Thái Công Quách kam als Neunjähriger mit seiner Familie aus Vietnam nach Deutschland. In Hamburg legte er die Grundsteine für seinen Erfolg. Inzwischen ist der 53-Jährige als Interieur-Designer für Superreiche ein Superstar – nicht nur in Asien.
Für weniger als eine Million Dollar macht es Thái Công Quách nicht. So hoch muss der Umsatz sein, zu dem sich seine Kunden verpflichten – Minimum. Erst wenn der Vertrag unterschrieben, eine 25-Prozent-Anzahlung geleistet ist und das Team den potenziellen Kunden kennengelernt hat, tritt der 53-Jährige selbst auf den Plan.
Thái Công, wie ihn alle nur nennen, ist Interieur-Designer der Superreichen, eine Stilikone, in Vietnam so etwas wie ein Superstar, vielleicht sogar weltweit. Zumindest wird er von Landsleuten erkannt, egal ob er in seinem Porsche Cabrio mit den roten Ledersitzen durch die Straßen von Saigon fährt, die Fifth Avenue in New York entlangschlendert, im „Four Seasons“ in Sydney absteigt oder in Tokio weilt. Passanten raunen seinen Namen, bitten um Selfies mit ihm.
Auch die Hamburger kennen Thái Công – oder zumindest seinen Laden am Eppendorfer Weg in Hoheluft-West. Da, wo er einst Lampen für 300 Euro verkaufte. Ein Betrag, über den der 53-Jährige heute nur müde lächeln kann. „Von den etwa 100 Millionen Einwohnern Vietnams können sich mich gerade mal 0,01 Prozent leisten“, sagt er WELT AM SONNTAG am Telefon. Es klingt nicht überheblich oder arrogant, wenn er das sagt, sondern nach einer Beschreibung von Fakten. Ihren Anfang nahm Thái Côngs Karriere in Hamburg, auch wenn sie vielleicht schon in seiner Kindheit in Vietnam vorgezeichnet war. Seine Eltern produzierten Haarspray und Shampoo, seine Mutter war Friseurin. „Ich bin in einer Familie groß geworden, die sehr viel mit schönen Dingen zu tun hatte“, sagt er.
Der Beginn der Karriere in Hamburg
1981 entschloss sich die Familie, nach Deutschland auszuwandern. Der Neunjährige hatte da bereits ein Jahr lang mit einem Privatlehrer in Vietnam die deutsche Sprache gelernt. „Für mich als Kind war das wie eine Abenteuerreise. Wir kamen am 24. Dezember 1981 in Deutschland an. Da habe ich zum ersten Mal Schnee gesehen“, erinnert er sich.
Die erste Zeit verbringt er mit seinen Eltern, denen er in seinem 2002 erschienen Bildband „My Parents: An Hommage to Fashion, Photography and Life“ ein glamouröses Denkmal gesetzt hat, in der Nähe von Hannover. Dann zieht die Familie nach Hamburg.
Thái Công spricht nicht so gern von der Vergangenheit. „Es sind immer die gleichen Fragen, und es liegt so weit zurück“, sagt er freundlich aber bestimmt und beginnt dann doch Teile seiner Geschichte zu erzählen – so wie er sie erzählt haben möchte. Wie er nach der Schule an der privaten Akademie JAK Modedesign studierte, als Fashion Stylist für Magazine und Werbung arbeitete. Wie ihn schon seine Direktorin auswählte, nicht nur seine Kreationen auszustellen, sondern sie zu präsentieren, als „Installation“, wie er es nennt.
Seit Jahrzehnten arbeitet Thái Công auch als Fotograf. Er hat einen Blick für die schönen Dinge und weiß sie in Szene zu setzen. Für ihn ist jeder Moment eine Inspirationsquelle. Da hält er es wie Karl Lagerfeld, der einst abfällig feststellte, dass die meisten Menschen arbeiteten, um dann Urlaub zu machen. „Für mich sind Arbeiten und Urlaub machen eins, und das ist ein Hauptgewinn“, sagt Thái Công. Ganz wie Karl Lagerfeld eben.
Er gibt sich nicht mit Mittelmäßigkeit ab und weiß seine Chancen zu nutzen, die sich ihm, so sagt er es selbst, immer wieder auf dem goldenen Tablett präsentiert haben. „Ich habe mir meinen Beruf nicht ausgesucht, er hat mich ausgesucht“, erzählt er.
