Berlin – Erschlagen mit dem Gewehrkolben. Erschossen im Dreck: Ein Drohnenvideo zeigt wieder einmal, wie brutal russische Soldaten selbst gegen die eigenen, verwundeten Kameraden vorgehen und diese sogar töten.

Wie brutal die russische Armee ihre Opfer massakriert, weiß spätestens seit Butscha die ganze Welt. Doch auch in den eigenen Reihen gibt es keine Gnade: Immer wieder bringen Putins Kämpfer ihre eigenen Männer um – weil sie zu verletzt zum Weiterkämpfen sind.

▶ Warum ist diese Armee so grausam? Und das sogar zu den eigenen Leuten?

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Russland-Experte Jörg Friedrich zu BILD: „Das Regime Putins rekrutiert sich aus einer Struktur, die keinerlei Skrupel hat, weder moralisch noch religiös oder rechtlich. Schon die Soldaten der Roten Armee hatten zwei Gegner: einen vor sich und einen im Rücken.“

Wer nicht kämpft, wird erschossen

Der Russland-Experte weiter: „Putin steht in bester Sowjet-Tradition: Wer nicht kämpft, wird beseitigt.“ So sei es das typische Vorgehen in der russischen Armee, die verwundeten Soldaten nicht abzutransportieren und in ein Lazarett zu bringen. Stattdessen wird der verwundete Kamerad kurzerhand umgebracht.

▶ Disziplin durch Angst, das sei schon das Erfolgsrezept der Roten Armee gewesen: „Stalin hat klipp und klar gesagt: Der Rote Soldat kämpft bis zum Umfallen und gibt sich nicht in Gefangenschaft.“ Damit sei die Rote Armee schon im Zweiten Weltkrieg erfolgreich gewesen.

„Auch Stalin hat klipp und klar gesagt: Der Rote Soldat kämpft bis zum Umfallen und gibt sich nicht in Gefangenschaft.“

Schon unter dem Sowjet-Diktator und Massenmörder Stalin galt: Aufgeben war Verrat – und Verräter wurden erschossen. Hier wird ihm auf einer Parade 1953 in Ost-Berlin gehuldigt

Foto: akg-images / Sammlung Berliner Verlag / Archiv

Keine Strafe für Kameraden-Mord

Auch der Osteuropa-Historiker Jan C. Behrends ist nicht überrascht von den brutalen Hinrichtungen, er sagt: „Die russische Armee ist eine Armee ohne Gesetzlichkeit.“

Verwundete seien keine Kameraden mehr – sondern Ballast. Behrends: „Wer sich nicht um Verwundete kümmern muss, hat – zynisch gesagt – eine Sorge weniger.“ Überleben täten nur diejenigen, die „es selbst zurückschaffen“. Behrends weiter: „Ansonsten verbluten sie nach Stunden oder Tagen in irgendeinem Keller. Oder sie werden eben zuvor von einem ihrer Kameraden erschossen.“

Bestraft werde das nicht: „Es gibt keinen einzigen bekannten Fall, in dem ein Soldat in Russland für die Tötung eines verwundeten Kameraden vor Gericht kam.“

Gilt das Recht des Stärkeren auch abseits der Front in Russland? „Ich würde nicht sagen, dass das in jedem russischen Kindergarten gilt – das wäre eine Verleumdung. Aber für Armee, Polizei, Geheimdienste und Gefängnisse gilt es.“

Jörg Friedrich ist ein deutscher Publizist und Sachbuchautor mit dem Schwerpunkt Militär- und Gewaltgeschichte. Er wurde 1944 in Kitzbühel geboren und studierte Rechtswissenschaften in Berlin. Friedrich wurde bekannt durch seine Bücher über den Zweiten Weltkrieg, besonders „Der Brand“ (2002) über die alliierten Luftangriffe auf deutsche Städte. Seine Arbeiten beschäftigen sich mit den Logiken und Grenzüberschreitungen moderner Kriegsführung.

Jan C. Behrends ist einer der führenden deutschen Osteuropa-Historiker. Er forscht am Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) in Potsdam zur Geschichte der Sowjetunion, zu autoritären Regimen und staatlicher Gewalt. In seinen Arbeiten beschäftigt er sich mit der Rolle von Armee, Geheimdiensten und Propaganda – besonders in Russland und der DDR. Behrends lehrte an Universitäten in Berlin, Bielefeld und Chicago.