Für Weltmusikalische: Bardentreffen NürnbergEin bunter Tupfer auf vielen Festivals ist mittlerweile die  ukrainische, in Berlin lebende Sängerin und Komponistin Ganna Gryniva.Ein bunter Tupfer auf vielen Festivals ist mittlerweile die  ukrainische, in Berlin lebende Sängerin und Komponistin Ganna Gryniva. (Foto: Oliver Hochkeppel)

Los geht es im August gleich mit dem publikumsreichsten bayerischen Festival, ja einem der weltweit größten Open-Air-Umsonst-Festivals. Beim Bardentreffen in Nürnberg werden wieder an die 200 000 Besucher erwartet, die sich an den drei Tagen vom 1. bis 3. August zu den acht Bühnen durch die Altstadt schieben. Was 1976 als kleine Veranstaltung einiger deutschsprachiger Liedermacher zum 400. Todestag des Meistersingers Hans Sachs begann, ist seit vielen Jahren zum Mekka der Weltmusik und des Global Pop geworden. Das in der Gründerzeit fundamentale politisch-soziale Engagement hat sich bis heute in sozusagen neutraler Form erhalten: als gelebte Realität allgemeiner Wertschätzung.

Dazu passt – aktueller denn je – das diesjährige Festival-Motto: „Respect!“ Den von Aretha Franklin musikalisch populär gemachten Schlachtruf haben die Festivalmacher rund um den Künstlerischen Leiter Rainer Pirzkall als Auftrag zur Buchung im Sinne von Gleichberechtigung, Toleranz und Offenheit verstanden. Und so finden sich diesmal besonders viele weibliche Acts im Programm.

So bestreiten schon den Festivalauftakt auf dem Hauptmarkt das – non-binäre und lesbische – argentinisch-mexikanische Tropi-Punk-Quintett Kumbia Queers und die amerikanische Soul-Sängerin und Bassistin Nik West. Mit Ana Frango Elétrico ist am Samstag eine Schlüsselfigur der brasilianischen Popularmusik zu Gast. Am Sonntag sind dann vor den vielen Tausenden auf dem Hauptmarkt die ivorische Afro-Pop-Ikone Dobet Gnahoré, der nigerianisch-deutsche Neo-Soul-Star Nneka sowie dazwischen die zehn Musikerinnen des katalanischen Balkan Paradise Orchestra zu erleben, die für die Erneuerung der männerdominierten Balkan-Blechbläsertradition stehen.

Freilich sind die besonderen Erlebnisse und Entdeckungen oft bei den kleineren Bühnen zu machen. Bei 65 Konzerten plus Rahmenprogramm mit Künstlergesprächen, Tanzkursen, Silent Disko und Abschluss-Session stehen die Chancen dafür gut. Für den einen mag das das marokkanische Electro-Rap-Projekt Aïta Mon Amour sein, für die andere die deutschsprachige Lieddichtkunst von Paula Carolina, das Charisma der österreichischen Liedermacherin Anna Mabo oder der böse Humor und die Grandezza der Musikkabarettistin Anna Mateur.

Bardentreffen Nürnberg, Freitag bis Sonntag, 1. bis 3. August, Altstadt Nürnberg, www.bardentreffen.de

Für Experimentierfreudige: Outreach Festival SchwazEin Tiroler in New York, ein herausragender Trompeter auf selbst gebauten Instrumenten und ein einfallsreicher Festivalmacher: Franz Hackl.Ein Tiroler in New York, ein herausragender Trompeter auf selbst gebauten Instrumenten und ein einfallsreicher Festivalmacher: Franz Hackl. (Foto: Oliver Hochkeppel)

In seiner Heimatstadt, der „Silberstadt“ Schwaz – heute ein Tiroler Städtchen mit 15000 Einwohnern, im 15. Jahrhundert mit 250 000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt des Habsburgerreichs nach Wien und damit eine der größten der Welt – gründete der Trompeter Franz Hackl vor mehr als 30 Jahren das „Outreach Festival“. Gewissermaßen aus der Ferne, denn da hatte er bereits seine Frau Rose in New York gefunden, wo er seither seinen Hauptwohnsitz hat.

Und so hält Hackl, abgesehen von der von seinem Vater begründeten Trompetenmanufaktur, dank des Festivals – samt der inzwischen dazugehörigen Academy und ihrem mehrwöchigen Unterrichtsprogramm für alle Altersstufen – engen Kontakt zur Heimat. Sein inzwischen gemeinsam mit dem Bassisten Clemens Rofner geleitetes Festival ist nach wie vor eine einzigartige Veranstaltung. Vor allem wegen seines grenzüberschreitenden, genreoffenen, interdisziplinären und ganzheitlichen Ansatzes, zu dem stets auch ein Rahmenprogramm (der überwiegend heimische Nachwuchs etwa präsentiert sich schon vom 4. August an bei Konzerten im Showroom der Hacklschen Trompetenwerkstatt), performative Programmteile und ein „artist in residence“ aus der bildenden Kunst gehören. Wegen des stets extravaganten Mottos, heuer: „From Deception to Connection – The Nothingness of Big Lies versus Shared Intelligence of Music“.

