Stand: 24.07.2025 12:51 Uhr

Das Kleine Schwarze, ein rosa Tutu oder ein weißes T-Shirt: Serien prägen unsere Modevorstellungen, spiegeln Klassenfragen und setzen Trends. Was sagen sie über unseren Zeitgeist aus?

Von Helen Roth, SWR Kultur

Als „The Bear“ 2022 erschien, war die Serie nicht nur ein Durchbruch für ihren Hauptdarsteller Jeremy Allen White – sondern auch für das schlichte weiße T-Shirt, das er in seiner Rolle als Carmy, einem Spitzenkoch in der Sinnkrise, trug. Das Modell der schwäbischen Manufaktur Merz b. Schwanen war kurz nach Erscheinen ausverkauft.

Der Hype zeigt, wie wirkmächtig Serienformate heute über Trends bestimmen können. Durch zahlreiche Erfolgsserien wurden Kleidungsstücke zu Bestsellern oder Kostümästhetiken in Modetrends übertragen. An manchen Looks lässt sich aber auch ablesen, wie sich Zeitgeist verändert.

Mode als Bühne weiblicher Selbstinszenierung

Wer „Sex and the City“ kennt, erinnert sich an Carrie Bradshaws rosafarbenes Tutu im Vorspann. In den 1990er-Jahren war die Serie revolutionär darin, Mode zum essenziellen Teil der Erzählung zu machen: Die Hauptfiguren, reiche Singlefrauen in New York, trugen Mode nicht allein, um Männern zu gefallen – sie inszenierten sich selbst. Ihre außergewöhnlichen Looks wurden zum Ausdruck von Freiheit, Stil und weiblicher Selbstermächtigung.

„Sex and the City“ war damit eine der ersten Serien, die das modische Erzählen prägte. Zuvor waren es Filme, die ikonische Kleidungsstücke mit einem Lebensgefühl verbanden: Beispielsweise wurde Audrey Hepburns kleines Schwarzes in „Frühstück bei Tiffany“ zum Symbol für Eleganz. Und James Dean definierte mit weißem T-Shirt und Harrington-Jacke in „… denn sie wissen nicht, was sie tun“ eine rebellische Jugend.

Mittlerweile sind Serien zum prägenden Medium geworden. Die Bildwelten des Films werden durch das längere Format ausgedehnt: Die Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken betont, Serien können durch ihre Länge und Tiefe komplexere Modegeschichten entwickeln. Stile werden nicht nur gezeigt, sondern fortgeschrieben, gebrochen oder transformiert. Zudem verlegten Serienformate wie „Sex and the City“ Figuren ins Alltägliche, machten sie diverser und persönlicher – und legten damit den Grundstein für die modische Wirkmacht heutiger Serien.

Mode als Symbol für Emanzipation

Besonders Serien in historischem Setting haben Mode im Zentrum des Erzählens. In „Mad Men“ (2007) wird beispielsweise vom Aufstieg der Sekträtin Peggy Olson in der Werbebranche der 60er-Jahren erzählt. Zu Beginn trägt sie brave Röcke und Schleifenblusen – typisch für ihren Beruf. Mit wachsendem Erfolg werden ihre Outfits klarer und kantiger. Ihr Look wird zum Sinnbild einer Karrierefrau und weiblicher Emanzipation in einer von Männern dominierten Welt.

Ähnlich spiegeln die Kostüme in „The Crown“ (2016) eine Gesellschaft im Wandel. In der Serie, die vom britischen Königshaus handelt, trägt Queen Elizabeth klassische Twinsets, Seidenblusen und Perlenketten. Als Prinzessin Diana in die Serie tritt, wird der individuelle Stil, den sie im echten Leben trug, zur Metapher der Serie: Ihre Looks – etwa das legendäre „Revenge Dress“, das sie 1994 trug -erzählen ebenfalls von Selbstbehauptung innerhalb eines starren Systems.

Retro-Revival?

Die Serie „Peaky Blinders“ (2013) wiederum spielt im englischen Birmingham in den 20er- und 30er-Jahren. Die titelgebenden Gangster tragen dreiteilige Anzüge mit Weste, Mantel und Schiebermütze – Kleidung, die damals Arbeiter trugen. In der Serie werden die Looks der Figuren mit Lässigkeit und Gefahr aufgeladen. Nach dem Erscheinen der Serie wurden die Schiebermützen dann plötzlich von Männern getragen, die sich vom Stil der Serien-Gangster ein Stück Unangepasstheit aneignen wollten.

In „Stranger Things“ (2016) wird die Modeästhetik eines Jahrzehnts mehr als nur zur historischen Kulisse. Die Teenager, die durch Vorstädte einer fiktiven 80er-Jahre-Welt radeln, tragen gemusterte Windjacken, bunte Rucksäcke und Vokuhila-Frisuren. Der Stil der Achtziger wird auf nostalgische Weise detailgenau nachgebaut, der Retrolook erzeugt ein Gefühl von Vertrautheit. Dieser Rückgriff bleibt nicht auf den Bildschirm beschränkt: Im Netz feierten Fans Neonfarben, High-Waist-Jeans und Walkman-Taschen – die Mode der 80er wanderte direkt in heutige Kleiderschränke.

Gegenwärtige Mode

Dass Mode in Serien auch Kommentar zu gegenwärtigen Verhältnissen ist, zeigte zuletzt „Succession“ (2018): Die Serie handelt von einem Medienmogul und seiner Familie, die sich in unauffälliger und zugleich sehr teurer Mode kleidet. Zipper-Pulli und Sneaker für Tausende Euros: „Quiet Luxury“ (also: „stiller Luxus“) wurde diese Ästhetik daraufhin benannt. Sie verweist darauf, wie unscheinbar Luxus heute aussieht – und wie weit verbreitet er ist.

Das weiße T-Shirt von Carmy, dem Mann in der Küche in „The Bear“, wirkt zwar schlicht, fast nebensächlich – und zeigt doch ein neues Bild von Männlichkeit. Mit seinen muskulösen Oberarmen steht er in der Tradition eines rebellischen James Dean – er kocht, schwitzt, schreit. Carmy kämpft mit seiner Vergangenheit, Verlusten und Ängsten. Er wird zum fürsorglichen Mann. Und das Shirt zum Ausdruck eines nahbaren Charakters.