrer
Widersacher zu eigen zu machen.

Sollte es dazu kommen, wird es spannend in Klein Borstel. Wie stark ist die
organisierte Mobilfunkkritik noch? Meine Vermutung ist, dass ihre früheren
Anhänger inzwischen selbst Handys nutzen und das Thema daher entspannter sehen.
Sollte es allerdings anders sein, wird sich eine Welle des Spotts über unseren
kleinen Stadtteil ergießen, vor der wir uns selbst mit unseren Aluhüten nicht
werden schützen können.

© ZON

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Ihr Frank Drieschner

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WAS HEUTE WICHTIG IST

© Christian Charisius/​dpa

Am Hauptbahnhof hat ein neues Fahrradparkhaus eröffnet. Das
Gebäude am Glockengießerwall bietet Platz für rund 200 Fahrräder, wie die
Deutsche Bahn mitteilte. Bereits im März war ein kleineres Fahrradparkhaus mit
120 Stellplätzen auf der Südseite am Steintordamm in Betrieb genommen worden.
Die Kosten für das Abstellen beginnen den Angaben zufolge bei einem Euro pro
Fahrrad und Tag. Die Plätze müssen online gebucht werden. Im Stadtteil St.
Georg, zu dem der Hauptbahnhof gehört, erfasste die Polizei im vergangenen Jahr
431 Fahrraddiebstähle. Mehr Fahrräder wurden nur in den Stadtteilen Winterhude
(473 Fälle) und Eimsbüttel (785) gestohlen.

Hamburgs größte Wohnungsgesellschaft Saga hat im vergangenen
Jahr einen Rekordgewinn in Höhe von rund 283,5 Millionen Euro
eingefahren. Das sind rund 100 Millionen Euro mehr als 2023. Mit mehr als 140.000
Wohnungen und etwa 1.400 Gewerbeobjekten ist die Saga einer der größten
kommunalen Vermieter in Deutschland.

Die Stimmung der Hamburger Wirtschaft hat sich von April
bis Juni leicht gebessert. Auf einer Skala von 0 bis 200 bewerteten 591 Hamburger
Unternehmen das Geschäftsklima im zweiten Quartal im Schnitt mit 94,9 Punkten,
wie die Handelskammer mitteilte. Das sind zehn Punkte mehr als im
Vorquartal. Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Malte Heyne sieht darin
noch keinen Grund für Optimismus: „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer“,
sagte Heyne.

In aller Kürze

Die Veolia Towers Hamburg haben den 18 Jahre
alten Guard Janne Müller unter Vertrag genommen. Wie der Basketball-Club
mitteilte, hat der 1,93-Meter-Mann ein Arbeitspapier bis zum Ende der Spielzeit
2027/28 unterschrieben Weil ein 40-Jähriger einen Mitarbeiter mehrfach
mit einer Schusswaffe bedroht haben soll, durchsuchte die Polizei eine
Firma in Billbrook und die Wohnung des Verdächtigen in Billstedt. Dabei
stellten die Beamten mehrere Waffen sicher Auf dem Heiligengeistfeld
beginnt am Freitag der Sommerdom. Das Volksfest dauert bis zum 24.
August

THEMA DES TAGES

© Hamburg Ballett

Brosdas Schweigen

Warum klärt
der Kultursenator die Vorfälle im Hamburg Ballett nicht auf? Das fragen die
ZEIT-Redakteure Stella Schalamon und Florian Zinnecker; lesen Sie hier einen
Auszug aus ihrem Artikel, der heute im ZEIT-Feuilleton erscheint.

Am Ende erzählen immer
die Sieger die Geschichte. Verständlich also, dass das, was man seit Wochen
über das Hamburg Ballett liest, bisweilen recht einseitig klingt: Die von John
Neumeier vor fünf Jahrzehnten gegründete und bis heute geprägte Kompagnie habe dessen Nachfolger Demis Volpi unerschrocken als Nichtskönner und untragbaren
Despoten entlarvt – und nur wenige Monate nach seinem Amtsantritt davongejagt.