Und seit Corona auch durch die besondere Anordnung der Konzerte an den Kerntagen im SZentrum, bei der die jeweils drei Ensembles jedes Abends ab 20 Uhr gleichzeitig auf der großen Bühne stehen und abwechselnd drei kurze Sets spielen. Was aus der Not geboren war, hat sich als innovatives Format bewährt, bei dem unerwartete Bögen von Österreich über Europa bis in die USA geschlagen werden.

Heuer unter anderem mit dem neuen Quartett der gefeierten Wiener Tenorsaxophonistin Anna Tsombanis mit Herbert Pirker am Schlagzeug und gleich zwei, von Andreas Waelti und Beate Wiesinger gespielten Kontrabässen, mit dem Bassisten Matt Garrison, als Studio- und Labelbetreiber eine der Schlüsselfiguren der New Yorker Szene, oder mit der britischen, aber ebenfalls in New York lebenden Trompeterin Alexandra Ridout, die als kommender Star gehandelt wird. Mit dem neuen Projekt des Star-Pianisten David Helbock, bei dem er sein Random/Control-Trio mit der deutschen Sängerin Fola Dada zusammenspannt, traditionell mit Hackls eigens fürs Festival gegründetem, starbesetzten Outreach Orchestra und nicht zuletzt mit dem Münchner Pianisten Chris Gall, der sein neues Trio-Projekt Prepared vorstellt.

33. Outreach Music Festival, Donnerstag bis Samstag, 7. bis 9. August, Silbersaal SZentrum Schwaz, www.outreachmusic.org

Für Saitenfans: Gitarrenfestival HersbruckDer Argentinier Maximo Diego Pujol ist nicht nur einer der wichtigsten lebenden Komponisten für Gitarre, er ist auch ein herausragender Tango-Interpret, wie er in Hersbruck demonstrieren wird.Der Argentinier Maximo Diego Pujol ist nicht nur einer der wichtigsten lebenden Komponisten für Gitarre, er ist auch ein herausragender Tango-Interpret, wie er in Hersbruck demonstrieren wird. (Foto: Oliver Hochkeppel)

Obwohl sie seit Jahren das beliebteste Einsteiger-Instrument noch vor dem Klavier ist, führte die akustische Gitarre im „ernsten“ Musikbetrieb lange Zeit ein Eigenleben, weder im Jazz noch in der Klassik so richtig als zugehörig anerkannt. Verschlimmert wurde das noch durch das Spezialistentum der Veranstalter, insbesondere von Gitarrenfestivals. Der (klassische) Gitarrist Johannes Tonio Kreusch störte sich schon immer an diesen meist selbst auferlegten Beschränkungen. Und räumte als künstlerischer Leiter des kleinen, wenige Jahre zuvor gegründeten Internationalen Gitarrenfestivals Hersbruck als einer der Ersten damit auf.

Kreusch präsentiert im Nürnberger Land von der spanischen bis zur Gypsy-Gitarre, vom Fingerstyle bis zum Flamenco, vom Barock bis zum Jazz gleichberechtigt alle Facetten der akustischen Gitarre. Nicht nur in den Doppel-Konzerten in der Geru-Halle, auch im ebenso wichtig genommenen Unterrichts- und Workshop-Programm, das mit Händlerständen, Ausstellungen und Vorträgen im während der Sommerferien nutzbaren AOK-Bildungszentrum ein ideales Festivalzentrum gefunden hat. Wo einem dann wie schon in den Konzerten dank Kreuschs ausgezeichneter Kontakte die großen Stars der Gitarre über den Weg laufen.

Erst recht heuer beim Jubiläum, wenn das Festival seine 25. Ausgabe feiern kann. So sind aus der Klassik unter anderem die famose Ana Vidović und nach längerer Zeit mal wieder das Grammy-gekrönte, legendäre Los Angeles Guitar Quartet zu Gast. Das traditionelle Flamenco-Konzert bestreitet Ana Morales mit ihrer Grupo, die ebenso eingeführte Fiesta Cubana Yarima Blancos Son Latino und Joaquín Clerch mit Sole Giménez. Blues, Soul & Gypsy stehen mit dem neuen Gitarren-Klavier-Duo von Joscho Stephan mit Cornelius Claudio Kreusch sowie mit dem Hammond-Meister Raphael Wressnig auf der Speisekarte.

Den Bogen vom Anfang zum Ende schlägt die brasilianische Musiktradition. Mit Badi Assad tritt bei der Fingerstyle & Singer-Songwriter-Eröffnungsnacht die welt- und stiloffene Schwester der Klassik-Stars Assad-Brothers an die Seite von Jon Gomm and Rosie Frater-Taylor. Und das große Finale zelebriert der inzwischen auch die Pop- und Jazzcharts stürmende brasilianische Gitarrenzauberer Yamandu Costa.

