Stand: 24.07.2025 20:05 Uhr

Der SSW ist im Landtag mit seinem Antrag für ein generelles Tempolimit auf Autobahnen gescheitert. Der BUND fordert die Geschwindigkeitsbegrenzung schon länger. Der ADAC sieht darin keine Lösung.

von Anne Passow

Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) drängt auf ein Tempolimit von 130 km/h auf deutschen Autobahnen. Am Donnerstag (24.7.) fordert er die Landesregierung auf, sich in einer Bundesratsinitiative dafür einzusetzen. Anlass dafür war ein Interview, das Ministerpräsident Daniel Günther Schülern gegeben hatte. Darin hatte er sich offen für ein Tempolimit gezeigt. Der Antrag des SSW scheitert jedoch an den Stimmen von Grünen, FDP und CDU.

Grüne: „Es kostet nichts, erfordert kein Personal“

Sybilla Nitsch, SSW, lächelt in die Kamera.

Sybilla Nitsch trägt den Antrag des SSW vor. Am Ende wird er abgelehnt.

Vorher tauschen die Abgeordneten jedoch ihre Argumente für und gegen ein Tempolimit aus. „Deutschland ist das einzige verbleibende Land in Europa, das auf seinen Autobahnen kein generelles Tempolimit vorgibt“, beginnt der SSW die Debatte in seinem Antrag. „Das Umweltbundesamt kommt zu dem Ergebnis, dass ein Tempolimit von 130 Kilometern pro Stunde die Emissionen um 1,9 Millionen Tonnen jährlich reduziert“, so Sybilla Nitsch (SSW). „Es kostet nichts, erfordert kein Personal und spart 6,7 Millionen Tonnen CO2“, schlägt sich Nelly Waldeck (Grüne) auf die Seite des SSW, stimmt später erwartungsgemäß trotzdem gegen den Antrag. Koalitionszwang. Tempolimit-Befürworter Niclas Dürbrook (SPD) verweist darauf, dass es inzwischen eine breite Mehrheit in der Bevölkerung für ein generelles Tempolimit auf Autobahnen gibt.

Zeitreise: Viele abgelehnte Anträge

Lukas Kilian (CDU) nimmt die Abgeordneten in seiner Rede dann mit auf eine Zeitreise – angefangen im Jahr 1989. Er zählt auf, wann ähnliche Anträge bereits abgelehnt wurden. „Wir befinden uns mit dieser Debatte in einer Dauerschleife. Man kann sagen: Mit Vollgas im Kreisverkehr kommt man auch nicht von der Stelle.“ Er weist nochmal darauf hin, dass die Regelung über eine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung nur der Bund treffen kann und empfiehlt allen, die das Tempolimit wollen, für den Bundestag zu kandidieren. Und Bernd Buchholz (FDP) unterstreicht: „Der Wunsch von Menschen nach Mobilität entspricht ihrem Freiheitsgefühl.“ Und weiter: „Teil dieses Mobilitätsgedanken ist es, so schnell wie möglich von A nach B zu kommen.“ Für das Auto werde Emissionsfreiheit gebraucht. Buchholz bringt hier die E-Mobilität ins Spiel. „Emissionsfrei gerne, aber ein Tempolimit muss dafür nicht sein“, schließt er.

Madsen: Geschwindigkeit bereits auf 30 Prozent aller Autobahnstrecken begrenzt

Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) erinnert sich an seine Teenager-Zeit, wo die Fahrt über die dänisch-deutsche Grenze auch immer bedeutet habe „freie Fahrt“ zu haben. Der Minister spricht sich gegen ein generelles Tempolimit aus – und verweist darauf, dass die Geschwindigkeit bereits auf 30 Prozent aller Autobahnstrecken begrenzt sei. Autobahnen seien die sichersten Straßen in Deutschland. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) äußerte sich nicht in der Debatte.

