Seit diesem Jahr ist ein Gießroboter auf einem Friedhof in Degerloch im Einsatz. Wie „Gießbert“ arbeitet, welche Vorzüge er mit sich bringt – und was ihn mit einem Kleinkind verbindet.
Gießbert wirkt auf den ersten Blick, als könnte er einem der alten Star-Wars-Filme aus den 1970er Jahren entsprungen sein. Geringelte Saugschläuche hängen dem gut einen Meter hohen Wägelchen aus dem Rumpf, auf seinem metaphorischen Kopf blinken mehrere Lampen. Ein leises Surren kündet von Gießberts Anwesenheit, während er über den Neuen Friedhof in Degerloch tuckert.
Doch unter der klobigen Oberfläche verbirgt sich eine High-Tech-Effizienzmaschine. Der autonom fahrenden Gießroboter deckt rund ein Drittel der Gräber auf dem Friedhof im Alleingang ab. Auf seinen programmierten Routen verteilt er Wasser, das mithilfe von zwei Pumpen aus einem Tank schießt. 220 Liter beträgt das Fassungsvermögen. Wenn es aufgebraucht ist, steuert Gießbert eine eigens eingerichtete Nachfüllstation an. Nach 45 Sekunden ist der Tank dann wieder voll.
Einer von nur acht Gießrobotern in Deutschland
Eine solche Leistung hat ihren Preis – 120000 Euro kostet das Gerät der Firma Innok Robotics. In Degerloch haben sich die Gärtnereien Raff und Haag den Roboter gemeinsam angeschafft. Beide kümmern sich um mehrere Gräber auf dem Neuen Friedhof. Dass sie bei Gießbert zusammenarbeiten, hängt mit dem finanziellen Risiko zusammen. „Wir konnten anfangs nicht abschätzen, ob das funktioniert“, sagt Michaela Seidler, die die Gärtnerei Raff zusammen mit ihrem Ehemann Frank führt. Schließlich sind die Erfahrungswerte gering. Nach Angaben der Genossenschaft Württembergischer Friedhofsgärtner gießen deutschlandweit erst acht autonom fahrende Roboter.
Auf dem Laptop stellt Frank Seidler Gießberts Routen ein. Links im Bild: Christian Walz. Foto: Ferdinando Iannone
Von den Vorzügen der Investition profitieren nun beide Betriebe. Da ist zum einen der geringere Wasserverbrauch. Während Menschen am Tag gießen, nutzt Gießbert die kühlere Nacht, in der das verwendete Wasser deutlich langsamer verdunstet. So verbraucht er im Sommer 15 Liter pro Grab statt 40 Liter am Tag –angesichts der fortschreitenden Erwärmung ein großer Pluspunkt. „Es wird inzwischen so heiß, dass man ständig gießen muss“, sagt Michaela Seidler. Sie denkt bei Temperaturen von weit über 30 Grad auch an die Schonung ihrer Angestellten.
Keine Konkurrenz für menschliche Angestellte
Ohnehin ist Personal eine knappe Ressource in der vom Fachkräftemangel stark betroffenen Friedhofsgärtnerei. Christian Walz, Inhaber der Gärtnerei Haag, sagt deshalb: „Wir müssen unsere Mitarbeiter gezielter einsetzen.“ Auch dabei hilft Gießbert. Indem der Roboter das Gießen übernimmt, bleibt mehr Zeit für das Schneiden der Grabpflanzen oder das Säubern der Friedhofspfade.
Dass in der Friedhofsgärtnerei Maschinen die Menschen verdrängen, steht wohl nicht zu befürchten. „Wir suchen trotzdem noch händeringend nach Leuten“, stellt Walz klar. Er führt die Gärtnerei Haag seit 2016 in sechster Generation und übernahm in den vergangen Jahren zwei Betriebe, deren Besitzer keine Nachfolger mehr gefunden hatten.
Manchmal weckt Gießbert seine Besitzer
Auch die Gärtnerei Raff ist ein Familienbetrieb, seit 2013 geleitet von Michaela Seidler, der Enkelin von Gründer Eugen Raff. Ihre Branche befinde sich im Wandel, erklärt die 48-Jährige. „Wir sind längst nicht mehr nur mit Strohhut und Gießkanne unterwegs. Digitalisierung gibt es auch bei uns.“
Das beste Beispiel: Gießbert. Teil des Pakets der Firma Innok Robotics war eine digitale Karte des Friedhofs mit den Gräbern und Anhaltspunkten wie Bäumen. An diesen orientiert sich der mit Sensoren ausgestattete Roboter, um seine Position zu bestimmen. Sie warnen auch vor Hindernissen. Sobald das Fahrzeug in vier Metern Entfernung etwas Unerwartetes registriert, verringert es seine Geschwindigkeit. Rund einen halben Meter davor bleibt es stehen. Dann werden die Eigentümer benachrichtigt und können per Kamera und Fernsteuerung entscheiden, ob sie eingreifen müssen oder ob der Roboter weiterfahren kann. „Das ist wie mit kleinen Kindern“, witzelt Michaela Seidler über die nächtlichen Weckrufe.
Menschen in Degerloch vermissen Gießbert tagsüber
Auf diese Weise werden beispielsweise Igel geschützt. Manchmal reicht aber auch schon hochgewachsenes Gras, um den Alarm auszulösen. „Gießbert ist ein Projekt“, sagt Frank Seidler. Er hofft auf Updates, damit der Roboter künftig Hindernissen selbstständig ausweichen kann. Doch trotz Luft nach oben ist der Gärtnermeister mit der Anschaffung „sehr zufrieden.“ Schließlich eignet sich der Neue Friedhof in Degerloch mit seiner flachen Topographie perfekt für Gießroboter, die mit steileren Grabstätten bislang überfordert sind.
Und auch unter den Besucherinnen und Besuchern auf dem Friedhof kommt das Gerät laut Michaela Seidler gut an. Während der Programmierungsphase mussten seine Besitzer den Roboter tagsüber einrichten. Inzwischen ist er nur noch nachts unterwegs. „Seitdem vermissen ihn die Leute“, sagt Seidler. „Sie fragen uns immer wieder, wo denn Gießbert heute ist.“