27. Juli 2000 Um 15.03 Uhr explodiert der Sprengsatz am S-Bahnhof Wehrhahn, Eingang Ackerstraße. Etwa eine halbe Stunde später schlägt wenige 100 Meter entfernt ein Blitz ein. Der mit dem Gewitter einsetzende Starkregen spült auf dem unwegsamen Bahnhofsgelände viele Spuren weg.

2. August Der in Düsseldorf lebende Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, seit Januar im Amt, warnt vor einer vorschnellen Festlegung auf einen rechtsradikalen Täterkreis.

5. August Rund 2000 Menschen folgen einem Aufruf des Antifa-Kok – ein Koordinierungskreis von Antifa-Gruppen aus Düsseldorf und dem Umland – und demonstrieren in Flingern gegen Rechtsextremismus. Unterdessen besucht Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU), der gerade aus dem Urlaub aus Florida zurückgekehrt ist, zum Tatort. In einem Interview schließt er sich der Forderung des bayrischen Innenministers Günther Beckstein (CSU) nach einem NPD-Verbot an.

8. August Mit einem von US-Behörden ausgeliehenen Spezialgerät, auf das sich die Beamten erst schulen lassen mussten, suchen Polizisten erneut den S-Bahnhof nach Spuren ab. Insbesondere der Zündmechanismus der Bombe wird gesucht.

16. September Eine vom Düsseldorfer Appell organisierte Kundgebung gegen Rechtsextremismus mit 700 Teilnehmern wird von Neonazis gestört.

2. Oktober Drei Brandsätze fliegen in der Nacht zum Tag der Deutschen Einheit gegen die Tür der Synagoge an der Zietenstraße. Eine Anwohnerin bemerkt das Feuer und tritt die Flammen aus.

Die Bundesanwaltschaft, die den Wehrhahn-Anschlag als „Prüffall“ behandelt, übernimmt umgehend die Ermittlungen.

4. Oktober Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) besichtigt den Tatort mit Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) und dem Zentralratsvorsitzenden Paul Spiegel. Während Spiegel fürchtet, man werde sich bald fragen müssen, ob es richtig war, jüdisches Leben in Deutschland wieder aufzubauen, fordert Schröder einen „Aufstand der Anständigen“.

28. Oktober Gegen einen angemeldeten Neonazi-Aufmarsch am Rheinufer demonstrieren rund 25.000 Menschen. Zu der bis dahin größten Demo gegen Rechtsextremismus haben Gewerkschaften und Kirchen aufgerufen. Rund 4000 Polizisten sind im Einsatz. Zwischen linken und rechten Demonstranten kommt es zu Zusammenstößen.

6. Dezember Die Synagogen-Brandstifter werden festgenommen. Ein in Marokko geborener Deutscher (19) und ein aus Jordanien stammenden Palästinenser (20) gestehen den Anschlag. Ihr Motiv: Hass auf Israel und Rache für den Tod eines palästinensischen Jungen in Gaza.

30. Januar 2001 Die Bundesregierung unter Gerhard Schröder beantragt beim Bundesverfassungsgericht ein Verbotsverfahren gegen die NPD.

27. Juli 2001 Am ersten Jahrestag hat die „EK Acker“ nur noch einen Mitarbeiter. Dieser berichtet von mehr als 300 Spuren, 1400 Zeugen und neun kurzzeitig Verdächtigen. Die Bombe war wohl nicht, wie zunächst angenommen, eine Handgranate, sondern eine Rohrbombe, gefüllt mit verunreinigtem Trinitrotoluol (TNT).

18. März 2003 Das NPD-Verbotsverfahren wird eingestellt, weil V-Leute des Verfassungsschutzes auch in der Führungsebene der Partei tätig waren.

27. Juli 2009 Der letzte Mann der EK Acker hat einen neuen Job in Neuss. Sein Abschlussbericht ist 80 Seiten dick und geht mit den 50 Kisten voller Ermittlungsakten an die Staatsanwaltschaft.

