Homo antecessor war Kannibale
Urzeit-Menschen aßen sogar Kleinkinder

28.07.2025, 15:36 Uhr

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Makaberer Fund in Spanien: In einer Höhle entdecken Archäologen Beweise für systematischen Kannibalismus bei einem Vorfahren des Menschen, der vor etwa 850.000 Jahren lebte. Besonders erschreckend: Selbst Kinder wurden wie Beutetiere zerlegt.

Archäologen haben im Norden Spaniens eine sensationell schaurige Entdeckung gemacht, die ein düsteres Kapitel der Menschheitsgeschichte beleuchtet: In der berühmten Fundstätte Gran Dolina in der Sierra de Atapuerca stießen Forscher auf Belege für frühen Kannibalismus bei unserem Vorfahren Homo antecessor. Und offenbar standen vor fast 850.000 Jahren selbst kleine Kinder auf dem Speiseplan.

Atapuerca ist einer der bedeutendsten archäologischen Standorte Europas.

Atapuerca ist einer der bedeutendsten archäologischen Standorte Europas.

(Foto: picture alliance / Prisma Archivo)

In der Gran-Dolina-Höhle von Atapuerca entdeckte das Team um die Paläoanthropologin Palmira Saladié die Überreste eines zwei- bis fünfjährigen Kindes, das offenbar von seinen Artgenossen systematisch zerlegt und gegessen wurde. Besonders makaber: Die Schnittspuren an den Halswirbeln des Kindes deuten auf eine gezielte Enthauptung hin – mit anatomischer Präzision. „Dieses Frühmenschenkind wurde wie ein Tier zerlegt – verarbeitet wie jede andere Beute“, sagt Saladié laut Mitteilung des spanischen Instituts für menschliche Paläoökologie und Evolution (IPHES). „Die Schnitte an der Halswirbelsäule liegen genau dort, wo man den Kopf am effizientesten entfernt.“

Menschliches Fleisch als Teil des Speiseplans

Neben dem kleinen Kind wurden auch die Überreste von zehn weiteren Individuen entdeckt. Bei der Analyse der Knochen fanden die Forschenden Schnittkerben, Bissspuren und zertrümmerte Markknochen – alles Indizien, dass sie als Nahrungsquelle dienten. Laut dem Team weist insgesamt ein Drittel der in der Gran-Dolina-Höhle gefundenen Skelette deutliche Spuren von Kannibalismus auf. „Wir sehen hier ein Verhalten, das sich wiederholt – keine Ausnahme, sondern offenbar Teil ihrer Lebensweise“, sagt Saladié.

Warum der Homo antecessor zu diesen drastischen Mitteln griff, ist noch offen. Möglich sind Nahrungsknappheit, aber auch territoriale Konflikte oder rituelle Praktiken, so die Forschenden. Fest steht: Kannibalismus war für diesen Frühmenschen offenbar kein Tabu, sondern gelebte Realität.

Die dunkle Seite der Evolution

Der Homo antecessor lebte vor rund 800.000 bis eine Million Jahren in Europa und gilt als Vorfahr sowohl des Neandertalers als auch des modernen Menschen. Die Entdeckungen in den Gran-Dolina-Höhlen werfen ein neues Licht auf die Lebensweise der frühen Menschen und fordern bestehende Vorstellungen über ihr Verhalten. „Jedes Jahr entdecken wir hier neue Funde, die uns zwingen, unsere Vorstellungen davon zu revidieren, wie diese Frühmenschen lebten, starben und wie sie ihre Toten vor fast einer Million Jahren behandelten“, so Saladié.

Der jüngste Fund zeigt dem Forschungsteam zufolge eindringlich: Die Anfänge der Menschheit waren nicht nur von Jagd, Feuer und Werkzeugen geprägt – sondern auch von Hungersnot, Gewalt und Konflikten. Die Forschenden hoffen, dass zukünftige Ausgrabungen weitere wichtige Puzzleteile für das Verständnis der frühen Menschheitsgeschichte liefern werden.