In Berlin haben Zehntausende Menschen den Christopher Street Day (CSD) gefeiert und für die Rechte von Schwulen, Lesben, Transsexuellen und Transgender sowie Inter- und Bisexuellen demonstriert. Die Veranstaltung fand unter dem Motto „Nie wieder still“ statt. 

Der Zug mit rund 80 Wagen und mehr als 100 Gruppen zog von der Leipziger Straße über den Potsdamer Platz nach Schöneberg und dann zur Siegessäule bis zum Brandenburger Tor. Die Veranstalter hatten Hunderttausende Teilnehmer erwartet. Bis zum Nachmittag gab es keine offiziellen Angaben zu den Teilnehmenden.

Bei der Eröffnung der Veranstaltung sprach unter anderen die Vizepräsidentin des Bundestages, Josephine Ortleb. „Gerade in der heutigen Zeit können wir einfach nicht neutral sein, wenn es darum geht, Menschenrechte zu verteidigen“, sagte die SPD-Politikerin. Die queere Community komme immer stärker unter Druck, auch in Deutschland.

Thomas Hoffmann aus dem Vorstand des Vereins CSD Berlin sagte, gerade jetzt sei es wichtig, „wieder kraftvoll auf die Straße zu gehen und ein Zeichen für Freiheit, Toleranz und Gleichberechtigung zu setzen“. Erstmals in der Geschichte der queeren Rechte „kämpfen wir nicht für neue Rechte, sondern dafür, bestehende Rechte zu verteidigen“.

Behörden verzeichnen Anstieg queerfeindlicher Straftaten

Die Veranstalter hatten zuvor auf eine ernste und angespannte Lage hingewiesen. Nach Angaben der Behörden steigen queerfeindliche Straftaten seit Jahren an. Laut einem Lagebericht des Bundeskriminalamts und des Bundesinnenministeriums von Ende 2024 hat sich die Zahl der Straftaten im Bereich „Sexuelle Orientierung“ und „Geschlechtsbezogene Diversität“ seit 2010 nahezu verzehnfacht. Das liegt demnach auch an der zunehmenden Sichtbarkeit und Anzeigebereitschaft. Es wird von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen.

© Lea Dohle

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An einer rechtsextremen Kundgebung gegen den CSD in Berlin haben nach Angaben der Polizei weniger Menschen teilgenommen als angemeldet waren. 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer seien angemeldet gewesen, es seien aber „deutlich“ weniger gekommen, sagte eine Sprecherin der Polizei. 

Die Anmelderin der Kundgebung ist demnach festgenommen worden. Sie und weitere fünf Menschen seien in der Messer- und Verbotszone am Alexanderplatz überprüft worden. Gegen sie seien Verfahren wegen Beleidigung, Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz eingeleitet worden. Am Versammlungsplatz der Kundgebung sei ein weiterer Teilnehmer wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz festgenommen worden.

Die CSD-Kundgebung erinnert an den 28. Juni 1969, als die Polizei die Schwulenbar Stonewall Inn in der New Yorker Christopher Street stürmte, worauf tagelange Zusammenstöße zwischen Aktivistinnen und Sicherheitskräften folgten. Der Aufstand gilt als Geburtsstunde der modernen Schwulen- und Lesbenbewegung.

Keine Regenbogenfahne auf dem Bundestag

Anders als in den Vorjahren wurde keine Regenbogenfahne auf dem Deutschen Bundestag gehisst. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) hatte die umstrittene Entscheidung getroffen, die Fahne nicht zu hissen. „Die Regenbogenfahne steht für mich für Solidarität, Akzeptanz, aber auch Menschenrechte für alle. Und das sind für mich auch die Werte, für die der Deutsche Bundestag steht“, sagte dazu Bundestags-Vizepräsidentin Ortleb.

Aus Protest gegen Klöckners Entscheidung breiteten Aktivisten am späten Freitagnachmittag eine 400 Quadratmeter große Flagge auf dem Rasen vor dem Bundestag aus. Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger (SPD) entschied dagegen, die Regenbogenflagge am Gebäude der Ländervertretung an der Leipziger Straße zu hissen.

Auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) ließ die Regenbogenfahne hissen. „Wir leben in Zeiten, in denen wir leider Gottes wieder verstärkt Hasskriminalität erleben. Schwule, Lesben, trans Personen werden angegriffen, verbal, aber auch durch Gewalt“, sagte er dem Sender Welt TV. Das dürften „wir nicht dulden“. Ein klares Bekenntnis, ein klares Zeichen zu setzen, auch von der Politik, „das ist wichtig“.

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