Wenige Tage vor der geplanten Abstimmung über die Einführung der landesweiten Ehrenamtskarte in Stuttgart deutet alles darauf hin, dass die Stadt keinen Sonderweg beschreiten, sondern sich für die vom Land vorgeschlagene Lösung entscheiden wird. In einer lange erwarteten Beschlussvorlage spricht sich die Verwaltung für die landesweite Karte aus. Sie soll nach dem Willen der Stadt, zunächst befristet auf zwei Jahre, noch 2025 in Stuttgart eingeführt werden und sieht Vergünstigungen für Personen vor, die sich ehrenamtlich und bürgerschaftlich engagieren.
Je nach Ausgestaltung kommen die Kartenbesitzer in den Genuss von reduziertem oder freien Eintritt in Kulturbetrieben, Sportstätten, Bildungseinrichtungen und anderen öffentlich geförderten Einrichtungen. Im Gemeinderat hatte sich im Juni bereits eine Mehrheit von Grünen, SPD/Volt, Die Linke/SÖS-plus und Puls für die Ehrenamtskarte des Landes abgezeichnet. Die CDU-Fraktion hatte für eine Stuttgarter Eigenlösung plädiert, FDP und Freie Wähler waren abwartend, weil bis dato nicht über das Thema beraten wurde.
In der kommenden Woche sollen nun Verwaltungsausschuss und Gemeinderat über eine Beschlussvorlage aus dem Referat Allgemeine Verwaltung, Kultur und Recht von Bürgermeister Fabian Mayer (CDU) beraten und abstimmen. Darin heißt es: „Die Landeshauptstadt Stuttgart beteiligt sich an der landesweiten Einführung der Ehrenamtskarte Baden-Württemberg.“
Fast jeder Dritte ist in Stuttgart freiwillig aktiv
Die Ehrenamtskarte ist ein Projekt der Landesregierung, die zwischen dem 1. August 2023 und dem 31. März 2025 in mehreren Modellkommunen – Freiburg, Ulm sowie im Landkreis Calw und im Ostalbkreis – erprobt wurde und dort jetzt auch fortgeführt wird. Die Ergebnisse der Evaluation bestätigen Sozialminister Manne Lucha (Grüne) darin, die Ehrenamtskarte landesweit auszurollen: „Die ehrenamtlich Aktiven erfahren mit der Karte eine Würdigung und ein Dankeschön für ihr wichtiges freiwilliges Engagement, das der Gesellschaft zugutekommt.“
In fast allen Bundesländern wurde eine solche Karte bereits vor etlichen Jahren eingeführt. Das Sozialministerium hat den Landkreisen und kreisfreien Städten nun angeboten, sich an der landesweiten Einführung der Ehrenamtskarte Baden-Württemberg zu beteiligen. Anspruch darauf haben Personen, die sich in den teilnehmenden Kommunen mindestens 200 Stunden im Jahr freiwillig engagieren.
Vergünstigungen unabhängig vom Wohnort
Als Nachweis genügt laut Ministerium eine pauschale Bescheinigung des jeweiligen Vereins oder der betreffenden Einrichtung über die geleistete freiwillige Arbeit. Die Ehrenamtskarten werden von den Landratsämtern und Stadtverwaltungen ausgestellt. Die dort anfallenden Personalkosten fördert das Land mit bis zu 90 000 Euro jährlich.
Tatsächlich können die Vergünstigungen unabhängig vom Wohnort in allen teilnehmende Kommunen bezogen werden. Ehrenamtliche aus Ulm profitieren von Vergünstigungen in Stuttgart und umgekehrt. Befürchtet wurde daher auch, dass die Kosten unkalkulierbar werden und die Vergünstigungen deshalb zwangsläufig kleiner ausfallen müssten. Bedenken gab es zudem wegen des bürokratischen Aufwands. Für die Verwaltung der Karten sind die Kommunen zuständig, ebenso für die „Akquise von Akzeptanzstellen“, wie es offiziell heißt. Gemeint ist die Überzeugungsarbeit, die geleistet werden muss, um Einrichtungen fürs Mitmachen zu gewinnen. Sie entscheiden über die Höhe der Vergünstigungen und erhalten dafür keine Kompensation.
Die Stadtverwaltung beziffert den personellen Aufwand mit zwei Stellen, die anteilig durch Landesmittel finanziert werden. Für die Stadt ergeben sich laut Beschlussvorlage bis Ende 2027 Kosten von insgesamt 344.000 Euro.
Die CDU plädiert für eine lokale Lösung
Vor diesem Hintergrund stellten die CDU-Fraktion und die Verwaltung Überlegungen zu einer eigenständigen Stuttgart-Lösung an. Die Idee war, ein begrenztes Kontingent an Karten – die Rede war von rund 2000 sogenannten Erlebniscards – an Stuttgarter Vereine und Verbände auszugeben, die ihrerseits die Verteilung organisieren sollten. Die bereits bestehende Erlebniscard im Gegenwert von 69 und 79 Euro bietet freien Eintritt und Vergünstigungen bei rund 70 Partnern – von der Wilhema bis zum Mineralbad Cannstatt.
Eine Stuttgarter Ehrenamtskarte auf dieser Basis würde aus Sicht von CDU-Fraktionschef Alexander Kotz „deutlich unbürokratischer funktionieren als das Landesmodell“. Sie ermögliche eine bessere Steuerbarkeit und Planbarkeit der Kosten, meint er. Auch würden sich „die Vergünstigungen gezielt auf in Stuttgart engagierte Personen konzentrieren“. Kotz betonte jedoch: „Sollte sich der Gemeinderat mehrheitlich für das Landesmodell entscheiden, würden wir dieses mittragen – auch wenn wir darin aus Sicht Stuttgarts klare Nachteile erkennen.“
Auch eine Stuttgart-Lösung würde Kosten verursachen
Diese Mehrheit scheint inzwischen gewiss. Petra Rühle, Fraktionschefin der Grünen und klare Befürworterin der Landeslösung, argumentiert, die landesweite Lösung biete bei vergleichbaren Fixkosten „ein Vielfaches an Potenzial“. Im Vergleich zur Erlebniscard bekämen die Ehrenamtlichen bei einzelnen Einrichtungen zwar weniger Nachlass, dafür würden insgesamt jedoch viel mehr Personen zum Zug kommen.
Als Vorteile der landesweiten Karte sieht sie auch, dass das Land die Karte flächendeckend bewirbt und eine Ehrenamts-App entwickelt hat, die eine zeitgemäße Kommunikation mit jungen Zielgruppen ermöglichen und noch im Sommer an den Start gehen soll. „Das müssten wir in Stuttgart sonst alles selbst machen“, sagt Rühle.
Die „finanzielle und logistische Unterstützung vonseiten des Landes“ hält sie für unerlässlich. Den Aufwand für eine reine Stuttgarter Lösung bestätigt auch die Stadtverwaltung. In der Beschlussvorlage heißt es: „Absehbar ist, dass auch dieses Modell mit einem personellen, organisatorischen und finanziellen Aufwand verbunden wäre.“