Bielefeld. Action statt Apokalypse: Das Bielefelder Kollektiv „BaumBie“ kennt sich aus mit der Klimakrise und versucht zu retten, was noch zu retten ist – die Bäume vor der eigenen Haustür und im Quartier. „Jeder kann mitmachen, jeder kann helfen, dazu bedarf es nur Wasser, einer Gießkanne und den Daten aus unserer App“, erklärt Helene Bielawa am Stand auf dem Abendmarkt. Der Stand gehört mit zum Gewinner-Paket, dass sich das Team vor einem Monat beim Finale des Wettbewerbs „Innovate Now“ abholte: 1.000 Euro zur Finanzierung und Fortführung des digitalen Projekts sowie an vier Donnerstagen einen Stand auf dem Klosterplatz zum Promoten der Idee.

Die erhielt ihre finalen Impulse in den Wochen des drei Monate währenden Wettbewerbs „Innovate Now“. Zu dem hatte das City-Team der kommunalen Wirtschaftsförderung (Wege) um Desirée Lukowski eingeladen. Aus 100 Vorschlägen wählte das Team zehn Kandidatinnen und Kandidaten aus, die ihre digitalen Projekte durch gezielte Coachings und das Nutzen gestellter Büros samt Technik voranbringen sollten – im Idealfall bis zur Marktreife. Die Marketingprofis Mia Richeton und Kai Hohmeier von der Agentur „Tomorrow Bird“ unterstützen die Kreativen, die Start-up-Schmiede Pioneers-Club lieferte die Infrastruktur dazu.

Am großen Pitch-Day Ende Juni präsentierten die zehn Teams ihre digitalen Ideen auf offener Bühne vor einer kleinen Jury, die dann drei Haupt-Gewinner kürte – und dazu zählte auch das mittlerweile als Verein organisierte Kollektiv namens „BaumBie“. Das sich allerdings nicht erst anlässlich des Wettbewerbs fand, sondern schon zuvor an der Vision eines datengestützten Dialogs zwischen Baum und Mensch programmiert hatte. Denn darin besteht die eigentliche Kernkompetenz des Kollektivs: öffentlich zugängliche Daten aufbereiten und dann zum Wohle der Allgemeinheit einsetzen.

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Baumflüsterer als Scharnier zwischen Natur und Technik

So basiert die Idee von „BaumBie“ kartentechnisch auf dem Baumkataster der Stadt Bielefeld. Das kann sich theoretisch jeder anschauen und die Datensätze in verschiedenen Formaten herunterladen. Spätestens an der Stelle schlägt die Stunde der Baumflüsterer: Sie haben die interaktive Karte mit der nüchternen Info-Optik smartphone-kompatibel inszeniert und um originelle Features erweitert, wie den Chat mit dem Baum. Wobei sich die Unterhaltung gegenwärtig noch eher im Beta-Stadium befindet, was Chat-GPT–konditionierte User aber nicht abschrecken soll. Eher im Gegenteil:


Die interaktive Baum-Info-Karte auf dem Tablet und die Fragen vom Quiz klassisch auf dem Klemmbrett. - © Stefan Becker

Die interaktive Baum-Info-Karte auf dem Tablet und die Fragen vom Quiz klassisch auf dem Klemmbrett.
| © Stefan Becker

„De Basis-Daten zu allen Bäumen im Stadtgebiet wie Art, Höhe, Größe der Krone sind bereits integriert, Daten zum konkreten Wasserbedarf werden noch folgen, den berechnen wir bisher auf der Basis eines Niederschlagmodells vom Deutschen Wetterdienst – aber wir freuen uns natürlich über jede und jeden, die sich schon jetzt aufmachen zum Gießen“, sagt Bielawa. Der nächste Gießkannen-bewährte Schritt bestünde dann in einer Patenschaft mit dem Bäumchen oder Baum um die Ecke oder vor der Tür. Gerade die unter fünfjährigen Exemplare seien durch Phasen anhaltender Trockenheit existenziell gefährdet.

Wie es den Bäumen im Stadtgebiet geht, davon erzählt das Team am Stand auf dem Abendmarkt und reicht kleine Quizbögen zum Erkunden der Botanik auf dem Klosterplatz. Als kleines Dankeschön erhalten die Teilnehmenden eine Fünf-Liter-Gießkanne – das analoge wie symbolische Gerät für die kommenden „BaumBie“-Einsätze. „Diesen Donnerstag sind wir 16 Gießkannen losgeworden, beim ersten Auftritt waren es trotz des Regens immerhin 7 – von der Hälfte des Preisgeldes haben wir 100 Stück gekauft, damit wir unsere Aktion weiter bewerben können.“ Wobei neben Passanten mit Interesse am Erhalt des Stadtgrüns auch verschiedene Institutionen auf sie zugekommen seien, wie der BUND, Greenpeace oder die Stadt Gütersloh.

Die Stadt besser machen – so lautet der Minimalanspruch

Das Team selbst steht im stetigen Kontakt zu Mitstreitenden aus Münster, Leipzig und Berlin. Aus der Hauptstadt stamme die eigentliche Idee, dort sei vor vier Jahren die Initiative „Gieß den Kiez“ gestartet worden, schreiben die „BaumBies“ auf ihrer Seite. Und die gehört wiederum zu einem Netzwerk von Programmierern und sonstigen IT-Nerds mit der Energie zum gemeinsamen ehrenamtlichen Arbeiten: „Wir beschäftigen uns mit Daten rund um Bielefeld und wollen unsere Stadt besser machen“, lautet das Intro auf der Vereins-Seite „Code for Bielefeld“. Das erste Projekt nimmt jetzt Gestalt an und wendet sich an alle, die Spaß haben an Smartphones, Gießkannen und der Freude am Lernen.


Das Team von "BaumBie“ wird noch an zwei Donnerstagen zum Abendmarkt mit der Gießkannen-Aktion am Stand weiter um Unterstützende und Interessierte für das Projekt werben. - © Stefan Becker

Das Team von „BaumBie“ wird noch an zwei Donnerstagen zum Abendmarkt mit der Gießkannen-Aktion am Stand weiter um Unterstützende und Interessierte für das Projekt werben.
| © Stefan Becker

Oder wissen Sie schon, wie viele Stadtbäume es in Bielefeld gibt und welche Art die häufigste ist? „Baumbie,org“ gibt die Antworten. Das provoziere immer einen „Wow-Effekt“, sagt Bielawa, wen die Interessierten beim Quiz auf der Homepage die Infos erfahren. Ob Singles oder Paare, Familien, Nachbarschaften oder Schulklassen, je mehr sich engagieren, desto besser. Und die cookie-freie Homepage lässt sich mit zwei Klicks umfunktionieren zur App namens „Gieß Bielefeld“ – Action für alle.

Die anderen beiden Gewinner des Ideen-Wettbewerbs „Innovate Now“ heißen „BarrierefrAI“ und „Wir parken“. Die beiden Projekte wird nw.de als Nächste vorstellen.