Extremsportlerin Margit Schreiber
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„Es ist auch für mich immer noch unfassbar, dass ich es wirklich geschafft habe“
IMAGO / Lobeca
Audio: rbb 88.8 | 22.07.2025 | David Klevenow | Bild: IMAGO / Lobeca
Margit Schreiber ist 62 Jahre alt – und topfit. Kürzlich hat die Berlinerin einen zehnfachen Ironman absolviert. Im Interview spricht sie über morgendliche 30-Kilometer-Läufe, Verpflegung im Schwimmbecken und Störche am Streckenrand.
rbb: Frau Schreiber, was Sie machen, ist für eine 62-Jährige nicht gerade gewöhnlich: Vor rund zwei Wochen haben Sie im Elsass bei einem Extremwettbewerb einen Ultratriathlon absolviert. Wie fühlen Sie sich?
Margit Schreiber: Ein bisschen ausgeruhter und erholter, es ist aber noch nicht alles wieder beim Alten.
Insgesamt zwölf Tage waren Sie beim „Bretzel Ultra Triathlon“, einem zehnfachen Ironman, in Colmar unterwegs. 38 Kilometer Schwimmen, 1.800 Kilometer Radfahren, 422 Kilometer Laufen – für Sie ist das aber völlig normal, oder?
Ja. Das hat mega viel Spaß gemacht und ich habe mir damit einen Traum erfüllt. Es ist auch für mich immer noch unfassbar, dass ich es wirklich geschafft habe. Ich habe es mir zwar gewünscht, aber Wünsche müssen ja nicht immer in Erfüllung gehen. Meinen Deca-Traum konnte ich realisieren.
Warum mache ich das? Weil ich Spaß an der Bewegung habe und den Kontakt mit anderen liebe. Das war im Prinzip ein Wiedersehen mit Freunden aus der ganzen Welt, wirklich schön. Natürlich ist es aber auch viel Arbeit bis dahin, der Weg ist das Ziel. Ich liebe das einfach. Zumal ich diese zwölf Tage einfach Zeit für mich hatte – das ist im normalen Leben bei mir nicht immer so.
Und trotzdem ist es ja eine wahnsinnige Kraftanstrengung. Wie schafft man das?
Man muss sich im Vorfeld wirklich gut vorbereiten – das braucht Jahre Vorlauf. Ich habe 2011 mit dem Triathlon angefangen. Meine erste Distanz war eine Mitteldistanz mit zwei Kilometern Schwimmen, 90 Kilometern Radfahren und 21 Kilometern Laufen.
Im Ultra-Bereich bin ich seit 2017: Angefangen habe ich mit 7,6 Kilometern Schwimmen, 360 Kilometern Radfahren und 84 Kilometern Laufen. Das hat gut geklappt und so habe ich mich an den Deca rangehangelt.
Wichtig ist dafür natürlich die körperliche Verfassung und das Training. Wie wichtig ist aber auch die Unterstützung von Familie und Freunden?
Das ist ganz wichtig. Es muss wirklich von allen akzeptiert werden. Ganz besonders schwierig ist es in einer Partnerschaft. Mein Mann ist auch Athlet, war im gleichen Rennen in einer anderen Streckenlänge unterwegs. Wenn man das nicht gemeinsam stemmen kann, klappt es nicht – oder die Beziehung geht dabei drauf. Bei uns klappt es gut. Viele Sachen machen wir gemeinsam und manche eben alleine.
Wir haben schon über die Streckenlängen gesprochen. Das klingt insgesamt nach: einmal Deutschland runter, einmal wieder hoch und nochmal runter – aber so war das ja nicht. Wie läuft so ein Wettkampf eigentlich ab?
Die 38 Kilometer Schwimmen fanden in einem 50-Meter-Pool statt. Auf der einen Seite haben die Bahnen-Zähler gesessen, auf der anderen Seite durfte man vom Team verpflegt werden: mit Getränken, Bananen und Äpfeln, die man vom Beckenrand in den Mund stecken kann – bis hin zum richtigen Essen in Form eines Caterings. Da gab es Mittag- und Abendessen. Man muss richtig essen, bei Gels oder so etwas kriegt man eigentlich nur das kalte Grausen.