Er lebt nach einem 300-Prozent-Prinzip. Um das zu erreichen, benötige es 100 Prozent Perfektion des Materials, 100 Prozent perfekte Verarbeitung, 100 Prozent perfektes Design. Für ihn bedeutet dieses Prinzip auch 300-Prozent-Nachhaltigkeit. „Damit bewahrt man die Kultur und schützt das Klima“, sagt er. Dass sich nicht jeder einen Cashmere-Schal oder ein zehnteiliges Louis-Vuitton-Reiseset leisten kann, auch wenn beides aufgrund der Qualität lange halten würde, lässt er außen vor.
„Kiến thức, kinh nghiệm và trải nghiệm“, was so viel bedeutet wie: „Wissen, Erfahrung und Erleben“, lautet ein weiterer Dreiklang in seinem Leben. „Für mich stehen diese drei Begriffe für drei entscheidende Ebenen des Lernens: Wissen ist das, was man sich aneignet. Erfahrung ist das, was man sich im Leben erarbeitet. Und Erleben ist das, was man wirklich selbst gespürt, gefühlt und durchlebt hat“, erklärt er und führt dies an Beispielen aus.
„Um einen Wein zu beschreiben, reicht Wissen allein nicht aus – man muss viele Weine probiert haben, und den Moment, das Aroma, die Stimmung selbst erlebt haben, um ihn wirklich zu verstehen. Genauso bei einem Kleidungsstück.“ Für ihn bleibt Wissen ohne Erfahrung oberflächlich, Erfahrung ohne Erleben technisch und Erleben ohne Wissen zufällig.
Thái Công liebt das Neue und schätzt die Kontrolle, wählt sorgsam aus, was er tut, mit wem er sich umgibt und auch, was er isst. „Ich habe eine wahnsinnige Angst, dick zu werden, deswegen achte ich auf meine Ernährung und deswegen trainiere ich täglich“, erzählt er. Mit zwei unterschiedlichen Trainern. „Einer wäre mir zu langweilig.“ Wenn er sündigt, dann muss es sich lohnen – keine billigen Chips, sondern solche mit Trüffel, kein Null-Acht-15-Sushi, sondern eines mit feinstem Fisch. Der Reis mache schließlich furchtbar dick.
Thái Công lebt in Superlativen, mit Superlativen. Das gilt auch für seine Arbeit. Er richtet seinen Kunden ihre Wohnungen oder Häuser nicht ein, er inszeniert sie. Da werden Räume ganz neu aufgeteilt, neue Grundrisse entstehen, Thái Công wählt Fußböden, Wandbeschaffenheiten aus, dann erst geht es an die Auswahl der Möbel und deren Platzierungen. Die müssen alle bei Thái Công gekauft werden. Davor allerdings muss er die Bedürfnisse seiner Kunden kennen.
Vietnam: ein Land voll neuer Millionäre
„Ich frage, wo und wie sie Urlaub machen, welche Hotels sie buchen, ob sie Personal haben, das im Haus lebt, wie viele Schuhe die Garderobe ausmachen, ob zu Hause gearbeitet oder auch trainiert wird.“ Das ist die Kundschaft, die Thái Công hat, seit mittlerweile mehr als zwölf Jahren in Vietnam. In Hamburg fühlte er sich kreativ nicht mehr herausgefordert. „Da habe ich Vietnam entdeckt — ein Land voller Energie, voller Erfolgsgeschichten, voller neuer Millionäre. Menschen, die alles haben — aber oft noch auf der Suche sind nach etwas, das man mit Geld allein nicht kaufen kann: Stil, Persönlichkeit, Identität.“ Dabei hilft er ihnen nun.
Seitdem hat Thái Công sein Imperium stetig ausgebaut, allein in Vietnam hat er 70 Mitarbeiter. Seine Verbindung zu Hamburg ist geblieben: Im vergangenen Jahr heiratete er hier, im Hotel Vierjahreszeiten, seinen Partner Huy Yves, das Ladengeschäft im Eppendorfer Weg nutzt er noch als Büro.
Der Preis, den er dafür zahlt, ist absolute Öffentlichkeit über Social Media, als Gesicht für Werbung für grünen Tee und Kartoffelchips. Gerade ist in Vietnam ein Film in die Kinos gekommen, in dem er und sein Mann mitspielen. Er hat die kreative Leitung eines riesigen Immobilienprojektes mit Wohnungen, Shopping-Mall und Hotels übernommen, arbeitet an einem neuen Buch und ist von einer Porzellanfirma für ein Design für eine ihrer Kollektionen angefragt. „Ich lebe das Leben, das sich die Menschen für sich wünschen“, sagt Thái Công und meint damit wohl nicht ausschließlich seine Kunden.
Britta Schmeis