marktbericht
Von Zolleuphorie ist an der Börse nichts zu spüren. Immer mehr dämmert es den heimischen Anlegern, dass der Zoll-Deal der EU mit Donald Trump teuer wird. Der DAX steht im Minus.
Zwar ist die totale Eskalation im Handel mit den USA (vorerst) abgewendet, immer mehr aber zeigt sich, dass der Zolldeal mit den USA alles andere als vorteilhaft für Europas Wirtschaft ausgefallen ist. Die Anleger sind nach anfänglicher Erleichterung darüber, dass es überhaupt zu einer Einigung gekommen ist, mittlerweile ernüchtert.
Nachdem der DAX am Morgen bis zu 0,9 Prozent auf 24.444 Punkte gestiegen war, bröckeln die Gewinne am deutschen Aktienmarkt im Gefolge stetig. Am Nachmittag steht der deutsche Leitindex bei etwas unter 24.000 Punkten am Tagestief und verliert über ein Prozent. Auch er MDAX der mittelgroßen Werte verliert 0,8 Prozent.
„Ab sofort kann sich der DAX also wieder mit weniger Gegenwind an die Stärke der Wall Street heften“, kommentierte Jochen Stanzl, Chefanalyst beim Broker CMC Markets. „Ob aus dem Mitschwimmen eine Fortsetzung der Outperformance gegenüber den USA wird, hängt nun davon ab, was die EU aus der neuen Situation im Handel mit den USA macht.“
Durch die Zölle dürfte der deutschen Wirtschaft ein Milliarden-Schaden entstehen. Dem Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) zufolge dürften die neuen Zölle das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) binnen eines Jahres um 0,15 Prozent schmälern, berichtet das Handelsblatt. Das wäre ein Minus von rund 6,5 Milliarden Euro.
Die deutschen Unternehmen sind besonders verwundbar, hat die Bundesrepublik doch die höchste Exportquote aller EU-Länder. 2024 lag die Exportquote Deutschlands bei 42,1 Prozent. Das bedeutet: 42,1 Prozent des gesamten deutschen BIPs wurden durch die Ausfuhr von Gütern und Dienstleistungen erwirtschaftet.
Angelsächsische Länder wie die USA, aber auch Großbritannien sind sehr viel konsum- und dienstleistungsorientierter, die Industrieproduktion spielt keine so starke Rolle mehr bei der Zusammensetzung des Sozialproduktes. Da Donald Trump nur auf die reinen Handelsströme abgezielt hat und Dienstleistungen oder andere Übertragungen außen vor bleiben, hat er von Anfang an am längeren Hebel gesessen.
„Es handelt sich um einen asymmetrischen Deal, der die USA klar bevorteilt“, konstatiert Maximilian Wienke, Marktanalyst bei eToro. Während die EU auf Ausfuhren in die USA Zölle in Höhe von 15 Prozent zahlen müsste, exportierten die USA die meisten ihrer Waren zollfrei nach Europa. „Donald Trump diktiert die Spielregeln.“
Kaum eine Branche spiegelt die Verwundbarkeit der deutschen Volkswirtschaft so plastisch wie die Auto-Schlüsselindustrie. Sie lebt vom Export und die USA sind einer der größten Absatzmärkte. Zwar wird auch in den USA selbst produziert, aber eben bei weitem nicht alles, was verkauft wird. So haben Porsche und Audi etwa gar keine Kapazitäten und sind reine Exporteure. Auch der Maschinenbau, die Elektro- oder Chemieindustrie sind betroffen.
Die Autoaktien zieren denn auch am Nachmittag unter der Führung von Volkswagen das DAX-Ende. Auch Chemieriese BASF gibt nach. Die Gewinne gehen quer durch alle Branchen, Infineon machen eine Teil ihrer jüngsten Verluste wieder wett und bisher Tagesbester.
Der Zoll-Deal mit den USA werde die Unternehmen der deutschen Automobilindustrie jährlich Milliarden kosten, erklärte die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller. Zur Erinnerung: Bevor Trump im April seine Extrazölle einführte, hatte der Zollsatz für die Autoindustrie bei gerade einmal 2,5 Prozent gelegen.
US-Zölle, Kosten für den Konzernumbau und schwache Geschäfte in China haben derweil den Gewinn der VW-Premium-Tochter Audi im ersten Halbjahr einbrechen lassen. Mit 1,3 Milliarden Euro fiel der Überschuss zum Vorjahreszeitraum um 37,5 Prozent geringer aus. Zudem senkte der zu VW gehörende Teilkonzern seine Prognose für das laufende Jahr – die Zolleinigung der EU mit den USA ist hier aber noch nicht berücksichtigt.
Die US-Aktienmärkte reagieren zum Wochenbeginn verhalten positiv auf das Handelsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union. Der Leitindex ist mittlerweile wieder leicht ins Minus gerutscht.
Nasdaq und S&P markieren derweil den sechsten Handelstag in Folge knapp neue Rekordstände. Die Nasdaq legt rund 0,4 Prozent zu. Der Auswahlindex Nasdaq 100 steigt um 0,45 Prozent auf 23.375,94 Punkte. Der S&P 500 erreicht in der Spitze 6.400 Punkte und steht aktuell nur knapp darunter.
Am Devisenmarkt hat unterdessen der Euro seine anfänglichen Verluste nach dem Zoll-Deal im Handelsverlauf ausgeweitet. Am Nachmittag büßt die europäische Gemeinschaftswährung 0,9 Prozent auf 1,1639 Dollar ein.
Die Aufmerksamkeit der Anleger an den Devisenmärkten richtet sich nun bereits auf die Sitzung der US-Notenbank. Es wird erwartet, dass die Federal Reserve (Fed) ihren Leitzins nach Abschluss ihrer zweitägigen Sitzung am Mittwoch unverändert im Bereich von 4,25 bis 4,50 Prozent halten wird. Die Fed könnte damit erneut den Zorn des US-Präsidenten wecken, warnt Commerzbank-Ökonom Bernd Weidensteiner.
Im Bieterwettkampf um ProSiebenSat.1 erhöht der italienische Medienkonzern MFE sein Angebot, die Aktie ist mit einem Plus von über zehn Prozent der größte Gewinner im SDAX. Pier Silvio Berlusconi, der Chef der Familienholding, betonte, MFE werde die redaktionelle Unabhängigkeit und die nationale Identität von ProSieben bewahren. Damit reagierte Berlusconi auf Bedenken der Bundesregierung, die sich am Wochenende eingeschaltet hatte.