Svea Mausolf wird auf Instagram mit gesellschaftskritischen Satire-Memes berühmt. Nun wendet sie ihr Erfolgsrezept auf ihren Debütroman „Image“ an und dreht spießig-deutschen Alltagswahnsinn durch den Sveamaus-Wolf. Dabei kann es auch mal richtig schmutzig werden.
Peggy Brinkmann ist am Arsch. Sie ist Ende 30, gerade von ihrer Freundin verlassen worden und seit Kurzem auch noch komplett pleite. Da sie es weder schafft, ihr Langzeitstudium abzuschließen noch abzubrechen, sehen sich ihre Eltern zur allerletzten Konsequenz gezwungen: Peggy den Geldhahn abzudrehen. Also muss ein Mitbewohner her, um die Miete noch irgendwie stemmen zu können.
Besagter Mitbewohner heißt Martin. Martin Ziegler, um genau zu sein. Und binnen weniger Wochen mutiert er zu Peggys absolutem Hassobjekt. Der Grund: Martin ist ein Schwein. In den Taschen seiner abgetragenen Jeansjacke führt er neben losen Tabakkrümeln auch gerne mal benutzte Kondome spazieren, anstatt sie wegzuwerfen. Aber alles halb so wild. Er ist schließlich „nicht mal gekommen“.
Ähnlich wie mit seinen Jackentaschen hält Martin es mit den Räumlichkeiten seiner neuen WG: Aufräumen und Putzen sind nebensächlich. Benutztes Geschirr wird einfach stehen gelassen, Müll nicht entsorgt. Uriniert wird prinzipiell im Stehen und die Klobürste nie benutzt (Martin ist ein echter Mann). Soll sich seine Mitbewohnerin doch darum kümmern.
Weil die sich von ihm behandelt fühlt „wie eine Bedienstete oder noch schlimmer: seine Mutter“, wachsen Unmut und Groll in Peggy Brinkmann zu echtem Aggressionspotenzial an. Sie stellt sich vor, „wie sie das Kondom, das in einer Frau drin war, über seinen Kopf zieht und diesen immer wieder gegen die Tischkante schlägt“. Um nur eine ihrer vielen Gewaltfantasien zu nennen.
Doch Peggy ist nicht die Einzige, die Rachegelüste gegenüber Martin hegt. Denn da wäre auch noch Olivia – seine drogenabhängige Geliebte. Olivia verehrt Martin und himmelt ihn an. Martin hingegen betrachtet sie bloß als Sexobjekt und behandelt sie – es lässt sich kaum anders sagen – wie ein Stück Dreck. Doch auch Olivia hat ihre Grenzen. Grenzen, die Martin schon viel zu oft übertreten hat. Als sich der Nebel des Rauschs einer besonders extremen Drogenphase lichtet, erkennt sie, dass sie das nicht länger hinnehmen will. Eines Nachts treffen sie, Peggy und Martin in der WG aufeinander. Der Zorn der beiden Frauen entlädt sich und eine Kette unheilvoller Ereignisse nimmt ihren Lauf.
Alltagshorror im Fleischwolf
Die Künstlerin, Comedian, TV- und jetzt auch Buchautorin Svea Mausolf ist durch ihren mittlerweile über 300.000 Follower starken Instagram-Account @sveamaus berühmt geworden, der ihr außerdem den inoffiziellen Titel der Meme-Queen verschafft hat. In ihren satirischen, gesellschaftskritischen und oft tragikomischen Posts dreht sie den Alltagshorror des deutschen Spießbürgertums durch den Wolf, verbindet Kapitalismuskritik mit Kleingarten-Irrsinn, arbeitet sich an Queer-Hass und Frauenfeindlichkeit ab und schaut genau dorthin, wo es unangenehm wird.
Dieser Linie bleibt sie auch in ihrem Romandebüt „Image“ treu. Mausolf wagt sich in düstere, gewaltvolle und oft auch eklige menschliche Abgründe vor. Sie macht vor scheinbar nichts halt – auch nicht vor Klischees. Etwa wenn sie über neureiche Vorstadt-Snobs, fanatische Jesus-Freaks und swingende Fetisch-Ehepaare schreibt oder über Koks schniefende Kunst-Schnösel und alkoholkranke Kneipendauergäste. Dabei gewährt die Autorin ihren Figuren kaum Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln oder andere Facetten zu entfalten. Der Säufer bleibt ein Säufer, die Kokserin eine Kokserin. Wirklich sympathisch kommt in „Image“ übrigens niemand rüber.
Und da ist noch etwas an den Romancharakteren, das beim Lesen für Unbehagen sorgt. Mit Ausnahme von Peggy und Martin, die beide aus finanziell gut gestellten Familien kommen, fristet ein Großteil der Figuren eine Art Randleben. Da ist zum Beispiel Peggys Verehrerin Veronique: eine übergewichtige, ungebildete und verarmte Alkoholikerin. Oder eben Olivia, die in ihrer Drogensucht nicht bemerkt, dass sie an „alles übertünchendem Mundgeruch“ leidet und die sich trotz des „stechenden Körpergeruchs“ für „unwiderstehlich“ und „fickbar“ hält.
Andere Eigenschaften scheinen sie nicht zu haben. Es bleibt bei einem andauernden „Igitt“-Moment, wodurch die Figuren eindimensional und fast wie ausgestellt wirken. Das fühlt sich an wie Sozial-Voyeurismus. Etwa nach dem Motto: „Guckt mal, wie eklig die sind.“
Instagram-Meme in Romanlänge
Mausolfs Roman ist – ebenso wie ihre Memes – als Abrechnung mit einem konservativen Deutschland angelegt, in dem eigentlich nette Nachbarn über Ausländer schimpfen und genervte Väter lieber Playstation spielen, anstatt sich um ihre Kinder zu kümmern. Wo junge Männer mit fast allem davonkommen, weil sie gut aussehen und Frauen es immer ein gutes Stück schwerer haben: „Image“ will eine bissige Gesellschaftssatire sein, bei der Lachen, Fremdscham und tiefe Bestürzung nah beieinander liegen.
Nur driftet das Ganze so sehr in Überspitzungen ab, dass die Charaktere wie Karikaturen dastehen. In der Kürze eines Instagram-Memes funktionieren solche Bilder offenbar. Auf etwas mehr als 250 Romanseiten wirken sie auf Dauer etwas ermüdend.