Florian Lipowitz darf bei seinem beeindruckenden Debüt weiter vom Podium bei der Tour de France träumen. Auf der drittletzten Etappe baut der deutsche Hoffnungsträger seinen Vorsprung aus.
Florian Lipowitz kämpfte sich völlig ausgepumpt über den Zielstrich und legte dann ein schelmisches Grinsen auf. Nach einer famosen Energieleistung fährt der deutsche Hoffnungsträger dem Podest bei der 112. Tour de France entgegen. Auf dem brutalen Schlussanstieg des letzten Alpen-Krachers nach La Plagne baute Lipowitz seinen Vorsprung im Kampf um Gesamtplatz drei auf seinen Verfolger Oscar Onley trotz eines spektakulären Beinahe-Sturzes kurz vor dem Ende aus.
„Als ich gemerkt habe, dass er abreißen lässt, habe ich alles gegeben“, sagte Lipowitz: „Ich bin super happy. Diese Tour ist für mich unglaublich.“ Im verkürzten Bergfinale hängte Lipowitz (Red Bull-Bora-hansgrohe) seinen britischen Konkurrenten an der Zwei-Kilometer-Marke ab und erreichte letztlich sechs Sekunden nach dem niederländischen Tagessieger Thymen Arensman und vier Sekunden hinter Jonas Vingegaard und Tadej Pogacar als Vierter das Ziel im Wintersportgebiet in 2052 Metern Höhe.
Viel wichtiger aber: Den Vorsprung auf den viertplatzierten Onley (Picnic PostNL) konnte Lipowitz ausbauen. 1:03 Minuten liegt Lipowitz nun im Gesamtklassement wie auch in der Nachwuchswertung vor seinem zwei Jahre jüngeren Kontrahenten. Noch trennen ihn zwei Etappen von der ersten Podestplatzierung eines Deutschen seit Andreas Klöden 2006.
Wenige Meter vor dem Ziel hatte der frühere Biathlet gerade noch einen Crash verhindert.
Im finalen Sprint mit den Superstars Pogacar und Vingegaard war Lipowitz auf einem Farbfeld auf der regennassen Straße mit dem Hinterrad weggerutscht, durch einen gekonnten Balanceakt vermied der 24-jährige Ulmer aber noch den womöglich folgenreichen Fall. „Zum Glück ist nichts passiert“, sagte Lipowitz der „ARD“ erleichtert.
Pogacar kann schon mit Tour-Triumph planen
Das Gelbe Trikot ist dagegen bereits so gut wie vergeben: Titelverteidiger Tadej Pogacar (UAE Emirates-XRG) fuhr am Hinterrad seines Dauerrivalen Jonas Vingegaard (Visma-Lease a bike) als Dritter ins Ziel, zwei eigene Attacken auf dem 19,1 Kilometer langen und durchschnittlich 7,2 Prozent steilen Schlussanstieg waren zuvor erfolglos geblieben.
„Ich bin froh, dass es vorbei ist. Noch zwei Tage“, sagte Pogacar nach dem Rennen. Sein Vorsprung auf Verfolger Vingegaard beträgt nun 4:24 Minuten, der vierte Gesamtsieg ist dem Weltmeister nur noch theoretisch zu nehmen. Die letzten beiden Etappen stellen im Normalfall keine großen Hürden mehr dar.
Das 19. Teilstück war kurzfristig von 129,9 auf 93,1 Kilometer verkürzt worden. Aufgrund des Ausbruchs eines Virus in einer Rinderherde wurde der Col des Saisies aus Rücksicht auf die „Notlage der betroffenen Landwirte“ ausgelassen. Von ursprünglich 4550 Höhenmetern blieben 3257 übrig.
Lipowitz: „Wusste, dass ich abliefern muss“
Lipowitz (Red Bull-Bora-hansgrohe) ging diesmal nicht in die Offensive. Der Schwabe, der auf der Königsetappe am Donnerstag seinen ersten Einbruch erlebt und einen Großteil seines über zweiminütigen Vorsprungs auf Onley (Picnic PostNL) eingebüßt hatte, blieb bis zum Finale bei seinem Konkurrenten in der Gruppe der Favoriten.
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„Ich wollte es nicht überziehen. Am Ende habe ich es sehr gut gemacht“, erklärte Lipowitz und gab zu, sich „selbst viel Druck gemacht“ zu haben: „Ich wusste, dass ich abliefern muss.“
Während Lipowitz dem Podium in Paris immer näher kommt, musste sein eigentlicher Kapitän Primoz Roglic seine Hoffnungen begraben. Lange als Solist unterwegs konnte der Slowene der Spitzengruppe nicht mehr folgen fiel im Gesamtklassement auf Rang acht zurück.