Trump möchte sich nicht von der Justiz stoppen lassen. Dafür sind ihm offenbar auch illegale Mittel recht. Ein aus dem Justizministerium gefeuerter hochrangiger Staatsanwalt berichtet, er habe Meineid begehen sollen. Als er sich weigerte, wurde er gefeuert.
Falls ein Gericht gegen uns urteilt, sagen wir „Fuck you“ und ignorieren die Anordnung. Dies sei die Ansage in einem Meeting im US-Justizministerium im März gewesen, sagte der ehemals dort tätige, hochrangige Staatsanwalt für Migration, Erez Reuveni, der „New York Times“. In dem Treffen sei angekündigt worden, dass Trump bald die Verwendung eines Gesetzes aus Kriegszeiten anordnen werde, des „Alien Enemies Act“. So sollten Migranten aus Venezuela ohne juristische Einspruchsmöglichkeit abgeschoben werden. „Diese Flugzeuge müssen abheben, koste es, was es wolle“, habe Trumps Anwalt Emil Bove demnach gedrängt. Dies sollte am folgenden Wochenende geschehen.
Reuveni beschrieb danach eine folgende Anhörung zu den Abschiebeflügen, deren vorläufigen Stopp ein Richter angeordnet hatte. Er fragte demnach einen Kollegen der Staatsanwaltschaft, ob die Maschinen abheben würden – und der habe gelogen, er wisse es nicht. Die Flüge fanden statt, der Richter erfuhr davon, als die Maschinen schon in der Luft waren. Er ordnete deshalb an, die Menschen nach der Landung nicht aus dem Flugzeug zu lassen. Doch da habe Bove die Anwälte im Justizministerium angewiesen, diese Anordnung zu ignorieren, berichtete Reuveni. Er hatte seine Angaben bereits im Juni über die offiziellen Whistleblower-Kanäle an den Kongress gegeben. Nun hat er erstmals ausführlich darüber gesprochen.
Justizministerin Pam Bondi und Vize-Justizminister Todd Blanche haben die Angaben größtenteils dementiert. Es geht aber um weit mehr als diesen aktuellen Fall – und der Bericht passt zu einer anderen Angabe, wonach die Regierung offenbar reihenweise gegen die eigene Justiz handelt. Von 165 Gerichtsurteilen gegen Trump würden rund ein Drittel potenziell missachtet, verschleppt oder anderweitig umgangen, analysierte die „Washington Post“ zuletzt. Die Zahl zeigt in anderer Form, wovon der Präsident überzeugt ist: Der größte Teil der Justiz hat demnach kein Recht, seine Politik zu maßregeln oder gar aufzuhalten.
Nachträgliche Bestätigung des Supreme Court
Trump und hochrangige Regierungsmitglieder haben diese Juristen wiederholt verbal attackiert; sich auch öffentlich über ihre mögliche Absetzung geäußert. Trump hat damit seit seiner Amtseinführung die Grenzen seiner Kompetenzen und der Gewaltenteilung ausgelotet, vorwiegend durch Dekrete, die weit über die bisherige Auslegung des Gesetzes hinausgehen. Manche dieser Anordnungen hat der Supreme Court im Nachhinein bestätigt.
Das Oberste Gericht stellte zudem fest, dass Bundesrichter vom Präsidenten angeordnete Maßnahmen nur nach bestimmten Sammelklagen aussetzen dürfen. Damit bewahrheiten sich frühe Einschätzungen von Wissenschaftlern, dass Trump das politische System der USA verändern dürfte. „Das System ist so angelegt, dass die Exekutive zulassen muss, von den anderen Gewalten kontrolliert zu werden“, sagte der Politikwissenschaftler Kenneth Lowande zu ntv.de. Und Trump möchte sich so wenig wie möglich kontrollieren lassen. Trump hatte wiederholt angegeben, er akzeptiere lediglich die Urteile des Obersten Gerichts als Grenze seiner Amtsausübung.
Nach den umstrittenen Vorgängen um die Abschiebeflüge nach El Salvador gab es monatelange Auseinandersetzungen zwischen Justiz und Regierung darüber, was nun mit den 252 Menschen geschieht, die in das berüchtigte Anti-Terrorismus-Gefängnis CECOT ausgeflogen worden waren. Das Weiße Haus zeigte sich unnachgiebig und stellte eine ganze Reihe falscher Behauptungen über die Gründe dafür auf.
„Nicht verpflichtet, zu lügen“
Die Abgeschobenen sind inzwischen in Venezuela. Einer von ihnen nannte die vier Monate im Gefängnis einen „Albtraum“; ein anderer gab an, sie seien dort physisch und psychisch gefoltert worden. NGOs zufolge herrschen in CECOT menschenunwürdige Bedingungen.
Whistleblower Reuveni hatte 15 Jahre lang im Ministerium gearbeitet und war zuletzt als Vizechef der Migrationsabteilung tätig. In Trumps erster Amtszeit war er mehrfach für seine Arbeit ausgezeichnet worden, verteidigte unter anderem die höchst umstrittene Muslim-Einreisesperre. Nun meinte er, in den Wochen nach dem Meeting sei er mehrfach vor die Wahl gestellt worden: Treue zu Trump oder dem Gesetz.
Reuveni wurde gefeuert, nachdem er interne Anweisungen infrage stellte und er sich weigerte, ohne Belege vor Gericht unter Eid zu behaupten, Kilmar Ábrego Garcia sei nachgewiesenermaßen ein Anführer der kriminellen Gang MS-13, und damit nach Definition der Regierung ein Terrorist. „Ich habe mich nicht verpflichtet, zu lügen“, habe er seinem Vorgesetzten entgegnet. Zuvor hatte er bereits vor Gericht angegeben, es sei ein Fehler gewesen, den Beschuldigten abzuschieben.
Der konservativ dominierte Supreme Court urteilte danach, die Regierung müsse Ábrego Garcia wieder zurück in die USA holen. Auch das ignorierte die Regierung monatelang und behauptete wiederholt, sie könne nichts tun. Inzwischen befindet Ábrego Garcia sich wieder in den Vereinigten Staaten, sitzt jedoch in Haft.