„Das war echt krass“, sagt Cadisha, als sie wieder auf festem Boden auf dem Sankt-Jakobs-Platz steht. Sie ist schwer beeindruckt von der „Fahrt“ mit dem Spacebuzz, einem Lkw mit einer nachgebauten Rakete darauf. Ihre Mitschülerinnen, alle wie Cadisha aus neunten Klassen des Theresa-Gerhardinger-Gymnasiums am Anger, nicken mit den Köpfen. Wirklich gefahren oder geflogen sind sie zwar nicht, aber auf beweglichen Sitzen und mit VR-Brillen auf dem Kopf konnten sie sich wie im Weltall fühlen. Die Simulation mit Bildern, Ton und Bewegung wirkt: „Es hat sich sehr echt angefühlt“, sagt Christi und schaut zu Ava, die ergänzt: „Man hat gesehen, wie schön unser Planet ist.“ Aber auch ein milchig weißer Nebel und Lücken in grünen Flächen, Zeichen für Umweltverschmutzung und Abholzung, sind den beiden 15-jährigen Mädchen aufgefallen.

Genau solche Beobachtungen erhoffen sich die niederländischen Initiatoren des Projekts und die Partner des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Seit Anfang 2024 ist ein deutscher Spacebuzz vornehmlich in Schulen unterwegs. Allein die Anschaffung hat das DLR rund eine Million Euro gekostet. Auch für den Unterhalt des Trucks, der Rakete und ihrer empfindlichen Innenausstattung sowie für das mitreisende Personal gibt es ein Budget. Schulen können den Spacebuzz kostenlos bestellen, die Warteliste ist lang und der Wunsch nach einem weiteren Spacebuzz groß, am besten einer für jedes Bundesland.

Auf beweglichen Sitzen und mit VR-Brillen wird ein Flug in den Weltraum simuliert.Auf beweglichen Sitzen und mit VR-Brillen wird ein Flug in den Weltraum simuliert. (Foto: Stephan Rumpf)

Drei Spacebuzzes gibt es bereits in den Niederlanden. Die Idee dazu geht auf den Astronauten André Kuipers zurück. Getragen wird sie dort von einer Stiftung, der es vor allem um den „vorsichtigen Umgang“ mit unserem Planeten geht. „Wir wollen die Leute zum Nachdenken bringen, was wir tun können für die Erde“, sagt Matthias Kuhlgatz. Er ist als DLR-Mission-Specialist an diesem Donnerstag auf dem Sankt-Jakobs-Platz.

Schon frühmorgens war der 17 Meter lange Truck mit der nachgebauten Rakete zwischen dem Jüdischen Museum und der Mauer der Kirche Sankt Jakob aufgestellt worden. Ein ungewöhnlicher Anblick an der hohen Backsteinmauer. Im Laufe des Tages kommen immer mehr Besucher vorbei, die Fragen stellen. Spontan mitfahren dürfen sie nicht. Die neun Plätze in der Rakete sind für die 15 Minuten dauernden Vorführungen bereits belegt: bis zum frühen Nachmittag von den Schülerinnen des Theresa-Gerhardinger-Gymnasiums, danach von Viertklässlern der Sinai-Grundschule und von Bewohnern des angrenzenden Seniorenzentrums. Diese ungewöhnliche Kooperation entstand, weil der Spacebuzz nicht in den Schulhof des Gymnasiums passte. Gebucht aber hat ihn die Mädchenschule, die auch jedes Jahr, wenn das Thema Klimawandel im Lehrplan steht, das DLR in Oberpfaffenhofen besucht.

„Durch solche Projekte wollen wir unseren Schülerinnen die Naturwissenschaften näher bringen“, sagt der stellvertretende Schulleiter Bernd Wagner. „Sie sollen auf diese Weise lernen, was Physik in der Schule mit der Praxis zu tun hat.“ Das ist naturgemäß viel mehr als der Flug von Menschen ins All, zum Mond oder zur Raumstation ISS. „Das ist ja eher die Spitze des Eisbergs“, sagt Tobias Schüttler, Physiker und selbst Lehrer an einer Münchner Schule. Er steht als DLR-Vertreter auf dem Sankt-Jakobs-Platz. Man nehme nicht so sehr wahr, dass Raumfahrttechnologien vor allem Alltagstechnologien seien, sagt er. Die Nutzung des Internets wäre ohne Satellitentechnologien nicht möglich. Ohne Fernerkundungssatelliten gäbe es keinen Wetterbericht, ohne Satellitennavigation müsste man sich noch auf gedruckte Karten verlassen.

Tobias Schüttler, promovierter Physiker und Leiter des DLR-School-Lab.Tobias Schüttler, promovierter Physiker und Leiter des DLR-School-Lab. (Foto: Stephan Rumpf)

Schüttler ist der Leiter des DLR-School-Lab. Er hat sich in seiner Promotion mit der Frage beschäftigt, wie es auf Kinder wirkt, wenn sie mit echten Laborgeräten aus der Wissenschaft außerhalb der Schule in Kontakt kommen. Sie nähmen die Forschung signifikant mehr als für sie persönlich relevant wahr, fand er heraus. An Ort und Stelle werde Wissenschaft so von einer reinen Kopf- zu einer spürbaren Bauchsache. „Und im Bauch passieren die Entscheidungen.“ Für den blauen Planeten? Für mehr Umweltschutz? Die Gymnasiastinnen hätten sich jedenfalls gern noch länger im Weltall umgesehen.