Die Wunde bei Lobstädt

Ganz in der Nähe von Lobstädt befindet sich der Tagebau Vereinigtes Schleenhain. Wer dort an der Kante steht, kann auf 50 Millionen Jahre Erdgeschichte herunterschauen. Der Abbau der tiefliegenden Braunkohle hat eine Wunde in das Land geschlagen. Genau diese Art von Verletzung kennt Stacy Kranitz aus den Appalachen. Dort fotografiert sie vor allem die Menschen, die in der Region leben.

Bisher sei das nicht so gut gelaufen, berichtet die Künstlerin. Mehr als 100 Jahre lang habe man immer wieder das gleiche oberflächliche Bild verbreitet: unfreundliche Menschen. Deshalb gäbe es große Vorbehalte gegenüber Fotografen. Sie habe sich viel Zeit nehmen müssen, damit ihr die Menschen in den Appalachen vertrauen: „Dann kommt etwas zurück, und du erfährst tatsächlich etwas über ihr Leben.“

Sachsen und Appalachen: Braunkohle als globales Thema

Diese Thematik der Kohle liegt bei uns vor der Haustür„, sagt Lara Konrad vom Verein Gleis 1 in Lobstädt, „aber sie ist auch global vereinend.“ Konrad fand, dass Stacy Kranitz besonders gut nach Lobstädt passt, da die Künstlerin den Ansatz habe, Menschen zueinander zu bringen. Und die Fotografin hat die Einladung des kleinen Vereins sofort angenommen. „Für mich als Künstlerin ist es ein sehr erfüllendes Erlebnis, meine Arbeiten mit einer anderen Gemeinschaft zu teilen, die auch jenseits von Städten lebt“, betont Kranitz. Denn gerade dort sei es besonders wichtig, sich kulturell zu engagieren.

Junger Verein bringt Kultur in ländlichen Raum

Der noch junge Verein Gleis 1 will Kunst und Kultur in den ländlichen Raum bringen und Begegnungsorte schaffen, die eben mal nicht in Leipzig oder Dresden sind. In Bezug auf die Ausstellung hat das Team noch ein ganz bestimmter Blickwechsel interessiert: Im Gegensatz zum Tagebau in Sachsen interessiert sich in den Appalachen niemand mehr für die Menschen, wenn die Kohle abgebaut ist.

Kranitz nennt das „Nach-Kohle-Gemeinden“. Ihre Fotoarbeiten beschäftigen sich genau damit, was es für Menschen dort bedeutet, wenn nach dem Kohleabbau keine Ressourcen zurückkommen, die Suche nach anderen Einkommensmöglichkeiten beginnt, Ungleichheit entsteht und der öffentliche Raum verwahrlost.

Ausstellung von Stacy Kranitz zeitgleich in Dresden

Ursprünglich sollte es nur eine Ausstellung mit Fotografien von Stacy Kranitz geben, kuratiert vom Kunstverein Dresden e.V. Aber dann war schnell klar, dass die Bilder auch raus aus Dresden müssen, direkt in die Tagebaugebiete. So kam der Gleis 1 e.V. ins Spiel. Diese Idee fand Stacy Kranitz von Anfang gut: „Jede Reflexion ist wichtig. Ich wünsche mir, dass die Menschen hier die Bilder so wahrnehmen, wie auch immer sie das wollen.“