Hamburg testet als erste Stadt in Deutschland ein sogenanntes „Moving Block“-System im U-Bahn-Betrieb. Die Technik soll auf der meistbefahrenen U-Bahn-Strecke der Stadt einen besonders engen Takt ermöglichen. Die U-Bahnen orientieren sich dabei aneinander.

Ein kurzer Ruck geht durch den Waggon, als die U-Bahn zwischen Berne und Oldenfelde abbremst. Nicht abrupt, aber spürbar, als hätte jemand etwas zu fest auf die Bremse getreten – wie ein Fahrschüler in den ersten Fahrstunden. „Wir bremsen nicht ganz perfekt auf den Haltepunkt zu“, räumt Projektleiter Jan Bremen ein. „Das ist einer der Gründe, wieso wir uns noch ein ganzes Jahr Zeit nehmen, bevor wir mit dem System in den Betrieb gehen.“

Was hier getestet wird, ist Teil eines hochmodernen Projekts, das den Hamburger U-Bahn-Verkehr grundlegend verändern soll. „Moving Blocks“ heißt die Technik, die künftig auf den Linien U2 und U4 einen 100-Sekunden-Takt ermöglichen soll. Derzeit ist der geringste Abstand 150 Sekunden, also zweieinhalb Minuten. Es wäre ein wichtiger Kapazitätsausbau für die meistgenutzten U-Bahnstrecken der Stadt.

Der Begriff „Moving Blocks“ beschreibt Fahrten, in der sich Bahnen nicht an festen Haltepunkten und Bremsbereichen orientieren, sondern sich fast wie im Straßenverkehr danach richten, wo die U-Bahn vor ihnen tatsächlich fährt oder steht. Und das bereits automatisiert. Der U-Bahnfahrer greift ihn die Fahrten nicht ein.

Die „Moving Blocks“ sind für deutsche Schienen ein Novum. Um das System unter realen Bedingungen erproben zu können, hat die Hochbahn eine rund zwei Kilometer lange Teststrecke zwischen den Haltestellen Berne und Oldenfelde eingerichtet. Hier fahren seit zwei Jahren mit dem CBTC-System (Communication-Based Train Control) ausgerüstete Züge – zunächst einzeln, inzwischen auch im Verbund.

Außerhalb der Teststrecke fahren die U-Bahnen der Hochbahn aktuell „auf einem System mit festen Blockabständen“, erklärt Bremen. „In jedem dieser Blöcke darf sich nur ein Zug befinden. Das garantiert Sicherheit, limitiert aber die Taktung.“ Die konventionelle Technik basiert auf sogenannten Fixblöcken – Abschnitten von durchschnittlich 600 bis 800 Metern Länge, die jeweils nur von einem Zug befahren werden dürfen. „Wenn auch nur das letzte Ende eines Zuges noch im Block ist, muss der nächste warten“, so Bremen.

Mit „Moving Blocks“ wird dieser starre Abstand durch einen dynamischen ersetzt. Jeder Zug sendet fortlaufend seine Position und Geschwindigkeit an einen zentralen Rechner, der individuelle Fahrbefehle zurückschickt, also über bremsen oder beschleunigen entscheidet. So können die Züge dichter aufeinanderfolgen als im heutigen System mit den mehreren hundert Meter langen Abschnitten.

Das System reagiert in Echtzeit: Fährt der vordere Zug fünf Meter weiter, darf der hintere ebenfalls fünf Meter vorrücken. „Ein deutlich moderneres System“, sagt Bremen, „das eine echte Alternative zur Materialschlacht darstellt.“ Denn: Eine theoretische Möglichkeit wäre gewesen, die Anzahl der Signale zu erhöhen und die Blöcke zu verkürzen – eine sogenannte Blockverdichtung. Doch das hätte bedeutet, „sehr viel Material zusätzlich in die Tunnel zu bringen“, sagt Bremen. „Das wäre deutlich aufwendiger und sehr viel analoger gewesen.“

Die Technik steckt in den Details: Zwei neue Computer, acht Antennen, elf Kilometer Kabel und eine Menge Software wurden in die Fahrzeuge eingebaut. 40 Züge des Typs DT5 sind bereits umgerüstet. Die übrigen rund 120 folgen sukzessive. „Wir nehmen die Fahrzeuge für drei Wochen aus dem Betrieb, rüsten sie um und schicken sie wieder raus“, erklärt Bremen.

Personal bleibt an Bord

Die DT4-Fahrzeuge, deren Umrüstung sich wirtschaftlich nicht mehr lohnt und die in der Zukunft schrittweise vom DT6 abgelöst werden, kommen auf den automatisierten Strecken nicht mehr zum Einsatz. Die DT6-Fahrzeuge werden ab Werk mit dem CBTC-System ausgestattet sein. Bis zum Start des Betriebs auf der U2 und U4 fahren die umgerüsteten U-Bahnen noch mit deaktiviertem System.

Doch auch nach der Einschaltung wird sich manches nicht ändern. Trotz Automatisierung bleibt das Fahrpersonal an Bord. „Unsere Fahrerinnen und Fahrer sind weiterhin das Gesicht der U-Bahn“, betont Sven Möller, Betriebsleiter der U-Bahn bei der Hochbahn. Sie starten die Fahrt, überwachen den Betrieb und übernehmen bei Bedarf.

Besonders anspruchsvoll: Die Fahrer müssen künftig zwei Systeme beherrschen – das neue teilautomatische und das konventionelle. Denn zunächst werden nur die Teile der U2 und U4-Strecke umgerüstet, wo beide U-Bahnen die gleichen Ziele bedienen. In den Außenbereichen der Linie U2 bleibt alles beim alten System. „Das macht es komplex, aber auch besonders“, sagt Möller. Auch die Betriebszentrale muss umdenken: Das Leitsystem wird angepasst, die Mitarbeitenden geschult. „Es sieht so simpel aus“, sagt Möller, „aber es steckt weit mehr dahinter.“

Die Einführung erfolgt schrittweise. Ende 2027 soll das System zunächst auf der Stammstrecke von U2 und U4 zwischen den Haltestellen Horner Rennbahn und Jungfernstieg technisch umgesetzt werden. Bis 2030 soll das System auf der gesamten Strecke bis Mümmelmannsberg laufen. Die Hochbahn rechnet mit einer Kapazitätssteigerung von 50 Prozent – von 20.000 auf 30.000 Fahrgäste pro Stunde. Das Investitionsvolumen beträgt rund 200 Millionen Euro – eine Summe, für die die Hochbahn auch auf Bundesförderung hofft.

Redakteurin Julia Witte genannt Vedder arbeitet in der Hamburg-Redaktion von WELT und WELT AM SONNTAG. Seit 2011 berichtet sie über Hamburger Politik. Einer ihrer Schwerpunkte ist die Verkehrspolitik.