Seat und Cupra: Eine Lageanalyse für Deutschland
Wer heute durch eine deutsche Innenstadt fährt oder einen Blick auf den Parkplatz wirft, erkennt, wie sichtbar die Marken Seat und Cupra im Straßenbild geworden sind. Doch die wachsende Präsenz täuscht nicht darüber hinweg, dass sich beide Marken gegenwärtig in einem tiefgreifenden Wandel befinden. Die Herausforderungen sind vielschichtig und reichen von steigenden Kosten und regulatorischen Vorgaben über die Anforderungen der Kunden bis hin zu geopolitischen Unsicherheiten. Gleichzeitig eröffnet die Transformation der Mobilität neue Wachstumschancen, vor allem im Bereich der Elektromobilität.
Seat: Rückläufig, doch nicht abgehängt
Während Seat früher den Kern der bezahlbaren Mobilität im Volkswagen-Konzern verkörperte, sieht sich die Marke aktuell mit rückläufigen Auslieferungszahlen konfrontiert. Im ersten Halbjahr 2025 lag das Minus im Vergleich zum Vorjahr in Deutschland bei über zwanzig Prozent. Der Marktanteil bröckelt, und das Produktportfolio wird sukzessive gestrafft. Hintergrund dafür ist nicht nur die generelle Zurückhaltung bei erschwinglichen Verbrenner-Modellen, sondern auch die wachstumsorientierte Neupositionierung innerhalb des Konzerns. Konkret wird die Seat-Produktion am Stammsitz Martorell bereits in Vorbereitung auf die künftige Ausrichtung auf E-Modelle und die „Markengruppe Core“ von Volkswagen umgestellt.
Die bisher starke Präsenz im Einstiegssegment wird künftig deutlich zurückgehen. Der Kleinwagen Ibiza, lange einer der Preisbrecher auf dem deutschen Markt, steht kurz vor dem Aus. Der kompakte Seat Leon, nach wie vor als Benziner und Plug-in-Hybrid erhältlich, richtet sich inzwischen an eine zunehmend preissensible Zielgruppe. Aktuell startet der Seat Leon in Deutschland bei etwa 25.590 Euro als Fünftürer. Der SUV Bestseller Seat Arona beginnt aktuell bei 22.540 Euro. Der Seat Ateca, der Kompakt-SUV der Marke, liegt beim Basispreis derzeit bei 27.440 Euro. Das größte Seat-SUV, der Tarraco, startet bei 36.640 Euro. Besonders der elektrifizierte Mii wird von Seat nicht mehr angeboten.
Deutlich wird: Seat wird in Deutschland in den kommenden Jahren vermutlich an Relevanz verlieren, denn Impulse im Bereich reiner Elektromobilität kommen fast nur noch von der Schwestermarke Cupra und von Volkswagen selbst. Die Marke bleibt dennoch ein wichtiger Baustein für jene Kundenschichten, die Wert auf Preis-Leistung legen und noch nicht voll auf Elektro umsteigen möchten.
Cupra: Vom Underdog zur treibenden Kraft
Ganz anders präsentiert sich aktuell das Bild bei Cupra. Ursprünglich als sportliches Sub-Label von Seat gestartet, hat sich Cupra zur eigenständigen Avantgarde-Marke entwickelt. Im ersten Halbjahr 2025 stieg die Zahl der ausgelieferten Fahrzeuge von Cupra in Deutschland um bemerkenswerte 33 Prozent auf europaweit 167.600 Einheiten. Treiber dieser Entwicklung ist einerseits das unverwechselbare, dynamische Design mit sportlicher Ausrichtung. Andererseits profitiert Cupra von der intensiven Elektrifizierung und setzt damit auf einen der wenigen Wachstumsmärkte.