Es gab also ausgedehnte Pausen.
Ausgedehnt ist relativ, das waren etwa zehn Minuten. Das Team hat mir das Essen geholt, ich bin raus, habe mich hingesetzt, gegessen, die Badekappe wieder aufgesetzt und weiter geht’s.
Margit Schreiber, Extremsportlerin
Und wie liefen das Radfahren und Laufen ab?
Das Radfahren war auf einer 8,75-Kilometer-Runde. Da musste ich 205 Runden fahren. Da kriegt man erstmal einen Schreck. Man macht es sich aber schön. Wenn ich morgens um 4 Uhr losfahre und den Sonnenaufgang sehe, ist es einfach toll. Nach drei Runden hat man den Sonnenaufgang hinter sich, dann fängt es an, warm zu werden und dann stehen da Störche, Weinbauern und Obstpflücker. Man sieht da alles Mögliche, wodurch die Zeit relativ schnell vergeht und schon ist es Mittag.
Abends werden die Weinberge angeleuchtet und es kehrt Ruhe ein, wenn die Sonne untergeht. Ich habe mit der Dunkelheit immer aufgehört, weil ich kein Nachtfahrer und keine Nachtläuferin bin. Gegen 22:30 Uhr habe ich aufgehört, geduscht, etwas gegessen und bin ins Bett gegangen. Um 3:30 Uhr hat der Wecker dann wieder geklingelt.
Welche Herausforderungen müssen Sie bei einem solchen Extremwettbewerb bewältigen?
Ganz speziell fällt mir nichts ein. Ich bin ja schon eine Weile beim Sport und Triathlon und habe für viele Eventualitäten vorgesorgt: Magentropfen, falls einem doch mal schlecht wird, Tape-Pflaster oder Sonnencreme. All das haben wir dabei. Mir ist auf dem Weg nichts passiert. Ich hatte zwar einen Unfall, als mir jemand ins Rad gefahren ist und ich gestürzt bin. Ich konnte danach aber schmerzfrei weiterfahren und -laufen. Das war kein Grund abzubrechen.
Sie sind voll berufstätig und langweilen sich auch privat sicher nicht. Wie bereiten Sie sich ausreichend auf solche Abenteuer vor?
Ich muss leider korrigieren: Ich bin halbtags beschäftigt und den anderen guten halben Tag für unsere schwerbehinderte Tochter da, die Unterstützung braucht. Mein Wecker klingelt um 4 Uhr, sodass ich um 5 Uhr in den Schuhen stecke, über 30 Kilometer laufe, dusche und zur Arbeit gehe. Anders geht es nicht. Das hat eigentlich immer gut geklappt. Kleine Tempoläufe kommen immer noch dazu.
Ich habe zehn Wochen lang ein Mal pro Woche einen langen Lauf gemacht. Als ich im März angefangen habe, war es morgens um fünf noch dunkel, da bin ich mit Stirnlampe gelaufen. Das muss man mögen und wollen.
Manche Menschen finden Sport nicht nur anstrengend, sondern ätzend und müssen sich dazu regelrecht durchringen. Sie sind als Extremsportlerin das komplette Gegenteil. Wann sind Sie eigentlich in diese Spirale gekommen?
Ich habe im Alter von drei Jahren schwimmen gelernt, war im Schwimmverein und viele Jahre „nur“ schwimmerisch aktiv – erst im Becken, später auch im Freiwasser. Ich bin den Ärmelkanal und die Straße von Gibraltar geschwommen. Das waren ganz tolle Erlebnisse. Als ich meinen Mann kennen gelernt habe, haben wir gesagt: Es muss sich irgendetwas ändern. Er kann nicht nur auf dem Fahrrad sein und ich nicht nur im Schwimmbad. Also sind wir zusammen beim Triathlon gelandet. Der Sport gehört zu unserem Leben wie das Zähneputzen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte David Klevenow, rbb 88.8. Bei dem Text handelt es sich um eine gekürzte und redigierte Fassung des Gesprächs.
Sendung: rbb 88.8, 22.07.2025, 18:15 Uhr