Englands Fußballerinnen haben den EM-Titel verteidigt. Das Team von Erfolgstrainerin Sarina Wiegman setzte sich am Sonntag im Endspiel des Turniers in der Schweiz gegen Weltmeister Spanien mit 3:1 im Elfmeterschießen durch. Nach regulärer Spielzeit und Verlängerung hatte es 1:1 (0:1, 1:1) gestanden.
Mariona Caldentey vom FC Arsenal brachte Spanien in Basel in Führung (25.), ihrer Teamkameradin vom Champions-League-Sieger, Alessia Russo, gelang nach dem Seitenwechsel der Ausgleich (57.). Im Elfmeterschießen zeigten die Britinnen dann wie bereits im Viertelfinale gegen Schweden die besseren Nerven.
Den „Lionesses“ gelang damit auch die Revanche für die 0:1-Niederlage im WM-Finale vor zwei Jahren in Sydney. Und Wiegman feierte ihren Europameisterschafts-Hattrick. Nach dem Titel 2017 mit den Niederlanden holte sie die Trophäe nun zweimal in Folge mit England. Das hatte zuvor nur Tina Theune mit Deutschland geschafft (1997, 2001, 2005).
Englands Trainerin Sarina Wiegman hat mit ihrem dritten EM-Titel allen Kritikern getrotzt.
Wiegman: „Das chaotischste Turnier, das ich je erlebt habe“
„Ich kann es einfach überhaupt noch nicht glauben“, sagte Wiegman, die mit Blick auf die 1:2-Niederlage im Auftaktspiel gegen Frankreich sowie das Beinahe-Aus im Viertel- und Halbfinale ergänzte: „Es war das chaotischste Turnier, das ich jemals auf dem Spielfeld erlebt habe.“
„Ich bin so wahnsinnig stolz auf dieses Team und so dankbar, dass ich hier stehen darf“, sagte Chloe Kelly, die den letzten Elfmeter verwandelte. Die Angreiferin kündigte eine rauschende Partynacht der „Queens of Europe“ an: „Es wird einfach unglaublich. Ich hoffe, dass ganz England rauskommt, mit uns feiert und einfach zeigt, wie groß die Liebe für dieses Team ist.“
Russo und Hemp vergeben englische Führung
Die 34.250 Fans im ausverkauften St. Jakob-Park sahen von Beginn an eine packende Partie, in der beide Teams mit enormer Intensität zu Werke gingen. Spanien sah sich dabei in seinem sechsten Turnierspiel erstmals einem Gegner entgegen, der nicht nur kompakt in der Deckung stand und auf Umschaltmomente wartete, sondern zunächst aggressiv anlief.
Lauren Hemp (M.) vergab die große Chance zur englischen Führung.
Eine Herangehensweise, mit der die Ibererinnen so ihre Schwierigkeiten hatten. So spielte Keeperin Cata Coll in der 19. Minute in Bedrängnis einen Pass direkt in die Füße von Lauren Hemp, die mit ihrem Schuss dann aber an der Schlussfrau scheiterte. Schon kurz nach dem Anpfiff hatte Coll mit einer beinahe identischen Parade gegen Russo das 0:1 verhindert (3.).
Caldentey bringt Spanien mit Kopfball in Führung
Die „Lionesses“ hätten in der Anfangsphase also zwei Treffer gegen defensiv zunächst anfällige Spanierinnen erzielen können. Vielleicht sogar müssen. Aber zur englischen Wahrheit gehört auch, dass die Wiegman-Elf auch vor dem Gegentor durch Caldentey schon mit 0:3 in Rückstand hätte liegen können. Esther González (9., 11.) und Caldentey (21.) besaßen gute Chancen für die Weltmeisterinnen, die mit zunehmender Spieldauer immer dominanter wurden.
Und Tormöglichkeit Nummer vier führte dann auch zum 1:0. Nach einem Angriff über die rechte Seite, bei dem die Engländerinnen etwas zu passiv verteidigten, kam der Ball zu Ona Batlle, deren perfekte Flanke Caldentey schulbuchmäßig gegen die Laufrichtung von Keeperin Hannah Hampton ins Eck köpfte.
England hatte bis zu dieser 25. Minute die besseren Chancen – aber Caldentey macht das 1:0.
