Ein Wunderkind der Gegenwart: Der im Jahr 2000 geborene Vincent Meissner ist Jazzpianist und Komponist, sein Trio mit Josef Zeimetz am Bass und Henri Reichmann am Schlagzeug wurde unter anderem bereits mit dem Mitteldeutschen Jazzpreis und dem Förderpreis der deutschen Jazzunion ausgezeichnet. Nun erscheint mit »Eigengrau« schon die dritte Platte beim namhaften Label ACT. Im Gespräch mit dem kreuzer erklärt Meissner, wie er zum Jazz gekommen ist und wie sein Trio arbeitet.​

Wie kommt man von einem kleinen Dorf in Mittelsachsen zum Jazz?

Das ist eine göttliche Fügung gewesen. Als Kind war Musik nicht so mein Ding. Meine Oma, die Musikschullehrerin in Freiberg war, meinte, es gibt einen coolen Klavierlehrer, André Engelbrecht, der auch Jazz und Pop unterrichtet. Er hat mich spielerisch an die Klänge herangeführt, mal mit einzelnen Tönen, Klanghölzern oder Furzkissen. Ich konnte mir selbst etwas überlegen und das war die Initialzündung. Später haben mein Cousin und ich Karten für die Jazztage in Freiberg geschenkt bekommen: Joachim Kühn hat mich in dem Programm besonders beeindruckt. Daraufhin wollte ich mir CDs besorgen und habe meinen Vater genervt, mir auf Amazon Musik zu bestellen. Am Anfang habe ich natürlich nichts gerafft, aber irgendwie war diese Musik genau mein Ding.

»Eigengrau« ist nach »Wille« (2023) und »Bewegtes Feld« (2021) die dritte Veröffentlichung im Trio mit Josef Zeimetz am Bass und Henri Reichmann am Schlagzeug. Wie hat sich der Sound entwickelt?

Ach, es ist wie eine Beziehung. Jeder von uns macht sein Ding, trifft andere Leute und erlebt etwas. Nur dadurch kann man herausfinden, was man selbst will und was man auch an den anderen wertschätzt. Das macht die Entwicklung aus. Dann treffen wir uns wieder und es ist alles fresh und vertraut. Mit der aktuellen Veröffentlichung sind wir davon weggekommen zu improvisieren. Stattdessen haben wir den Fokus daraufgelegt, wie wir die Songs klingen lassen möchten. Das Album ist sehr kompakt geworden, es ist keine Avanti-Mucke (Avantgarde, Anm. d. Red.), kein Pain in the Ass.

Das Albumcover ziert ein Gemälde von Mascha Schultz, die an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig studiert. Wie ist es dazu gekommen?

Uns verbindet die gemeinsame Zeit in Dresden, wir kennen uns schon eine ganze Weile. Und das Bild ist nur ein Ausschnitt eines Triptychons, das beim Rundgang in der HGB gestohlen wurde. Ich finde es schön, dass es eine Verbindung zur Musik hat: Das Bild ist einerseits futsch, aber man kann es auch so sehen, dass es bei irgendjemandem weiterlebt, auch hier auf dem Album. So ist es auch mit der Musik, die sich transportiert und woanders fortbestehen kann.

Gibt es Musik, Filme, Bücher oder andere Kunstwerke, die bei der Arbeit am Album eine besondere Rolle gespielt haben?

Ja, unser Pool an Inspiration ist gigantisch. Beispielsweise sind auf dem Album zwei Coversongs, die zwei Inspirationen konkret nennen. Eines ist »Nothing compares 2 U« von Prince, das Sinéad O’Connor gesungen hat. Ich bin mit dem Radio aufgewachsen und kenne die ganzen Hits der 70er, 80er, 90er und das Beste von heute. Daran erinnere ich mich immer, selbst, wenn ich mich für Avanti-Jazz entschieden habe. Der letzte Song ist von Radiohead: »Separator« ist auch der letzte Track auf »The King of Limbs«, dem ersten Radiohead-Album, das mich sehr begeistert hat und seit dem Thom Yorkes Musik heilend und Teil meines Lebens ist. Die Band The Bad Plus ist auch eine große Inspiration – und es gibt tausend weitere Namen, die ich nennen könnte, wie etwa Marilyn Crispell, Kaja Draksler und nicht zuletzt Michael Wollny und Joachim Kühn.

> Vincent Meissner Trio: »Eigengrau« (ACT), CD und Vinyl, ab 25.7.

> www.vincent-meissner.de