Stand: 24.07.2025 20:14 Uhr

Mit seinem Vorgehen gegen Anti-Korruptionsbehörden löste der ukrainische Präsident die größten Proteste seit Kriegsbeginn aus. Auch aus der EU kam scharfe Kritik. Nun legt Selenskyj ein neues Gesetz vor.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat nach heftiger öffentlicher Kritik eine Kehrtwende vollzogen und einen Gesetzentwurf zur Wiederherstellung der Unabhängigkeit der Anti-Korruptionsbehörden gebilligt. Der Entwurf sei ausgewogen und werde noch im Laufe des Tages dem Parlament vorgelegt, teilte Selenskyj auf der Plattform X mit ohne weitere Details zu nennen.

Anfang der Woche hatte er ein umstrittenes Gesetz durch das Parlament gepeitscht. Dieses räumte dem Generalstaatsanwalt, einem politisch ernannten Beamten, mehr Kontrolle über die beiden Anti-Korruptionsbehörden NABU und SAPO ein.

Bei den größten Protesten seit Kriegsbeginn forderten daraufhin Tausende Menschen in mehreren ukrainischen Großstädten die Unabhängigkeit der Behörden. Auch die europäischen Partner der Ukraine kritisierten den Schritt, der nach Ansicht der EU den Kampf gegen die Korruption in der Ukraine schwächt.

EU begrüßt Selenskyjs Kehrtwende

Nun lenkte Selenskyj ein und erklärte, das heute vorgelegte Gesetz werde den Rechtsstaat stärken und die Unabhängigkeit von NABU und SAPO sicherstellen. „Es ist wichtig, dass wir die Einheit wahren“, sagte er weiter. „Es ist wichtig, dass wir die Unabhängigkeit bewahren und die Position aller Ukrainer respektieren.“

Die beiden Anti-Korruptionsbehörden begrüßten Selenskyjs Ankündigung. „Der Gesetzentwurf stellt alle prozessualen Vollmachten wieder her“, teilten sie in einer Stellungnahmen auf Telegram mit. NABU und SAPO waren demnach an der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs beteiligt.

Auch die Europäische Union befürwortete das angekündigte Gesetz. „Wir haben gesehen, dass die ukrainische Regierung Maßnahmen ergriffen hat“, sagte EU-Kommissionssprecher Stefan De Keersmaecker. Die EU begrüße diesen Schritt und unterstütze die Ukraine dabei, die Korruptionsbekämpfung im Land voranzutreiben.

Selenskyj informiert Merz und Starmer

Selenskyj teilte weiter mit, er habe Bundeskanzler Friedrich Merz über das neue Regelwerk informiert und „Deutschland eingeladen, sich an der Begutachtung des Gesetzentwurfs durch Experten zu beteiligen“. Der Kanzler habe ihm seine Bereitschaft zur Unterstützung zugesichert, so der ukrainische Präsident.

Auch der britische Premierminister Keir Starmer telefonierte dazu mit Selenskyj, wie die Downing Street mitteilte. Starmer habe dabei auch die „unerschütterliche Unterstützung Großbritanniens für die Ukraine“ bekräftigt.

Vom Westen unterstützte Behörden

Nach der prowestlichen Revolution in der Ukraine 2014 wurde mit Hilfe der USA und der EU ein System von Organen geschaffen, das vor allem die Korruption bei hochrangigen Politikerinnen und Politikern und in der Verwaltung bekämpfen sollte. Das osteuropäische Land gehört der Nichtregierungsorganisation Transparency International zufolge dennoch zu den korruptesten Staaten Europas.

Selenskyj hatte das neue Gesetz damit begründet, dass die beiden Behörden von russischer Einflussnahme „gesäubert“ werden müssten. Kritikerinnen und Kritiker hatten die Maßnahmen jedoch als politischen Druck auf die angesehenen Institutionen gewertet. Abgeordnete der Opposition hatten bereits genug Unterschriften gesammelt, um einen eigenen Gesetzentwurf zur Rücknahme der umstrittenen Maßnahmen einzubringen.

Es ist noch unklar, wie schnell das Parlament über den neuen Entwurf beraten wird. Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk versprach bei Facebook, das Dokument in der nächsten Parlamentssitzung zur Abstimmung zu stellen. Abgeordneten zufolge ist die Oberste Rada allerdings erst einmal bis Mitte August in den Sommerferien.