25. Internationales Gitarrenfestival Hersbruck, Samstag bis Freitag, 9. bis 15. August, www.gitarre-hersbruck.de

Für Naheliegende: 13. Seejazz FestivalDer finnische Pianist Iiro Rantala (hier inmitten seines HEL-Trios montiert), unter anderem mit seinen John-Lennon-Verjazzungen bekannt geworden, ist auch ein großer Spaßvogel.Der finnische Pianist Iiro Rantala (hier inmitten seines HEL-Trios montiert), unter anderem mit seinen John-Lennon-Verjazzungen bekannt geworden, ist auch ein großer Spaßvogel. (Foto: Steven Haberland)

Auch schon seinen 13. Geburtstag feiert das Seejazz Festival, das erste überregionale Musikfestival rund um den Starnberger See. Alle Jazzfreunde, ob Einheimische, Urlauber oder gar Besucher aus der benachbarten Großstadt sind willkommen. Und bekommen außer hochklassigen Konzerten auch eine Rundreise zu außergewöhnlichen Spielorten am Starnberger See geboten.

Los geht es am 9. August im Rittersaal des Schlosses Kempfenhausen in Berg mit dem Duo Lightville des „jungen Traumpaars des Jazz“, wie die Veranstalter nicht zu Unrecht schreiben: Die Pianistin Shuteen Erdenebaatar und der Bassist Nils, der hier Kontraaltklarinette spielt, gehören mit ihren vielfach preisgekrönten Projekten auch international zu den Aufsteigern der jüngsten Zeit.

Am 13. geht es dann auf See, beziehungsweise aufs Museumsschiff Tutzing zum Soul-Jazz des Saxofonisten Christoph Grab und seinem Quartett Root Area. In der Seeshaupter Seeresidenz Alte Post spielt am 14. August mit seinem Quintett der Bassist Joschi Schneeberger auf, den die meisten noch vom Trio seines berühmten Sohnes Diknu kennen. Und nachdem Thomas Schwaigers Trio Schwaiger’s Hammond Club dem Bürgersaal Feldafing mit groovendem Orgel-Funk eingeheizt hat (16. August), beschließt der finnische Tastenstar Iiro Rantala mit seinem neuen HEL-Trio (und sicher einem gehörigen Schuss Humor) im Pöckinger Beccult das Festival (17. August).

13. Seejazz Festival, Samstag bis Sonntag, 9. bis 17. August, diverse Spielorte, www.seejazz.de

Für Hartgesottene: 45. Jazzfestival SaalfeldenEine führende Rolle im auch bei uns immer präsenteren New British Jazz spielt die junge Trompeterin Laura Jurd.Eine führende Rolle im auch bei uns immer präsenteren New British Jazz spielt die junge Trompeterin Laura Jurd. (Foto: Oliver Hochkeppel)

Ein kleines Jubiläum kann auch das Saalfelden Jazzfestival mit seiner 45. Ausgabe feiern, damit das älteste und überregional renommierteste der hier betrachteten Festivals. Traditionell stammt ein Drittel der Besucher laut Erhebung des örtlichen Tourismusverbandes aus Bayern. Sie kommen eher nicht wegen der malerischen Alpenlandschaft: Saalfelden ist ein nahezu rund um die Uhr laufendes Hardcore-Festival für anspruchsvolle Musik aus dem immer offeneren Jazzbereich.

Seit 2006 mit dem modernen Kongresszentrum als Mainstage (neben den „Short Cuts“ im Nexus, einigen Konzerten in der Otto-Gruberhalle, im Stadtpark und auf diversen Almen und Wanderungen) läuft hier inzwischen vor allem, was jung, komplex und innovativ ist. „Freiraum trifft auf Unerwartetes“ lautet denn auch der diesjährige Untertitel. Mehr als 60 Konzerte sind es wieder an den vier Tagen. Nach einem auch schon üppigen Vorprogramm am Donnerstag (unter anderem mit Vieux Farka Touré, Max Andrzejewski oder Alfred Vogel) ist das Eröffnungskonzert im Kongresszentrum traditionell ein eigens fürs Festival entstandenes Projekt. Den Auftrag dafür bekam heuer der preisgekrönte Wiener Saxofonist Leonhard Skorupa (Sketchbook Quartet), der dabei für ein international besetztes All-Star-Quintett die Suite „Sonic Feast“ geschrieben hat, die er hier uraufführen wird.

Die von der Jazz-Avantgarde höchstgehandelten Namen tummeln sich dann im Programm, oft mit mehreren Projekten oder in unterschiedlichen Konstellationen. Von den europäischen Masterminds wie Teis Semey (auch als artist in residence), Laura Jurd, Andreas Schaerer, Pedro Melo Alves oder Crutches bis zu den amerikanischen etwa vom Craig Taborn, Jon Irabagon, Patricia Brennan oder The Bad Plus. Wer da noch die gefälligeren „City Tracks“-Gratis-Konzerte im Stadtpark – etwa mit Chanson Trottoir, der Lexsoul Dancemachine oder Nomfusi) und die nächtlichen Sessions im Nexus-Cafe mitnimmt, der hat wirklich Ausdauer.

45. Jazzfestival Saalfelden, Donnerstag bis Sonntag, 21. bis 24. August, verschiedene Spielorte, www.jazzsaalfelden.com