Regelrechte Schätze an Büchern und Unterlagen aus vielen Jahrhunderten besitzen die Kirchgemeinden im Kirchenkreis Halle-Saalkreis. Doch gelagert wurden sie bis dato oft auf Dachböden, in leerstehenden Pfarrhäusern oder im Keller.

Der Prozess bis zur Entstehung des Archivs war jedoch mit zahlreichen Hürden verbunden. Den Anstoß gab Superintendent Hans-Jürgen Kant, der im Jahr 2010 sein Amt angetreten hat. Kant traf sich sogleich mit Gemeindekirchenräten und Pfarrern und besuchte im ersten Sommer seiner Amtszeit die verschiedenen Gemeinden. „Da wurde deutlich, dass sich viele Archive in einem katastrophalen Zustand befinden“, so Kant. Zugleich haben sich auch kirchenrechtliche Vorschriften zur Aufbewahrung geändert.

Geld musste natürlich her, denn am Ende hat das Kirchenarchiv, das sich nach Beschluss der Synode in Räumlichkeiten der Johannesgemeinde befindet, 1,5 Millionen Euro gekostet. „Wir haben 2014 die ersten Rücklagen gebildet“, sagte Kant. Letztendlich beteiligte sich jede Kirchgemeinde mit 35 Euro für jedes Gemeindeglied. Man sei bei der Planung von der Landesarchivarin tatkräftig unterstützt worden, so Kant. Die Archivalien selbst werden zwar nun gesammelt aufbewahrt, befinden sich aber weiterhin im Eigentum der Gemeinden.

Standortwahl und bauliche Herausforderungen

Neubau oder Umbau von bestehenden Räumlichkeiten – mit dieser Frage musste sich Kirchbaureferent Uwe Willweber auseinandersetzen. Neubauten im Norden und Osten waren im Gespräch, ebenso eine nicht mehr genutzte Kirche im westlichen Teil des Kirchenkreises, ein barockes Gebäude. Am Ende standen noch die Christuskirche und die Johanneskirche zur Auswahl. Das Gemeindehaus der Johanneskirche bot laut Willweber die besten Voraussetzungen.

„Bei einem Archiv ist es wichtig, dass es keine Feuchtigkeit gibt“, betont Johann-Christian Fromme, Planer und verantwortlicher Architekt. Deshalb wurde eine sogenannte „Horizontalsperre“ eingebaut, die die Souterrain-Räume schützen soll. Zudem hat ein Bauplaner Lehmputz empfohlen, der ebenfalls Feuchtigkeit absorbiert und so auch die Kosten minimiert. Denn für ein Archiv ist eine konstante Temperatur von 19 Grad und 60 Prozent Luftfeuchtigkeit ratsam. „Wir waren fast fertig mit den Arbeiten, da kam uns noch ein Starkregenereignis dazwischen“, so Fromme. Gerade rechtzeitig – das Archiv war noch nicht da –, wurde festgestellt, dass es im Hof noch verstopfte alte Ableitungen gibt.

Eine Wärmepumpe sorgt für die konstante Temperatur. „Wir machen uns hier das Kühlschrank-Prinzip zunutze“, betont Fromme. Die Funktion der Wärmepumpe wurde umgekehrt: Statt zu heizen, sorgt sie im Sommer für Kühle – und ist günstiger als eine Klimaanlage. Der ehemalige Pfarrer der Johanneskirche, Karsten Müller, konnte sogar über den einstigen Zweck der Räumlichkeiten berichten: „Es waren die Jugendräume. Es gab sogar eine Kegelbahn.“ Immerhin war die Johannesgemeinde auch einmal die größte Kirchgemeinde der Landeskirche mit 30.000 Gemeindegliedern auf ihrem Höhepunkt 1930. Danach folgte die Trennung der Pfarrbereiche durch die neue Lutherkirche.

Archivarisches Herzstück mit historischem Wert

Der „Herr der ganzen Akten“ ist Dr. André Junghänel. Seit einem Jahr ist er der Archivar des Kirchenkreises. Nach und nach ziehen jetzt die Archive der einzelnen Pfarrbereiche ein. Landsberg und Wettin sind schon einsortiert, am Montag kam Teutschenthal, und die nächsten Archivalien kommen aus dem Bereich Hohenthurm. Die städtischen Archive werden dagegen erst später dazukommen, da hier die Bedingungen bei der Lagerung besser sind als in kleinen Kirchgemeinden.

„Oft entdeckt man Dinge, von denen die Gemeinden selbst keine Ahnung haben“, so Junghänel. Chroniken, Fotos, Bücher, Baupläne, alte Rechnungen – so ist Junghänel beispielsweise auf eine Rechnung für die Doppelkapelle Landsberg gestoßen. Auch für Ahnen- und Heimatforscher sind die Archive, die nun nach und nach digitalisiert werden sollen, äußerst interessant. Schließlich führte die Kirche früher die Register für Taufen, Hochzeiten und Sterbefälle.

Schimmel, bröckelnder Putz – Junghänel muss beim Sichern der Archivalien teilweise Schutzkleidung wie Maske und Helm anlegen. In Löbejün entdeckte er in einem Schrank hinter der Orgel eine Leichenpredigt für August Hermann Francke. Das bislang älteste Buch stammt aus dem Jahr 1478, also noch vor der Reformation. Es ist quasi eine Handlungsanleitung für Pfarrer. Es geht dabei beispielsweise um weltliche Ängste, um Fegefeuer und das göttliche Gericht – und wie man diese Ängste in Predigten fruchtbar machen kann.

Insgesamt stehen 1,6 Regalkilometer bereit – erst ein Bruchteil davon ist belegt. Am 2. August 2025 kann man einen Blick hinter die Kulissen werfen: Von 12 bis 18 Uhr ist Tag des offenen Kirchenarchivs. Um 14 Uhr gibt es eine Gebäudetechnikführung mit dem Lüftungsplaner Dr. Holm Arndt, und um 16 Uhr geht es um Aufgaben und Nutzungsmöglichkeiten des Kirchenkreisarchivs – vorgestellt von Dr. André Junghänel und Annett Rose, mit Präsentation einzelner Archivalien.