27. Juli 2010 Michael Szentei-Heise, Direktor der Jüdischen Gemeinde, bedauert am 10. Jahrestag, dass die Tat nie aufgeklärt wurde. „Aber das Geschehen ist verarbeitet und abgeschlossen.“ Normalität sei eingekehrt. „Und das ist gut so.“
Bei der Staatsanwaltschaft geht die Akte ins Archiv. Der Sachbearbeiter wechselt von Kapitalverbrechen zu politische Straftaten. Da werde ihm der Fall sicher nicht mehr begegnen, sagt der Staatsanwalt. Denn zu politischen Taten würden sich die Täter immer bekennen.

14. Dezember 2010 Die Bundesanwaltschaft beendet den Prüffall-Staus des Wehrhahn-Anschlags. Es hätten sich „keine Anhaltspunkte für eine Verfolgungszuständigkeit der Behörde ergeben“.

11. November 2011 Die „EK Acker“ nimmt ihre Arbeit wieder auf, nachdem die Mordserie des Nazi-Terror-Trios NSU bekannt geworden ist. Auch der Nagelbombenanschlag auf der Kölner Keupstraße geht auf das Konto der Zwickauer Zelle. Der Wehrhahn-Anschlag passe ins Bild, heißt es.

14. Februar 2012 Im Rahmen der Ermittlungen im Zusammenhang mit dem NSU informiert der Verfassungsschutz NRW die Düsseldorfer Ermittler erstmals über einen V-Mann, der bis kurz vor dem Anschlag im Militarialaden eines Verdächtigen geführt wurde.

27. Juli 2012 Ein Zusammenhang zwischen NSU und Wehrhahn-Anschlag konnte nicht nachgewiesen werden.

4. Juli 2014 Aus der JVA Castrop-Rauxel meldet sich eine Sozialarbeiterin. Ein wegen nicht gezahlten Unterhalts einsitzender früherer Militariahändler soll sich einem Mitgefangenen gegenüber damit gebrüstet haben, er habe in Düsseldorf „Kanaken weggesprengt“.

14. Juli 2014 Nach der Vernehmung des Mitgefangenen wird die „EK Furche“ gegründet, die erneut Ermittlungen im Umfeld des Mannes aufnimmt, der bereits kurz nach der Tat in Verdacht geraten war.

4. November 2014 Der Landtag NRW richtet einen Untersuchungsausschuss zum Umgang der Behörden mit den Aktivitäten des NSU aber auch mit dem Wehrhahn-Anschlag ein.

27. Juli 2015 Am 15. Jahrestag verkündet die Staatsanwaltschaft den alljährlich nachfragenden Journalisten, man werde das sichergestellte Geländer vom S-Bahnhof mit neuester Technologie auf DNA untersuchen. Die eigentlichen Ermittlungen werden nicht bekannt.

31. Januar 2017 Der inzwischen 50-jährige ehemalige Militariahändler und Ex-Soldat wird verhaftet.

1. Februar Der ermittelnde Staatsanwalt sagt vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags aus, dessen Vorsitzender über die neuen Ermittlungen informiert war und das Thema mehrfach vertagt hatte. Angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen im Mai wird das Thema Wehrhahn im Ausschuss nicht vertieft.

7. Dezember 2017 Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage wegen zwölffachen Mordversuchs und Herbeiführens einer Sprengstoffgefahr. Mehrere Aktivisten aus dem linken Lager bezweifeln bei einer Demo am S-Bahnhof, dass der Verdächtige allein gehandelt habe.

25. Januar 2018 Der Prozess beginnt unter strengen Sicherheitsvorkehrungen.

17. Mai 2018 Das Landgericht hebt überraschend den Haftbefehl gegen den Angeklagten auf. Ein dringender Tatverdacht sei nicht mehr gegeben.

31. Juli 2018 Fünf Tage nachdem Ankläger und Opferanwälte in engagierten Plädoyers lebenslange Haft gefordert und die Verteidiger erwartungsgemäß auf Freispruch plädiert haben, spricht das Landgericht den Mann frei.

11. Oktober 2018 Auf Initiative der Bezirksbürgermeister der Stadtbezirke 1 und 2 beschließt der Stadtrat, eine Gedenktafel in Auftrag zu geben.

27. Juli 2020 Erstmals gibt es eine offizielle Gedenkfeier der Stadt. Die Teilnehmerzahl ist aufgrund der Covid-Pandemie begrenzt.

14. Januar 2021 Der Bundesgerichtshof erkennt keine Rechtsfehler im Düsseldorfer Urteil. Der Freispruch ist rechtskräftig.