Grundsätzlich dürfen Autofahrer in Deutschland so schnell fahren, wie es die Verkehrslage und die Beschilderung erlaubt. Ein generelles Tempolimit gibt es nicht auf deutschen Autobahnen. Damit ist Deutschland euporaweit eine Ausnahme. In allen Nachbarländern gelten generelle Tempolimits, in Dänemark und Frankreich sind es beispielsweise 130 Kilometer pro Stunde, in Polen gelten 140 Kilometer pro Stunde. Allerdings gibt es in Deutschland eine empfohlene Richtgeschwindigkeit von 130 Kilometer pro Stunde für Pkw-Fahrer. das bedeutet: Wer schneller fährt, trägt bei einem Unfall eine Mitschuld.

Die Autobahn GmbH des Bundes legt als zuständige Straßenverkehrsbehörde Tempolimits auf deutschen Autobahnen fest. Sie ist dafür im Austausch mit anderen Institutionen wie der Polizei oder lokalen Verwaltungen und regionalen Behörden.  

Bundesweit sind laut ADAC rund 30 Prozent des Autobahnnetzes dauerhaft oder zeitweise auf eine Höchstgeschwindigkeit begrenzt, dazu kommen noch die Baustellenbereiche.

Laut ADAC gab es 2023 auf Abschnitten ohne Tempolimit nicht mehr Unfälle pro Kilometer als auf Strecken mit einem Limit von 120 oder 130 km/h. Der ADAC betont aber, dass Tempolimits in erster Linie auf viel befahrenen Strecken angeordnet werden.

Grundsätzlich gilt: Je langsamer man fährt, desto weniger Kraftstoff verbraucht man. Das gilt aber nicht für den innerstädtischen Stop-and-Go-Verkehr. Denn wenn der Motor im niedrigen Gang mit vergleichsweiser hoher Drehzahl läuft wird mehr Kraftstoff verbraucht. Aber: In einem Gutachten des Umweltbundesamtes und der Bundesanstalt für Straßen- und Verkehrswesen gehen die Verfasser von 4,5 Millionen Tonnen weniger CO2 pro Jahr aus, wenn ein generelles Tempolimit von 120 Kilometern pro Stunde auf den Autobahnen herrschen würde.

BUND: CO2-Verringerung mit wenig Aufwand

Der BUND Schleswig-Holstein spricht sich schon lange für ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen aus. „Es gibt wenig Maßnahmen, die mit so wenig Aufwand eine so großen CO2-Verringerung für Deutschland bewirken würden“, fasst Geschäftsführer Ole Eggers zusammen. Im „Autoland“ Deutschland sei eine Verhaltensänderung nötig. „Ein deutscher Autofahrer hat ja auch kein Problem in den Niederlanden, Frankreich oder in Dänemark die Tempolimits einzuhalten“, sagt er NDR Schleswig-Holstein. Wenn der Verkehr umorganisiert werden solle – weg vom Auto, hin zu ÖPNV und Rad, dann müsse es auch „klare Subventionen“ in diese Richtung geben.

ADAC: Tempolimit löst nichts

Der ADAC hält dagegen: Ein Tempolimit würde nicht zu höherer Verkehrssicherheit führen. „Bei einer Milliarde gefahrener Kilometer auf den Autobahnen haben wir im Schnitt 1,06 Tote“, so Rainer Pregla vom ADAC Schleswig-Holstein. Das sei immer noch zu viel, aber – mit Blick auf Bundes- oder Landesstraßen – vergleichsweise wenig. Auch das Argument, CO2 würde mit einem Tempolimit eingespart, lässt er nicht gelten. „Wichtiger für einen verringerten CO2-Ausstoß ist eine Verflüssigung des Verkehrs“, sagt er. Angesichts der vielen Baustellen auf deutschen Autobahnen können man dort eh nicht schnell fahren. Pregla spricht sich stattdessen dafür aus, den Verkehr künftig auch über künstliche Intelligenz zu steuern, die E-Mobilität und den ÖPNV auszubauen und Unfallschwerpunkte anzugehen.

Ein Blick in den Landtag von Schleswig-Holstein

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