Abbildung eines Erdbeobachtungssatelliten mit niedriger Umlaufbahn

(Bild: Elliptic Studio / Shutterstock.com)

Bundeswehr will bis 2029 eine eigene Satellitenkonstellation im Weltraum aufbauen. Kosten: Bis zu zehn Milliarden Euro. Warum geht Deutschland nicht den europäischen Weg?

Wenn es um Satelliten im All geht, setzt die Bundeswehr künftig auf Eigenständigkeit statt auf europäische Kooperation. Nach Informationen des Handelsblatts plant die deutsche Armee den Aufbau von mindestens einer eigenen Satellitenkonstellation bis zum Jahr 2029.

Satellitenkonstellationen sind Netzwerke von mehreren Hundert Satelliten, die gemeinsam eine Aufgabe wie Kommunikation oder Erdbeobachtung erfüllen. Führend in dem Bereich sind bislang die USA und China. Auch Frankreich unterhält mit Eutelsat eine kleine Konstellation. Selbst mit dieser wird das Satellitennetzwerk der Bundeswehr wohl nicht mithalten können.

Hohe Kosten, aber mehr Unabhängigkeit von den USA

Eine solche Konstellation, wie sie von der Bundeswehr geplant ist, könnte Experten zufolge bis zu zehn Milliarden Euro kosten. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums bestätigte die Pläne. Details zu Kosten oder technischem Aufbau nannte er aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht.

Klar ist aber: „Es werden verschiedene Optionen für den möglichen Aufbau von Konstellationen untersucht, um den steigenden Bedarf an raumgestützter Aufklärung durch nationale Fähigkeiten zu decken.“

Bisher betreibt die Bundeswehr nur acht bis zehn Satelliten im Weltraum und hat sich ansonsten auf Systeme von Verbündeten verlassen, hauptsächlich der USA. Doch unter US-Präsident Donald Trump erweisen sich bestehende Absprachen angeblich oftmals als brüchig.

So drohte die Ukraine nach Differenzen mit der US-Regierung zwischenzeitlich, den Zugriff auf die Satellitenkommunikation über Elon Musks Starlink-System zu verlieren. Mit einer eigenen Konstellation will sich Deutschland nun unabhängiger machen.

Frankreichs Eutelsat hinkt Starlink hinterher

Doch warum geht die Bundeswehr nicht den europäischen Weg und kooperiert mit Frankreich? Dort sitzt mit Eutelsat immerhin Europas führender Satellitenbetreiber. Das 1977 gegründete Unternehmen befindet sich mehrheitlich in Staatsbesitz. Die französische Investitionsbank Bpifrance hält 13,6 Prozent, die britische Regierung 10,9 Prozent. Größter Einzelaktionär ist mit 23,8 Prozent aber das indische Konglomerat Bharti Enterprises.

Eutelsat betreibt derzeit weniger als 700 Satelliten in einer erdnahen Umlaufbahn und plant, in den nächsten Jahren 500 weitere ins All zu schicken. Zum Vergleich: Der US-Konkurrent Starlink von Elon Musk verfügt bereits über rund 7.000 Satelliten – zehnmal so viele wie Eutelsat.

Starlink-Terminals sind zudem deutlich günstiger. Die Terminals von OneWeb, dem Satelliten-Internetdienst von Eutelsat, kosten laut Wall Street Journal in der Einstiegsversion 3.200 US-Dollar. Die Benutzerterminals von Starlink dagegen nur 400 US-Dollar. Zudem seien die OneWeb-Terminals sperriger als die schlanken Geräte von Starlink.

„OneWeb ist in keiner Weise, in keiner Form und in keiner Gestalt eine geeignete Alternative zu Starlink“, urteilt Christopher Baugh, ein Experte für die Satellitenindustrie bei der Beratungsfirma Analysys Mason, gegenüber dem Wall Street Journal. „Der Start vieler Satelliten geschieht nicht über Nacht.“

EU-Projekt Iris2 kommt für Bundeswehr zu spät

Auch das geplante EU-Projekt Iris2 ist für die Bundeswehr keine Option. Unter diesem Namen will die EU eine eigene europäische Satellitenkonstellation aufbauen. Doch die wird frühestens 2030 einsatzbereit sein und auch dann nur teilweise militärisch nutzbar.

Für die Bundeswehr tickt dagegen die Uhr. „Es drängt die Zeit, aufgrund der fehlenden Satelliten und Raketenstarts wird es schon knapp“, sagt Andreas Knopp, Professor an der Universität der Bundeswehr in München, gegenüber dem Handelsblatt. „Bis 2029 könnte so oder so nur eine übersichtliche Zahl von 100 bis 150 Satelliten in den Orbit gebracht werden.“

Bundeswehr setzt auf deutsche Raumfahrtfirmen

Bei ihren Plänen will die Bundeswehr hauptsächlich auf die deutsche Raumfahrtindustrie setzen. Das weckt Erwartungen bei den hiesigen Firmen. „Deutschland verfügt über ein sehr leistungsfähiges Raumfahrt-Ökosystem“, sagt Matthias Wachter vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) laut Handelsblatt. „Die Bundeswehr sollte die Fähigkeiten des gesamten Ökosystems besser nutzen.“

Im Fokus stehen dabei primär drei deutsche Start-ups, die als sogenannte „Microlauncher“ kleinere Raketen mit rund einer Tonne Nutzlast entwickeln: Isar Aerospace, Rocket Factory Augsburg und Hyimpulse. Sie könnten im Angriffsfall schnell Ersatzsatelliten ins All bringen. Laut Insidern laufen bereits Gespräche mit dem Verteidigungsministerium.

Die genaue Ausgestaltung der Bundeswehr-Konstellation ist noch offen. Es könnten auch mehrere spezialisierte Konstellationen für Kommunikation, Signalaufklärung und Erdbeobachtung entstehen. Klar ist: Deutschland will sich im Weltraum nicht länger nur auf Verbündete verlassen – und geht dafür notfalls auch einen Sonderweg ohne seine europäischen Partner.