Der Handelskrieg zwischen den USA und der EU ist abgewendet. Beide Seiten haben sich am Sonntag auf eine Grundsatzvereinbarung zur Entschärfung des seit Monaten andauernden Zollkonflikts geeinigt.
Das ist das Ergebnis eines Spitzengespräches von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Donald Trump am Sonntag in Schottland. „Wir haben eine Einigung erzielt. Es ist ein gutes Abkommen für alle“, sagte Trump unmittelbar nach dem Treffen.
Details zum Deal wurden zunächst nicht bekannt. Schon vorab war allerdings klar, dass Einfuhren aus der EU in die USA künftig mit deutlich höheren Zöllen belastet werden als noch vor dem Beginn der zweiten Amtszeit von Trump.
15 Prozent für europäische Einführen in die USA
Der US-Präsident verkündete nun, dass europäische Einfuhren in die USA mit einem Zoll von 15 Prozent belegt werden. Darüber hinaus soll es allerdings zahlreiche Ausnahmen geben. Dabei handle es ich um wichtige Sektoren wie Flugzeuge, Holz und Spirituosen – mit Ausnahme von Wein.
Die EU muss sich den Angaben zufolge im Gegenzug verpflichten, mehr US-Flüssiggas (LNG) zu kaufen und Investitionen zusagen. Die EU scheint zudem einen Kompromiss für den wichtigen Stahl-Bereich erzielt zu haben, der ein gewisses Kontingent an zollfreien Ausfuhren in die USA erlaube, sagte ein Diplomat.
Donald Trump kam nach einer Golf-Runde auf seiner Luxusanlage in Ayrshire sichtlich entspannt zu dem Treffen mit der EU-Kommissionspräsidentin. Die schmeichelte zum Einstieg dem US-Präsidenten und bezeichnete ihn als harten, aber fairen Verhandler, der Deals machen könne. Im selben Atemzug appellierte sie an seinen Hang zu Superlativen: „Wenn wir erfolgreich sind, wäre es wohl das größte Abkommen, das jeder von uns je geschlossen hat“, sagte von der Leyen.
Donald Trump hatte in Schottland auch Golf gespielt.
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Als Durchbruch bei den Verhandlungen gilt, dass sich Donald Trump und Ursula von der Leyen endlich Auge in Auge unterhielten. Der Ausgang des Treffens war allerdings nicht nur wegen der sachlichen Differenzen ungewiss. Zwar beschrieb der US-Präsident die Deutsche vor der Begegnung in Schottland als „hoch angesehene Frau“, doch die Gegensätze zwischen diesen beiden Menschen könnten größer nicht sein.
Auf der einen Seite der unberechenbare Geschäftemacher, der den großtuerischen Auftritt liebt, es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt und mit seinen freien Assoziationsketten die Welt in Atem hält. Dieser Selbstdarsteller traf in Turnberry auf eine bis in die Haarspitzen beherrschte, kühle Politikerin, deren große Disziplin legendär ist und die eisern auf das Einhalten von gemeinsamen Regeln pocht. Beide verbindet allenfalls ein überaus gut ausgeprägter Machtinstinkt.
Angelegenheit lag über Monate in den Händen von Unterhändlern
Das über Monate beharrliche Schweigen zwischen Donald Trump und Ursula von der Leyen wurde allerdings zu einem immer größeren Problem. Denn der US-Präsident verhandelt gerne Auge und Auge, um danach stolz einen „großartigen Deal“ zu verkünden – wie es ihm nun in Schottland gelungen ist.
Im Streit zwischen den USA und der EU lag die heikle Angelegenheit aber über Monate in den Händen von Unterhändlern, von denen keiner das Mandat hatte, eine Entscheidung zu treffen.
So reiste Maros Sefcovic, EU-Kommissar für Handel, immer wieder in die USA oder telefonierte mit seinen amerikanischen Amtskollegen Howard Lutnick, dem US-Handelsminister, und Jamieson Greer, dem US-Handelsbeauftragten. Doch die Erfolge waren mehr als überschaubar, vor allem deshalb, weil am Ende immer Donald Trump alle Beteiligten mit einer neuen Entscheidung überraschte – sei es, die Zölle noch einmal zu erhöhen, zu senken oder deren Inkrafttreten zu verschieben.
Doch auch Ursula von der Leyens kann sich nach dem Abschluss bestätigt fühlen. Ihre Taktik bestand darin, jegliche Konfrontation mit dem US-Präsidenten zu vermeiden. In Europa wurde gegen Ursula von der Leyen deshalb immer lauter der Vorwurf erhoben, zu weich gegenüber Donald Trump aufzutreten.
Auch von der Leyen spricht von einem „guten Abkommen“
Vor allem aus dem Parlament kam der Hinweis, der US-Präsident verstehe nur die Sprache Stärke. Der SPD-Abgeordnete Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses, forderte, Europa dürfe sich von den USA nicht länger gängeln lassen und müsse endlich mit eigenen Zöllen gegenhalten. Auch am Sonntag vor dem Treffen betonte Bernd Lange noch einmal, falls keine Rahmenvereinbarung zustande komme, seien Gegenzölle und andere Maßnahmen „scharf gestellt“.
Aber auch bei der EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen schien sich mit der Zeit wegen der Sprunghaftigkeit Trumps eine gewisse Ungeduld einzuschleichen. In einem Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“ formulierte sie: „Europa ist immer noch ein Friedensprojekt. Bei uns machen keine Brüder oder Oligarchen die Regeln. Wir marschieren nicht bei unseren Nachbarn ein, und wir bestrafen sie nicht.“ In den Kategorien der EU-Kommissionschefin ist eine solche Aussage eine geradezu vernichtende Kritik – aber ohne natürlich Donald Trump beim Namen zu nennen.
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Doch in der Stunde der Einigung scheinen alle Anfeindungen vergessen. Und auch Ursula von der Leyen sprach in Schottland von einem „guten Abkommen“ und der US-Präsident nickte dazu.
„Wir haben ein Handelsabkommen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt. Das ist ein großes Abkommen, ein riesiges Abkommen“, sagte die EU-Kommissionschefin. Diesen Satz hätte Donald Trump nicht besser formulieren können.
Wirtschaftsministerin sieht Zolldeal als Herausforderung
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hingegen bezeichnete das Abkommen als Herausforderung. „Das Abkommen ist sicherlich mit 15 Prozent im Basiszoll eins, was uns herausfordern wird, aber der gute Teil daran: Es gibt Sicherheit“, sagte Reiche. „Es ist richtig und wichtig, dass einige Sektoren herausgenommen sind. Für die anderen wird es Anpassungsbedarf bedeuten.“
Man habe sich selbst aktiv eingebracht und für die Kernsektoren geworben: für die Automobilindustrie, für Pharma, für Maschinen- und Anlagenbau, aber auch für Landwirtschaft und die Luftverkehrswirtschaft. Es gelte jetzt, schnell Klarheit über die Umsetzung zu bekommen und sich final auf die Aussagen verlassen zu können. (mit dpa)