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Ein neuerlicher Absturz erschüttert Russland. Sanktionen belasten die Luftfahrtbranche und verleiten die Airlines zu immer gefährlicheren Praktiken.
Berlin – In der ostrussischen Region Amur ist ein Passagierflugzeug mit 49 Menschen abgestürzt. Ein Hubschrauber hat das Wrack der Maschine 15 Kilometer von seinem Zielflughafen in Tynda gefunden. Nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur TASS gibt es keine Überlebenden. Der Absturzort liegt nahe der Grenze zwischen Russland und China. Der Kreml hat sich noch nicht zur genauen Absturzursache geäußert.
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„Derzeit sind mehr als 100 Personen und 20 Fahrzeuge im Einsatz“, teilte der Gouverneur des Oblast Amur, Wassili Orlow, über den Nachrichtendienst Telegram mit. „Der Flugzeugabsturz ist eine schreckliche Tragödie. Ich spreche den Angehörigen der Opfer mein Beileid aus.“
Seit den Sanktionen fliegen in Russland museumsreife Maschinen
In Russland häufen sie die Flugzeugunglücke seit Inkrafttreten der westlichen Sanktionen für den Ukraine-Krieg. Bevor Wladimir Putin seinen Truppen 2022 zur Invasion in das Nachbarland schickte, flogen laut 95 Prozent der russischen Passagiere mit westlichen Flugzeugen. Die sind auch heute weiter im Einsatz. Allerdings liefern die Hersteller und Zulieferer keine Ersatzteile nach Russland und führen weder Softwareupdates noch Reparaturen durch.
Eine An-24-Passagiermaschine ist am Donnerstag in Russland abgestürzt. (Montage) © Mikhail Sinitsyn/dpa; Marina Lystseva/AP/dpa
Seitdem steigt der Anteil russicher Flugzeuge im Einsatz. Die größten Fluglinien Aeroflot, S7, Pobeda und Rossiya greifen dabei auch auf ältere Modelle zurück. Das bei Tynda abgestürzte Flugzeug war eine Antonow vom Typ An-24 – laut Tagesschau eins der ältesten im Einsatz befindlichen Passagierflugzeuge weltweit. Die Serienproduktion begann demnach in den 1960ern.
Fluglinien in Russland lassen Maschinen im Iran reparieren
Russische Medien spielen das Problem der alternden Maschinen herunter. „Ich fliege eine I-16, Baujahr 1939, und das hindert mich nicht daran, damit zu fliegen“, sagte Wladimir Barsuk, Generaldirektor des Sibirischen Wissenschaftlichen Forschungsinstituts für Luftfahrt, der staatlichen Nachrichtenagentur TASS. „Es gibt also keine alten Flugzeuge. Es gibt Flugzeuge, die flugtauglich sind und Flüge zulassen, und es gibt solche, die das nicht können.“
Russische Fluglinien haben inzwischen verschiedene Strategien, um weiter Passagierverkehr anzubieten. Einige umgehen die Sanktionen durch Leasing-Deals mit ausländischen Linien, die ihre Flugzeuge und Crews für Linienflüge in Russland abbestellen. Die NZZ berichtete zudem über geleaste westliche Flugzeuge, die Russland nach Eintritt der Sanktionen schlicht nicht zurückgegeben hat. Zudem sollen Flugunternehmer Reparaturen in verbündeten Staaten wie dem Iran vornehmen lassen.
Wladimir Putin will russische Autonomie in der Luftfahrtindustrie
Wie in vielen anderen Sektoren will Wladimir Putin Russland auf in der Luftfahrtindustrie unabhängig von anderen Ländern machen. Experten zufolge ist das allerdings kaum möglich. „Keiner der führenden Hersteller hat sich überhaupt zum Ziel gesetzt, alles im Inland zu produzieren“, sagt der Flugverkehr-Journalist Andrey Menshenin im Gespräch mit dem Kreml-kritischen Nachrichtenportal Nowaja Gaseta. „Diese Idee der Isolation und Importsubstitution existiert nur in den Köpfen bestimmter Imperialisten, die an das Konzept eines autarken Landes glauben, aber tatsächlich gibt es nirgendwo auf der Welt ein solches Land.“