Laura Codruța Kovesi vor EU-Flagge

Die Generalstaatsanwältin der Europäischen Staatsanwaltschaft Laura Codruța Kövesi bei einem Vortrag in Moldawien 2024. Bild: Constantin Grigorita / Shutterstock.com

Europäische Staatsanwältin Kövesi jagt milliardenschwere Betrüger – jetzt geraten Politiker in ganz Europa ins Schwitzen.

Die europäische Generalstaatsanwältin Laura Codruța Kövesi ermittelt für die Europäische Union. Ihre Behörde, die Europäische Staatsanwaltschaft (EUStA) eröffnete im vergangenen Jahr gemäß dem jüngsten Jahresbericht 1.504 neue Ermittlungsverfahren, bei denen es um einen geschätzten Schaden von 13,07 Milliarden Euro zulasten der EU geht.

Insgesamt wurden bis zum 31. Dezember 2024 zusammen mit den in Vorjahren eröffneten Verfahren 2.666 Ermittlungsverfahren mit einem veranschlagten Gesamtschaden von 24,8 Milliarden Euro bearbeitet.

Knapp die Hälfte des Schadens, rund 53 Prozent oder 13,15 Milliarden Euro, betreffen Umsatzsteuervergehen. Insgesamt wurden 6.547 Strafanzeigen an die Behörde geleitet, was einem Anstieg um 56 Prozent gemessen am Vorjahr 2023 entspricht.

Großer Kriminalitätsbereich

Kövesi kommt zum Schluss, dass ihre Behörde in den mehr als drei Jahren ihrer Tätigkeit bewiesen hat, dass sie einen viel größeren Kriminalitätsbereich bearbeitet, als bei der Planung der EUStA angenommen wurde. Die Chef-Staatsanwältin fordert eine Erweiterung der Kapazitäten der EUStA.

So habe sich „der Betrug zum Nachteil der EU inzwischen zu einem höchst attraktiven Tätigkeitsfeld für sehr gefährliche Kriminelle entwickelt, nicht zuletzt, weil die Strafverfolgung in diesem Bereich in der Vergangenheit sehr uneinheitlich war“.

Staatsanwältin macht sich viele Feinde

Sie lässt keinen Zweifel daran, dass sie auch vor großen Namen nicht zurückschreckt. Dabei macht sie sich viele Feinde.

So ist aktuell, pars pro toto, die griechische Regierung wegen Kövesi unter Druck. Vier Mitglieder der Regierung von Kyriakos Mitsotakis mussten bereits zurücktreten. Untersuchungsausschüsse im Parlament stehen an.

Mit Makis Voridis, der bis zum 27. Juni als Hardliner im Migrationsministerium amtierte, verlor Mitsotakis einen seiner prominentesten Minister.

Als Agrarminister war er vom 9. Juli 2019 bis zum 5. Januar 2021 als politischer Vorgesetzter der Behörde Opekepe auch für die Verteilung von EU-Agrarsubventionen verantwortlich. Und bei eben diesen gab es eine wahre „Betrugs-Party“.

Ab 2019 durften Farmer Weideländer auch fern von ihrer Farm deklarieren. So deklarierten Viehbauern von der Insel Kreta Weideland in Zentralgriechenland.

Die Dreistigkeit einiger Betrüger

Die Dreistigkeit einiger Betrüger kannte wortwörtlich keine Grenzen. So wurden Weideländer auch im Ausland, zum Beispiel in Nordmazedonien deklariert. Wie realistisch ist es, wenn ein Farmer von der Insel Kreta auf der Insel Kea Weideland hat?

Kann es sein, dass ein Viehbauer sein Vieh mit der Fähre von Kreta nach Piräus bringt, von dort nach Ost-Attika nach Lavrion bringt, um die Fähre zur Insel Kea zu nehmen. Erst auf Kea sollen die Tiere dann auf die Weide gehen, das klingt doch sehr wirtschaftlich, oder?

Politiker unter den mutmaßlichen Betrügern

Es liegt auf der Hand, dass Betrug dieses Ausmaßes nur mit politischer Hilfe möglich war. Zudem sind unter den mutmaßlichen Betrügern auch frühere oder aktive Politiker, nicht nur der Nea Dimokratia. Auf Kreta stehen zwei Lokalpolitiker der sozialdemokratischen Pasok im Fadenkreuz der Justiz.

Sie wollen angeblich freiwillig sämtliche Subventionen zurückzahlen. Tatsächlich kämen sie damit nur einer amtlichen Pfändung zuvor. Die Regierung demonstriert Entschlossenheit und verspricht rigorose Aufklärung.

Um vom eigenen aktuellen Fehlverhalten abzulenken, sollen nun nach dem Willen der Nea Dimokratia die Praktiken aller Agrarminister ab 1998 untersucht werden.

Das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es Abhörprotokolle von Telefonaten gibt, die 10-12 amtierende Abgeordnete der Nea Dimokratia belasten sollen. Von den anderen Parteien gibt es nur jeweils einen Verdächtigen bei der Pasok und bei Syriza.

Die Abhörmaßnahmen wurden von der Europäischen Staatsanwaltschaft angeordnet. Sie hatte im Oktober 2024 nach anonymen Anzeigen begonnen, die Praxis der Agrarsubventionen in Griechenland zu überprüfen.

Intrigen gegen die Staatsanwaltschaft

Die Regierung hatte ab Anfang Januar verzweifelt versucht, die Affäre herunterzuspielen. Sie wechselte die Spitze der Opekepe für die Subventionsvergabe aus. Ziel war es, Kövesi und ihre Behörde fernzuhalten.

Es gibt Abhörprotokolle in denen zwei Personen darüber diskutieren, wie angeblich Voridis zusammen mit Justizminister Georgios Floridis gegen die EuSta intrigiert haben sollen. Sie hätten versucht, die griechische Vertreterin und Mitarbeiterin von Kövesi, die Staatsanwältin Popi Papandreou, zu entmachten. Selbst wenn es wahr wäre, es half nichts.

Die Ermittlungen der EuSta überraschen die Öffentlichkeit

Die EuSta überraschte die griechische Öffentlichkeit ab dem 21. Mai mit ihren Ermittlungsergebnissen. Sie war auf die früheren Agrarminister Lefteris Avgenakis und Makis Voridis gestoßen und musste aufgrund der Immunitätsregeln das griechische Parlament informieren.

Eine 3.000 Seiten dicke Anklageschrift wurde den Abgeordneten des Parlaments unter strengen Geheimhaltungsvorschriften präsentiert.

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Es geht weiter im Expresstempo. Bis Ende des Jahres sollen die sieben ersten dringend Tatverdächtigen verurteilt sein. Wie viele Personen wegen des „Opekepe-Skandal“ genannten Subventionsbetrugs angeklagt werden, ist noch offen. Kövesis Behörde hat bereits die nächsten griechischen Politiker unter Verdacht.

Sehr schnell, sehr aktiv

Die EU-Ermittler überprüfen das griechische Arbeitsministerium nach einem Anfangsverdacht hinsichtlich der Verwendung von Mitteln aus dem Fond für Aufbau- und Resilienzfazilität, einer zeitlich begrenzten Fördermaßnahme zur Überwindung der Folgen der Pandemie.

Allein am Beispiel Griechenland zeigt sich, dass Kövesis Behörde sehr schnell und effektiv agiert. Ihr Ruf nach besserer Ausstattung und mehr Personal könnte der EU die Aufdeckung zahlreicher Betrugsfälle ermöglichen.