15 Prozent Zoll erheben die USA künftig auf Einfuhren europäischer Unternehmen: Das ist zwar weniger als zwischenzeitlich angedroht, für die deutsche Wirtschaft aber trotzdem unerfreulich. Eine „ungeheure Belastung“ nannte es die Wirtschaftsweise Ulrike Malmendier in der ARD, „immense negative Auswirkungen“ erwartet der Bundesverband der Deutschen Industrie. 0,15 Prozentpunkte Wachstum könnte der Deal Deutschland kurzfristig kosten, schätzt das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) – etwa 6,5 Milliarden Euro. Schlecht für die Pläne der Bundesregierung, die Wirtschaft nach zwei Jahren der Stagnation wieder in Schwung zu bringen.

Erste Geschäftsberichte für April bis Juni, die deutsche Konzerne in den vergangenen Tagen veröffentlicht haben, machen deutlich, wie teuer die erratische amerikanische Zollpolitik
einzelne Branchen bereits zu stehen kam: VW kosteten Trumps Zölle 1,3 Milliarden Euro, Audi 600 Millionen Euro, Puma
80 Millionen Euro. Auch in den USA selbst melden Unternehmen hohe Kosten: Der
US-Autobauer General Motors teilte ebenfalls mit, die Zölle hätten seine Einnahmen um 1,1 Milliarden US-Dollar geschmälert.

Zwar bedeutet die Einigung im Zollstreit zumindest für die Autoindustrie im Vergleich zu den vergangenen Monaten eine Verbesserung. Schaden richten Trumps Zölle aber allesamt an, auch die niedrigeren. Im Juni hatten in einer Umfrage des ifo Instituts unter 1.500 deutschen Industriebetrieben bereits mehr als 60 Prozent angegeben, sie würden unter den Abgaben leiden. Und am Freitag hatten die
Industrie- und Handelskammern noch vor der „Wucht“ gewarnt, die die Zölle bereits entfaltet hätten.

Das genaue Ausmaß dieser Wucht ist allerdings schwer zu beziffern. In Deutschland geht es am besten für zwei wichtige Exportgüter, die bislang die höchsten Sätze trafen: Autos und Maschinen. Von Januar bis Mai exportierten deutsche Unternehmen 5,4 Prozent weniger Fahrzeuge und Fahrzeugteile in die USA als im Vorjahreszeitraum, außerdem 7,5 Prozent weniger Maschinen. Das entspricht Rückgängen bei den Warenwerten um rund 800 Millionen, beziehungsweise 900 Millionen Euro. Für Autos galten seit Anfang April Zusatzzölle von 25 Prozent – insgesamt ergab das einen Zollsatz von 27,5 Prozent –, für Autoteile seit Anfang Mai. Für Stahl- und Aluminiumerzeugnisse, also auch Maschinen, hatten die USA die 25 Prozent schon seit Mitte März erhoben; Anfang Juni erhöhte Trump diese Zölle auf 50 Prozent. Das soll auch so bleiben.

Rückgang bei Autos und Maschinen wie in ökonomischer Theorie

Im Chaos der Drohungen, Rückzieher und Ultimaten des US-Präsidenten galten in diesen beiden Branchen also seit dem Frühjahr konstant hohe Zölle, der Export-Rückgang überrascht nicht. „Für diese
Güter entsprechen die Zahlen den Hypothesen, die man als Ökonom
aufstellen würde“, sagt Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, der die Daten analysiert hat. „Das Gleiche gilt für den Pharmabereich.“ Hier stiegen die Ausfuhren um 9,3 Prozent: Medikamente waren von den Zöllen zunächst ausgenommen, aber die Branche war besorgt, dass sich das ändern könnte. Das hat sich nun bewahrheitet: Pharmaprodukte sind in den neuen 15-Prozent-Deal eingeschlossen.

Insgesamt sind die bisherigen Effekte der Zölle, etwa auf die Gesamtmenge von Exporten anderer Länder in die USA, allerdings schwer aus den Handelsstatistiken herauszulösen. Dafür war der Zeitraum zu kurz, seit Trump seinen Abgaben-Feldzug begann – die meisten Handelsdaten liegen zudem nur bis einschließlich Mai vor – und der US-Präsident war zu wankelmütig bei seinen Entscheidungen, die mitunter nur für ein paar Tage galten. Außerdem ist bei veränderten Handelsströmen oft nicht klar, welchen Anteil saisonale und branchenspezifische Schwankungen haben. „Es ist schwierig, aus den Zahlen klare Schlussfolgerungen zu ziehen“, sagt IW-Ökonom Matthes.

