In finanziell schwierigen Zeiten wagt sich die zunehmend klamme Landeshauptstadt Wiesbaden an ein ambitioniertes Projekt: den Kauf und die Sanierung des Roten Hochhauses und seines unmittelbaren Umfelds in der Dotzheimer Siedlung Schelmengraben. Der Anlass ist aus Sicht der Stadtentwicklungsgesellschaft ein Marktversagen.

Denn kein privater Investor oder Immobilienentwickler wagte sich in den vergangenen Jahren an das stockende Herz der von Ernst May erdachten Großsiedlung. Dort liegt inzwischen vieles im Argen. Symbol für den Stillstand im Quartier und manch ungute Entwicklung ist der Zustand des Roten Hochhauses. Seine lange Vernachlässigung ist offensichtlich.

Es fehlt an Transparenz

Für die Stadtreparatur an sensibler Stelle wird – wieder einmal – der Bürger die Verantwortung und die Zeche übernehmen müssen. Dieser sollte immer dann besonders misstrauisch gegenüber den Politikern sein, wenn die Landeshauptstadt in ihren favorisierten Modus der Geheimniskrämerei verfallen ist. Über die Grundsatzfrage eines Ankaufs dieses Ensembles hätte politisch öffentlich breit diskutiert werden müssen. Doch selbst die Opposition spielt allzu oft mit, wenn es darum geht, bedeutsame Entscheidungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu treffen, ohne im Vorfeld Transparenz herzustellen.

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Die dem Kauf zugrundeliegenden Wirtschaftlichkeitsberechnungen können von der Öffentlichkeit gegenwärtig nicht nachvollzogen werden. Und wenn es schiefgeht, habe die beiden aktuellen Geschäftsführer der Stadtentwicklungsgesellschaft das kommunale Unternehmen längst verlassen. Der eine in den Ruhestand, der andere zu neuen beruflichen Ufern.

Der Brutto-Kaufpreis von knapp 13 Millionen Euro ist kein Schnäppchen, auch wenn die Stadt dafür mehr als 150 Wohnungen mit fast 10.000 Quadratmetern Mietfläche erhält. Jede vierte Wohnung steht, nicht ohne Grund, derzeit leer. Die jährlichen Mieteinnahmen sind ein Geheimnis der SEG-Geschäftsführung, bei den Sanierungskosten sollte es tunlichst keine bösen Überraschungen geben.

Richtig ist: Das Rote Hochhaus ist eine Schlüsselimmobilie für den Schelmengraben, und sein Schicksal kann den Verantwortlichen so wenig gleichgültig sein wie das der leerstehenden Kaufhäuser in der Fußgängerzone. In deren Fall allerdings wird über die Nutzung und das Engagement der Stadt öffentlich diskutiert und gestritten. Das muss auch für ­andere Großvorhaben der Maßstab sein. Denn die Risiken mit dem Roten Hochhaus sind nicht viel kleiner als die Chancen.