Laut Experten haben die USA taktische Nuklearwaffen auf eine britische Luftwaffenbasis verschoben. Doch das weckt Proteste gegen die Stärkung der nuklearen Abschreckung.
Briten protestieren im Frühling 2025 gegen die geplante Stationierung amerikanischer Atomwaffen auf dem britischen Luftwaffenstützpunkt RAF Lakenheath.
Martin Pope, Getty
Erstmals seit 17 Jahren stationieren die USA offenbar wieder Atomwaffen auf britischem Boden. Dies legt die Route eines militärischen Transportflugzeugs nahe, das vergangene Woche von einer Basis im Gliedstaat New Mexico, in der die USA Atomwaffen lagern, zum britischen Luftwaffenstützpunkt RAF Lakenheath in der Grafschaft Suffolk nördlich von Cambridge flog. Laut Militärexperten deutet alles darauf hin, dass mit dem Flug amerikanische Atomwaffen angeliefert wurden.
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Die britischen und amerikanischen Behörden lehnten, wie in solchen Fällen üblich, jeglichen Kommentar ab. Dass das Transportflugzeug aber mit eingeschaltetem Transponder flog und dadurch erkennbar blieb, deutet darauf hin, dass Washington und London ein Signal an Moskau aussenden wollten.
London kauft Flugzeuge
Bereits unter der Präsidentschaft von Joe Biden gab es in Washington Pläne, in Grossbritannien wieder Atombomben vom Typ B-61 zu stationieren, um die Abschreckung gegenüber Russland zu stärken. Die USA haben solche Waffen im Rahmen des Nato-Abschreckungsdispositivs bereits an verschiedenen anderen Standorten in Westeuropa und in der Türkei gelagert.
Der britische Stützpunkt RAF Lakenheath beherbergt schon heute amerikanische Luftwaffeneinheiten. Daher könnten die taktischen Atomwaffen direkt von den USA eingesetzt werden. Insofern kommt der Schritt einer Stärkung des amerikanischen Engagements in Europa gleich, obwohl die Regierung von Donald Trump ihre Verantwortung für die europäische Verteidigung eigentlich reduzieren will.
Experten sehen die Stationierung der amerikanischen Waffen aber auch als Vorbereitung für ein stärkeres britisches Engagement im Rahmen des Nato-Abschreckungsdispositivs. Vor einem Monat kündigte Premierminister Keir Starmer die Beschaffung von zwölf neuen F-35-A-Kampfjets aus den USA an. Diese sind in der Lage, die von den USA nun angelieferten Atombomben mitzuführen.
Grossbritannien ist die einzige Atommacht der Welt, die bisher nur über ein Trägersystem verfügt. Das Land hat vier ballistische Atom-U-Boote, die maximal sechzehn interkontinentale Trident-Raketen mitführen können. Nun soll die Royal Air Force erstmals seit 1998 wieder in die Lage versetzt werden, taktische Atomwaffen mitzuführen. Diese würden etwa gegen militärische Ziele wie Panzerverbände auf dem Schlachtfeld abgeworfen und haben ein geringeres Eskalationspotenzial als die strategischen Atomwaffen, die ganze Städte zerstören können.
Aufruf zu Massenprotesten
Grossbritannien stärkt damit die Abschreckung gegen Russland, verringert aber die europäische Abhängigkeit von den USA nicht. Denn die Atomwaffen bleiben in amerikanischem Besitz. Ihr Einsatz durch die Royal Air Force würde sowohl die Zustimmung des britischen Premierministers wie auch jene des amerikanischen Präsidenten bedingen, weshalb unter Sicherheitsexperten von einem «Zwei-Schlüssel-System» die Rede ist.
Die Aufrüstung stösst in Grossbritannien nicht nur auf Zustimmung. Die Nichtregierungsorganisation Campaign for Nuclear Disarmament (CND) forderte Starmer auf, sich öffentlich zur Stationierung amerikanischer Atomwaffen zu äussern, um eine demokratische Debatte zuzulassen. Die CND argumentiert, der Schritt drohe Grossbritannien zum Angriffsziel zu machen, was die Sicherheit der Bevölkerung verringere statt stärke.
Im Vereinigten Königreich gab es immer wieder Proteste von linken und christlichen Pazifisten, die auch innerhalb der Labour-Partei, bei den schottischen Nationalisten oder den Grünen über Rückhalt verfügten. So wurde in den achtziger Jahren das Greenham Common Women’s Peace Camp zu einem Symbol der atomkritischen Friedensbewegung weit über Grossbritannien hinaus. Nun wollen die Aktivisten rund um die CND an diese Tradition anknüpfen und erneut zu Massenprotesten aufrufen.