Auch ein halbes Jahr, nachdem die öffentlich-rechtliche SRG ihre UKW-Sender in der Schweiz abgeschaltet hat, kochen die Emotionen hoch. Hintergrund sind die Hörerzahlen von Mediapulse. Knapp sechs Monate nach der UKW-Abschaltung weist die SRG in allen Sprachregionen einen Marktanteil von 53 Prozent aus. Das entspricht einem Rückgang um 6 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahreshalbjahr, als noch über UKW gesendet wurde. Ein Rückgang, den die SRG selbst als „im Rahmen der Erwartungen“ bezeichnet.
Schawinski: „Schweiz zerstört ihre Radiolandschaft“
Radiopionier und UKW-Abschaltgegner Roger Schawinski sieht das naturgemäß völlig anders. Er spricht in einem Gastbeitrag im Online-Magazin „Persönlich“ von „schockierenden Fakten“. Das „fatale Hornberger Schießen mit dem logisch nicht begründbaren totalen UKW-Verbot – als einzigem Land in Mitteleuropa übrigens – wird… zur Zerstörung der seit Jahrzehnten gewachsenen Radiolandschaft führen und den Auslandssendern Tür und Tor öffnen. Es wäre ein Fiasko der Schweizer Medienpolitik. Dies muss verhindert werden, und dazu ist es noch nicht zu spät“, schreibt der Chef des Züricher Privatsenders Radio 1.
UKW-Nutzung geht weiter zurück
Die Mehrzahl der UKW-Frequenzen in der Schweiz wurde abgeschaltet
Quelle: YouTube-Kanal Säntis, Screenshot: Michael Fuhr
So „schockierend“ können die Zahlen aber nicht sein, zumindest wenn es nach dem Bundesamt für Kommunikation (Bakom) geht, das jetzt neue Daten zur Radionutzung bei den Eidgenossen veröffentlicht hat. Kurz nach der UKW-Abschaltung der SRG hat sich die schweizweite Nutzung von Radio über das alte, analoge Radio bereits deutlich reduziert und macht nur noch 13 Prozent der gesamten Radionutzung aus. Radio werde in allen Regionen der Schweiz mehrheitlich digital konsumiert, mittlerweile erfolgen 87 Prozent der gesamten Radionutzung über digitale Empfangswege.
Besonders zu Hause sei digitales Radio der Standard, aber auch im Auto dominiere inzwischen die digitale Verbreitung: Zwar wird UKW dort noch zu rund einem Drittel genutzt, doch auch hier überwiegt der digitale Empfang deutlich. Nur noch 7 Prozent der Bevölkerung nutzen Radio ausschließlich über UKW. Demgegenüber stünden 45 Prozent der Bevölkerung, die ausschließlich digital Radio hören.
Die Zahlen zeigen also: Die digitale Radionutzung hat sich nicht nur etabliert, sondern auf hohem Niveau stabilisiert. Mit der zunehmenden Verbreitung DAB+-fähiger Geräte insbesondere in Neuwagen werde sich dieser Trend laut Bakom auch in Zukunft fortsetzen.
Rein digitale Privatsender profitieren von SRG-Abschaltung
Stellt sich dennoch die Frage, wohin die Hörer gewandert sind, welche die SRG verloren hat. Die Schweizer Presse berichtet, dass vor allem Privatsender, die noch auf UKW senden, und Sender aus dem Ausland von dem analogen Rückzug der SRG profitiert haben. Zumeist geht dies einher mit der Forderung, UKW doch über 2026 hinaus zu verlängern und die SRG sogar wieder zu einer Rückkehr auf UKW zu bewegen.
Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Was verschwiegen wird: Auch die privaten DAB+-only-Sender haben laut der aktuellen Mediapulse-Zahlen profitiert. Beinahe alle rein digital ausgestrahlten Programme haben große Schritte nach vorn gemacht. Die Privatsender Vintage Radio und Radio Melody sind in die Top 10 aller Schweizer Sender gesprungen (Plätze 8 und 10), Virgin Radio Rock auf Platz 11 und Flashback FM auf Platz 13 liegen dicht dahinter.
Es ist also anzunehmen, dass sich viele Schweizer nach dem UKW-Rückzug DAB+-Radios gekauft haben oder auf Webradio umgestiegen sind. Dabei hören einige aber aktuell nicht mehr (vorrangig) die SRG, sondern neue Programme. Fakten, die in dieser emotionalen Debatte bei den Eidgenossen leider völlig unter den Tisch gekehrt werden.
Unabhängige Sender warnen vor nochmaliger UKW-Verlängerung
Die Union nicht-gewinnorientierter Lokalradios (UNIKOM) warnt unterdessen vor einer nochmaligen UKW-Verlängerung. Neben der SRG sind auch einige der kleinen Lokalradios bereits aus Kostengründen aus UKW ausgestiegen. Sie sehen aber unfaire Bedingungen, sollten einzelne Privatradios mit ihrer Forderung nach Verlängerung der analogen Technologie durchkommen.
Ein Fortbestand von UKW ohne Ausschreibung würde Verfassung und Gesetz
widersprechen. Sie würde den regionalen UKW-Monopolisten ihre verbliebenen Pfründe
sichern und ihnen helfen, wenigstens die Schweizer Konkurrenz kleinzuhalten. Medien- und wettbewerbspolitisch sei das unhaltbar, so der Verband.
Die Zukunft des Radios hänge nicht von UKW ab, sondern von der Frage, wie lineares Radio
in einer On-Demand- und personalisierten Welt noch Relevanz entfalten kann. Entscheidend
sei nicht, wie lange UKW künstlich am Leben gehalten wird, sondern wie digitale Angebote
weiterentwickelt werden. Innovation brauche politische Unterstützung. „Wer lebensfähige
Radios will, muss sie auch ermöglichen“, so der UNIKOM.
Dennoch gibt es inzwischen eine Initiative aus der Politik: Nach Kritik von einigen Radioveranstaltern könnte UKW in der Schweiz nun doch auch über das Jahr 2026 hinaus weiterlaufen.
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