Das gilt auch für die deutschen Exporte: „Man sieht vielleicht einen leichten Trend von abnehmenden Exporten“, sagt Hendrik Mahlkow, Ökonom am IfW. „Aber das ist höchstwahrscheinlich ein übergeordneter Trend. Wir haben ja generell seit Jahren eine Abnahme in den Exporten von Industriegütern.“ Im Vergleich zu Autos und Maschinen sind in anderen Branchen auch deshalb kaum Effekte sichtbar, weil Trumps 90-Tage-Pause, die er nur eine Woche nach dem von ihm so benannten „Liberation Day“ Anfang April verkündete, die Zölle für die meisten Produkte auf zehn Prozent senkte.

© ZEIT ONLINE

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Dass die Auswirkungen zwischen all dem Chaos und anderen Einflüssen schwer isolierbar sind, heißt aber nicht, dass es
sie nicht gibt. „Was wir machen können, ist, den Effekt zu simulieren“,
sagt Mahlkow. „Es gibt eine sehr gute und klare Theorie, wie sich Zölle
auswirken, die wissenschaftlich unzählige Male bestätigt wurde.“ Für den Fall, dass Trump seine Drohung, ab dem 1. August Abgaben von 30 Prozent auf Waren aus der EU zu erheben, wahr gemacht hätte, hatte das IfW für Deutschland einen kurzfristigen Rückgang der Exporte in die USA von fast neun Prozent errechnet. Das IW hatte für das ursprüngliche „Liberation Day“-Szenario, also für 20-prozentige Zölle, der deutschen Wirtschaftsleistung ein jährliches Minus von mindestens 1,2 Prozent prognostiziert.

In den USA haben sich Lagerflächen verteuert

Deutlich erkennbar sind in den meisten Statistiken vor allem sogenannte Vorzieheffekte, also hohe Handelsmengen im März: Weil abzusehen war, dass Preise steigen würden, füllten Unternehmen ihre Lager. Als Nebeneffekt verteuerten sich in den USA Lagerflächen 2025 deutlich. Besonders steil stiegen vor Trumps „Liberation Day“ die Exportzahlen aus Irland an. Das sei aber wenig aussagekräftig, sagt Hendrik Mahlkow: In Irland sind zahlreiche US-amerikanische Konzerne gemeldet, um Steuern zu sparen. Sie verschieben hier also ihre Gewinne, ohne dass tatsächlich Waren irische Häfen verlassen – die Export-Kurve schlägt trotzdem aus. 

Bei den US-amerikanischen Importen fällt vor allem auf, dass sich der
Gesamtwert von Waren aus China seit Januar um
mehr als die Hälfte verringert hat. Für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, deren wichtigster Exportmarkt die USA sind, galt erst ab Mitte Mai eine 90-tägige Pause. Vorher waren die Zusatzzölle auf 145 Prozent gestiegen. Allerdings dürften viele chinesische Waren Amerika über Umwege erreicht haben, etwa über südostasiatische Länder: Chinesische Unternehmen hatten früh begonnen, ihre Handelsketten anzupassen. Auch internationale Großkonzerne, aus der Modeindustrie etwa, verlagerten ihre Produktionen in andere Länder. 

Ihren ganz eigenen Schaden hat die schiere Ratlosigkeit angerichtet, die das Trumpsche Hin und Her allerorts auslöste. „Die Unsicherheit hat sich auf die ökonomische Aktivität in den USA ausgewirkt“, sagt Hendrik Mahlkow. Um zu messen, wie stark die aktuelle Wirtschaftspolitik eines Landes die Menschen verunsichert, nutzt die Forschung einen Index, in den die Medienberichterstattung über wirtschaftspolitische Themen einfließt. Die Indexwerte stiegen 2025 stark an.

Solche Unsicherheit lähmt die Wirtschaft. „Sie sorgt dafür, dass
im Zweifel einfach weniger gehandelt und investiert wird“, sagt Mahlkow.
So hatten etwa 600 der Industriebetriebe, die das ifo Institut im Juni
befragte, Investitionsprojekte in den USA geplant – von ihnen gaben
knapp 30 Prozent an, ihre Pläne zu verschieben, und 15 Prozent, sie ganz
zu streichen.

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Zwar nahmen die USA von April bis Juni die Rekordsumme von 64 Milliarden
Dollar mit ihren Zöllen ein – 50 Milliarden mehr als 2024 im gleichen Zeitraum. Dass die negativen Folgen des Chaos auf Dauer deutlich überwogen hätten, ist aber sehr wahrscheinlich. Wenn es mit den ständig neuen Ankündigungen und Fristen ihres Präsidenten jetzt erst einmal vorbei ist, ist allein das also ein Gewinn – für die EU, aber auch für die USA selbst. Allerdings dürfte Trump an einer Eskalation genau deshalb auch kein Interesse gehabt haben. Und im Ergebnis steht die EU nun deutlich schlechter da als vor dem Zollstreit.

Mitarbeit: Jurik Caspar Iser