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Die wirtschaftliche Lage macht auch dem EDAG-Standort in Fulda, hier die Reesbergstraße, zu schaffen. © Sabrina Mehler
Lange schien es, als könne sich der Engineering-Dienstleister EDAG am Standort Fulda dem allgemeinen Abschwung in der Automobilbranche noch entziehen. Doch mittlerweile spürt auch hier die Belegschaft erste Einschnitte. Hinzu kommt, dass die Gerüchteküche brodelt.
Fulda – Die aktuelle Wirtschaftslage sei sehr angespannt, insbesondere die Entwicklungen in der Automobilindustrie seien auch bei EDAG spürbar, bestätigt das Unternehmen in Fulda. Die rückläufige Nachfrage, verminderte Abrufe aus Rahmenverträgen und stockende Neuaufträge machen sich auch bei dem Engineering-Dienstleister bemerkbar. „Dies betrifft uns gleichermaßen wie unsere Marktbegleiter“, so Unternehmenssprecherin Sarah Dörge.
Kündigungen und brodelnde Gerüchte – Automobilkrise trifft EDAG
Zehn Kündigungen habe es nach ihren Angaben im laufenden Geschäftsjahr gegeben, bundesweit summieren sich die Personalmaßnahmen auf deutlich höhere Zahlen. Die IG Metall Fulda-Hanau spricht von 160 Kündigungen und 110 Aufhebungsverträgen im Rahmen eines Freiwilligenprogramms seit Februar.
Auch Kurzarbeit sei inzwischen ein Thema. Rund zehn Prozent der Belegschaft, das entspricht etwa 460 von 4500 Mitarbeitenden in Deutschland, befänden sich derzeit in Kurzarbeit. Die Auslastung variiere stark – zwischen fünf und zwanzig Tagen pro Monat, selten eine komplette Freistellung.
Die Geschäftsführung versucht gegenzusteuern – unter anderem mit einer seit längerem eingeleiteten Diversifizierungsstrategie. Das betreffe alle Standorte und sei wichtiger Bestandteil der Unternehmensausrichtung, erklärt Finanzvorstand Holger Merz gegenüber der Fuldaer Zeitung.
EDAG präsentierte sich erstmals auf Rüstungsmesse in Koblenz
Die EDAG will sich unabhängiger vom Automobilsektor aufstellen und setzt dabei verstärkt auf neue Geschäftsfelder: darunter Medizintechnik, erneuerbare Energien, Schienenverkehr – und Verteidigung. So habe sich das Unternehmen in diesem Jahr erstmals auf der Rüstungsmesse RÜ.NET in Koblenz präsentiert, berichtet Merz.
Das wiederum führt nun zu Spekulationen, die in der Barockstadt aktuell die Runde machen: Ob tatsächlich der Düsseldorfer Rüstungskonzern und Automobilzulieferer Rheinmetall bei EDAG einsteigen könnte, will das Unternehmen allerdings nicht kommentieren. An solchen Gerüchten beteilige man sich nicht, heißt es. Aus Gründen der Vertraulichkeit könne man auch keine Angaben zu Kunden oder Kooperationen im Bereich Defence machen.
Dass in diese Richtung spekuliert wird, hat durchaus einen realen Hintergrund: Rheinmetall will zum einen seinen zweiten Bereich, das zivile Automobilgeschäft, abspalten; zum anderen denkt der Konzern über zusätzliche Fertigungsstandorte auch in Deutschland nach. Auch dass die Düsseldorfer das Goodyear-Gelände in Fulda kaufen könnten, war bereits gemunkelt worden.
Weitere Entlassungen bei EDAG in Fulda nicht ausgeschlossen
Die IG Metall verfolgt derweil den Kurs der EDAG, sich auf weitere Branchen auszudehnen, mit gemischten Gefühlen. Julia Brandt, Generalsekretärin der IG Metall Hanau-Fulda, verweist auf hohe Einstiegshürden: In den Bereichen Defence und Medizin etwa müssten andere Zertifizierungsprozesse durchlaufen werden. Der Umbau werde daher schwierig.
Während die neue Ausrichtung anläuft, trifft der aktuelle Auftragsrückgang bereits erste Mitarbeitende. Dabei galt der Standort Fulda in der Vergangenheit als vergleichsweise stabil. Personalabbau fand meist anderswo statt. Nun, so Brandt, seien erstmals auch zentrale Bereiche in Fulda betroffen. Weitere Entlassungen sind nicht ausgeschlossen.
Holger Merz betont, dass die Marktentwicklungen an allen weltweiten Standorten kontinuierlich beobachtet würden. Wo eine dauerhaft positive Auslastungsprognose nicht gegeben sei, müssten potenzielle weitere Maßnahmen „evaluiert“ werden. Das erfolge in enger Abstimmung mit den Betriebsräten und auf der Basis „verhandelter Interessenausgleiche mit zugrunde liegendem Sozialplan.“
IG Metall erwartet im Oktober genaue Zahlen zum Stellenabbau
Konkret wird die IG-Metall-Generalsekretärin: Ihr zufolge plane das Unternehmen bundesweit zusätzliche 30 Kündigungen und bis zu 400 neue Aufhebungsverträge. Genaue Zahlen erwartet die IG Metall im Oktober. Gespräche über Alternativen – etwa die Einrichtung einer Transfergesellschaft, wie zuletzt am Standort Wolfsburg vom Betriebsrat angeregt – seien bislang nicht zustande gekommen.
Geschäftsführer Merz betont allerdings ausdrücklich: „Wir treffen diese Entscheidungen nicht leichtfertig und verstehen, dass sie für die Betroffenen eine belastende Situation bedeuten.“