Als Hamburgs
Kultursenator Carsten Brosda vorigen Freitag vor den Kulturausschuss der
Hamburgischen Bürgerschaft zitiert wurde, klang die Sache ganz anders. Die
Staatsoper, deren Aufsichtsrat Brosda vorsitzt, habe gegen Volpi nichts in der
Hand gehabt, um seinen Vertrag vorzeitig zu beenden – was geboten gewesen wäre,
wäre von Volpi eine Gefahr für die Mitarbeiter ausgegangen. Stattdessen
erfolgte die Trennung „einvernehmlich“, mit einer satten Abfindung für Volpi
und der dünnen Begründung, dass für eine weitere Zusammenarbeit mit der
Kompagnie die nötige Grundlage fehle.

Was das heißen soll,
warum Volpi also gehen musste: Darüber ist von Brosda nichts zu vernehmen, dem
Einzigen, der die Sache aufklären könnte. Aber der Auflösungsvertrag mit Volpi
enthalte eine Schweigeklausel, an die er als Aufsichtsratschef gebunden sei.

Damit kann Brosda, der
bislang als vom Glück geküsster Kulturpolitiker galt, nur noch falsche
Entscheidungen treffen. Sagt er nichts, kann er das Scheitern der vielleicht
wichtigsten Personalie seiner Karriere nicht erklären. Und er belastet Volpi,
dessen Ruf als toxischer Hochstapler weiter unwidersprochen bleibt. Sagt er
doch etwas, kommen Dinge ans Licht, die den ganzen Vorgang nur noch dubioser
erscheinen lassen. Etwa durch seinen Hinweis, auch er kenne die Namen der
angeblichen 17 Tänzerinnen und Tänzer aus Düsseldorf nicht, die sich bei ihm
über Volpi beschwerten.

Aus der Hamburger Kompagnie selbst hört man
unterdessen, dass die Befragung des Ensembles, die sogenannte
Gefährdungsbeurteilung, die Volpis Aus zu besiegeln schien, nie abgeschlossen
wurde. Statt alle Mitarbeitenden unter Volpis Führung anonym zu befragen,
begnügte sich der Betriebsrat mit den Tänzern, die ihre Opposition zu Volpi
vorher schon öffentlich kundgetan hatten – zur Irritation des Teams. Die
Ergebnisse der Befragung hält der Betriebsrat unter Verschluss, Fragen dazu
beantwortet er nicht. Enthalten die Unterlagen so Gravierendes, dass die
Öffentlichkeit um keinen Preis davon erfahren soll? Oder enthalten sie gar
nichts? Man möchte sich kaum ausmalen, was für den Ruf des Hauses verheerender
wäre.

Welche Erklärung für das jähe Ende der Intendanz von
Demis Volpi im Hamburg Ballett kursiert, lesen Sie weiter in der ungekürzten Fassung auf zeit.de.

DER SATZ

© Daniel Bockwoldt/​dpa

„Mein Bruder musste sterben, weil andere Spaß haben
wollten“

Vergangenes
Jahr lieferten sich zwei Männer in Billstedt ein illegales Autorennen, in
dessen Folge ein zweijähriges Kind starb. Über das Gerichtsurteil gegen die beiden Fahrer berichtet
ZEIT-Autorin Elke Spanner
.

DARAUF KÖNNEN SIE SICH FREUEN

Das Museum am Rothenbaum
bietet ein umfangreiches Ferienprogramm für Kinder: Die
ersten Veranstaltungen finden Anfang August statt. Am 5. und 6. August etwa der
Kochkurs „Laksa-Suppe kochen!“ Laksa ist eine Suppe aus
der südostasiatischen Küche. Zu Beginn gibt es einen Rundgang durch die
Ausstellung „Tausend Töpfe“, in der man Küchenutensilien und Essensrituale
verschiedener Regionen kennenlernt.

Museum am Rothenbaum – Kulturen und Künste der
Welt, Rothenbaumchaussee 64

MEINE STADT

Rot-blauer Teppich im Fahrradparkhaus (Westfield) © Heike Schröder

HAMBURGER SCHNACK

Eppendorfer Landstraße, Radweg. Ein Stück vor mir sind
drei Männer ins Gespräch vertieft. Ich muss klingeln, weil einer der drei auf
dem Radweg läuft. Er macht einen Satz zur Seite und rempelt dabei einen seiner
Freunde an. Der kontert: „Immer das Gleiche mit dir. Ständig bist du dem Radweg
im Wege.“

Gehört von Margret Silvester

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