Mitten in … Kiel
Nach tagelangem Tütensuppen- und Schokokeksekonsum vor dem Zelt in den Dünen von Amrum haben zumindest die Eltern bei der Abreise zurück auf das Festland Lust auf etwas Gekochtes und ein wenig Stadtflair. Google kennt das angeblich beste persische Restaurant in Kiel, das Navigationsgerät lotst einen klaglos zum Zielort. Beim Einbiegen in die Straße kommen jedoch Zweifel auf. Dubiose Gestalten lungern herum, Spielotheken, Müll, und keine zwei Schritte vor dem Restaurant drücken sich Junkies den Stoff in ramponierte Körper. Gegoogelt, wo wir gelandet sind: „Hartes Deutschland – Leben im Brennpunkt“, Kiel Gaarden-Ost ist Junkiehotspot. Die Tochter auf der Rückbank: „Mama, können wir gehen?“ „Ja, mir ist auch mulmig.“ Tochter: „Nein, das ist es nicht. Aber die hier sehen echt nicht nach guten Vorbildern aus.“ Annette Reuther
(Foto: Marc Herold)Mitten in … Rosenheim
Zwei Männer sitzen im Zug von Rosenheim nach München. Der eine hat arabische Schriftzeichen auf den Unterarm tätowiert, kann aber kein Arabisch. Der andere kann Arabisch, er zeigt erfreut auf die Schrift. Der Oberbayer sagt, da solle „Hier und Jetzt“ stehen, ob das auch stimme? Ja, antwortet der Jordanier. Ihm gefalle die arabische Schrift so, sagt der Oberbayer. Auf seinem Oberkörper stehe außerdem Jussuf – sein Name (Josef) in Arabisch, und auf seinen Rücken sei Inschallah (so Gott will) tätowiert. Hundertmal habe er sich beim ägyptischen Tätowierer erkundigt, ob alles richtig geschrieben sei. Aber jetzt habe ihm sein syrischer Friseur gesagt, dass Inschallah den Namen Gottes beinhaltet und es gotteslästerlich sei, wenn man den Schriftzug etwa am Klo entblöße. „An alles hab’ ich gedacht“, so der Oberbayer, „aber daran nicht!“ Der Jordanier nickt milde. Hans Gasser
(Foto: Marc Herold)Mitten in … Peking
Auf Heimatbesuch in Deutschland, mit dem Sohn aufs Fahrrad gesprungen, um Erdbeeren zu pflücken. Vorher hatte man beim Hof in Wangels angerufen, das Feld sei offen. Doch am Ort: eine Reaktion, als fragte man nach einem Flug zum Mond. Erdbeeren pflücken? Nichts reif! „Kommt morgen wieder“, heißt es, aber auch ohne Garantie. Später am Arbeitsort in Peking, Gespräch mit der chinesischen Kollegin. Man erzählt von dem Erdbeer-Zwischenfall und sagt: „In China gäb’s längst eine App mit täglichen Updates.“ Selbstsicher befindet man: Hier gibt’s noch Servicementalität! Digitalisierung! Arbeitsmoral! Doch die Kollegin schüttelt den Kopf: „Wir würden keine App entwickeln“, sagt sie und grinst. „Bevor wir Kunden wegschicken müssen, würden wir nachts schon gepflückte Beeren vergraben. Und die Kinder könnten sie am Morgen wieder ausbuddeln.“ Lea Sahay
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