England verliert nach Rückstand die spielerische Linie
Nach der Führung hatten die Spanierinnen das Geschehen gegen nun fast nur noch reagierende Engländerinnen bis zur Pause klar unter Kontrolle. Der Titelverteidiger, bei dem Angreiferin Lauren James noch vor der Halbzeit verletzt ausgewechselt werden musste (41.), versuchte vergeblich, wieder die Stabilität und Struktur der Anfangsphase in sein Spiel zu bringen. Die Pause kam den Britinnen fraglos gelegen, um sich etwas sammeln zu können und eine Idee auszutüfteln, wie der „Roten Furie“ beizukommen ist.
Russo trifft wie aus dem Nichts zum Ausgleich
Zunächst deutete nach dem Seitenwechsel aber nichts auf ein Comeback Englands hin. Die Wiegman-Schützlinge sahen sich zunächst weiter einem spanischen Angriff nach dem anderen entgegen und hatten Fortune, dass der Kontrahent zwar gefällig kombinierte, aber unkonzentriert abschloss.
Und so lag der Ball plötzlich wie aus dem häufig zitierten Nichts im spanischen Tor. Nach dem ersten strukturierten Angriff seit Mitte des ersten Abschnitts konnte die für James eingewechselte Kelly ohne nennenswerten Gegnerdruck auf Russo flanken, die per Kopf zum 1:1 traf.
„Lionesses“ mit Verlängerungs-Hattrick
Der Ausgleich beflügelte die Engländerinnen merklich. Plötzlich waren der Mut und Mumm der Anfangsphase bei den „Lionesses“ wieder da. Kelly, wie bei ihren vorigen Einwechslungen, erneut ein sehr belebender Faktor, verfehlte in der 69. Minute mit einem Linksschuss nur um Haaresbreite die Führung für den Titelverteidiger.
Aber auch Spanien hatte eine „Jokerin“, die sofort Akzente setzte: Die kurz zuvor für Alexia Putellas eingewechselte Claudia Pina scheiterte mit einem satten Linksschuss an Hampton (74.). In der Schlussphase drängten die Ibererinnen zwar noch mit Vehemenz auf das 2:1, agierten aber nicht zwingend genug. So ging es in die Verlängerung – für England übrigens zum dritten Mal in Folge in der K.o.-Phase bei der Endrunde in der Schweiz. Spanien hatte zuvor nur im Halbfinale gegen Deutschland (1:0) in die Overtime müssen.
Paralluelo in der Verlängerung verhinderte Heldin
In der Verlängerung blieben Strafraumszenen Mangelware. Kurz vor dem Ende der ersten Hälfte hätte Salma Paralluelo dann jedoch freistehend aus wenigen Metern das 2:1 erzielen müssen, schlug aber überhastet ein Luftloch (105.+1). Bald darauf vergab die eingewechselte Angreiferin eine weitere Chance (111.). Von den Engländerinnen kam nicht mehr viel. Es schien beinahe so, als wolle sich der Titelverteidiger nur ins Elfmeterschießen retten. Und dies gelang schließlich auch.
Hampton wird zur „Hexerin“
Die Nervenschlacht in Basel steuerte also ihrem Höhepunkt zu. Und in diesem wurde Hampton mit zwei parierten Elfmetern gegen Caldentey und Aitana Bonmatí zur Heldin. Zudem schoß Paralluelo ihren Versuch links vorbei. Beim Titelverteidiger scheiterten in Beth Mead und Leah Williamson zwar auch zwei Schützinnen, doch die erfolgreichen Penaltys von Alex Greenwood, Niamh Charles und Kelly reichten am Ende zum erneuten Triumph.
Der Rest war grenzenloser englischer Jubel und große Trauer auf Seiten der Spanierinnen. „Ich habe das Gefühl, dass wir eigentlich mehr verdient gehabt hätten. Wir hatten unheimlich viele Chancen“, sagte Kapitänin Irene Paredes. Die 34-Jährige zog trotz des haarscharf verpassten EM-Sieges aber ein positives Fazit: „Jetzt bin sehr traurig, aber insgesamt bin ich unheimlich stolz darüber, was wir erreicht haben.“