Marvin hat mit Sicherheit mit das größte Talent in der Dritten Liga. Aber er spielt jetzt sechs Halbserien Profifußball, und davon haben nur zwei in Essen funktioniert. Das gehört auch zur Wahrheit. Den Nachweis, über einen langen Zeitraum auf absolutem Top-Niveau spielen zu können, muss er erst erbringen. Er ist ein unfassbar guter Spieler. Aber allein jetzt die Vorbereitung zeigt, dass er erst mal unseren Rhythmus aufnehmen muss. Und noch mal: Bitte immer daran denken, wie die Situation hier war, als ich meine ersten Spiele gecoacht habe.
Sie meinen die heftige Kritik, die heutigen Leistungsträgern damals entgegenschlug?
Damals sind Spieler, die man heute als Raketen in der Dritten Liga sieht, beim Warmlaufen gnadenlos ausgelacht worden. Deswegen finde ich es völlig übertrieben, zu sagen: Wenn die Truppe nicht permanent unter den ersten zwei steht, dann ist irgendwas nicht richtig. Das habe ich auch einigen Fans gesagt.
Heißt das umgekehrt, dass es auch nur ein schmaler Grat ist, wenn es vielleicht mal zwei, drei Spiele nicht so gut läuft?
Ich kämpfe jeden Tag mit der Mannschaft für die Werte, die wir uns erarbeitet haben. Ich kämpfe jeden Tag dafür, dass sie in jedem Training abliefern, was wir uns im letzten halben Jahr erarbeitet haben. Da nehme ich meine Führungsspieler brutal in die Pflicht. Bis jetzt habe ich ein gutes Gefühl, weil die Mannschaft wieder dieselbe Mentalität an den Tag legt und die Neuzugänge sofort alles aufsaugen. Aber du weißt nie, was im Wettkampf passiert. So wenig wie du dir letztes Jahr im Januar vorstellen konntest, dass wir jetzt in dieser Gemengelage sind, so wenig kannst du dir vielleicht heute vorstellen, dass es im Dezember wieder ungemütlicher wird. Aber ich habe einen guten Eindruck, weil ich keinen einzigen Tag in der Vorbereitung das Gefühl hatte, die Mannschaft ist selbstverliebt und denkt, ohne Arbeit wird das schon so weitergehen. Und es ist trotzdem noch keine Garantie für einen guten Start.
Sie haben in der Vorbereitung viel mit der Viererabwehrkette gearbeitet. Ist das ein Fingerzeig auf einen Systemwechsel?
Nein, das will ich klar kommunizieren. Man kann unter zwei Gesichtspunkten eine Saison moderieren als Trainer. Einmal ist für dich das Spielsystem in Stein gemeißelt und du tauschst nur Personal aus. Das hat auch viel für sich. Aber ich glaube, es macht viel Sinn, eher in unterschiedlichen Spielsystemen unterwegs zu sein, um auf Gegnersituationen und unsere eigene Kaderkonstellation zu reagieren. Weil wir neue Typen hinzugewonnen haben, die vielleicht ein anderes System logisch machen können. Wenn etwa ein Profi unser Spiel auf seiner Position noch mal so viel besser macht, dass eine Umstellung einfach logisch wird. Und wenn du wie wir Außenverteidiger hast, die sich sowohl auf der Schiene als auch in der klassischen Viererkette wohlfühlen, dann bist du sehr systemflexibel.