Das erfolgreichste Modell bleibt der Formentor, der in Deutschland aktuell ab 36.225 Euro in der Basisausstattung zu haben ist. Der Cupra Leon, sowohl als Sportstourer wie als Hatchback mit klassischem und Plug-in-Hybridantrieb, startet gegenwärtig ab 38.700 Euro. Der elektrische Cupra Born, das erste reine BEV der Marke, ist ab 37.220 Euro erhältlich und zählt 2025 zu den gefragtesten Kompaktwagen auf dem deutschen Markt. Hinzu kommen der SUV-Coupé Tavascan, der seit 2024 angeboten wird und mit einem Startpreis von aktuell 48.990 Euro positioniert ist, sowie der Cupra Ateca als Nischenmodell ab rund 44.330 Euro. Ein ENYAQ-Cousin ist der vereinfachte MEB-Crossover Terramar, für den die konkrete Preisliste mit deutschem Marktstart 2025 noch nicht final feststeht, nach internen Prognosen aber um die 40.000 Euro beginnen soll.
Cupra trifft als junge, progressive Submarke einen Nerv – auch weil sie sich optisch und technisch bewusst von den VW-Volumenmodellen absetzt. Im Vertrieb belegen aktuelle deutsche Marktdaten die starke Zunahme von Cupra-Leasingangeboten, gerade für gewerbliche Kunden. Hier zeigt sich, dass der Brückenschlag zwischen sportlicher Individualität, E-Mobilität und Nutzwert gelingt, wenngleich die Nachfrage nicht zuletzt durch attraktive Rabatte und flexible Finanzierungsmodelle angekurbelt wird.
Cupra Terramar VZ 2.0 TSI 195 kW (265 PS) 7-Gang DSG 4Drive – Bildnachweis: MOTORMOBILES
Elektrifizierung als strategische Triebfeder
Die aktuellen Zahlen machen deutlich, wie sehr vor allem die vollelektrischen Cupra-Modelle zulegen. Im ersten Halbjahr 2025 stieg der BEV-Absatz um mehr als 100 Prozent, was das ambivalente Bild von Seat und Cupra in Deutschland erklärt. Der Cupra Born und der Cupra Tavascan verzeichnen eine starke Nachfrage – nicht zuletzt, weil beide Modelle mit dem staatlichen Umweltbonus und niedrigen Unterhaltskosten für private wie gewerbliche Kunden attraktiv sind.
Die Seat S.A. investiert konzernübergreifend massiv in den Umbau ihrer Fertigungsstandorte. In Martorell wird bis 2026 eine komplett neue Generation urbaner Elektromodelle für Volkswagen und dessen Kernmarken vorbereitet. Mit dem Cupra Raval kündigt sich für 2026 eines der wichtigsten elektrischen Einstiegsmodelle für urbane Räume an, das perspektivisch auch von Seat oder unter anderem Label erhältlich sein könnte. Ziel der Strategie ist es, bezahlbare Elektroautos in die Breite zu bringen, die aktuell noch von den hohen Kosten für Batterien und neuen Fertigungsprozessen gebremst wird.
Globaler Anspruch, regionale Realität
International konnte Cupra seine Ausstrahlung als globale Marke stärken. Doch wichtige strategische Entscheidungen wurden auf die lange Bank geschoben. Der geplante US-Markteintritt wird aus heutiger Sicht mindestens bis 2030 verschoben. Für Deutschland bedeutet das: Cupra bleibt, zumindest mittelfristig, klar europäisch positioniert. Perspektivisch schaut die Marke auf weitere Expansionen etwa nach Australien, doch im Fokus stehen weiterhin der deutsche und zentraleuropäische Markt – Regionen, in denen die Akzeptanz für sportlich aufgeladene Elektromobilität weiter steigt.
Wirtschaftliche Entwicklung – zwischen Hoffnung und Ernüchterung
Die wirtschaftlichen Rahmendaten sind trotz Erfolgen im Absatzbereich verhalten. Im ersten Halbjahr 2025 lag das operative Ergebnis der Seat S.A. bei lediglich 38 Millionen Euro, rund 91 Prozent wenniger als im Vorjahr. Die Umsatzrendite sackte auf 0,5 Prozent ab, womit trotz stabiler oder sogar wachsender Auslieferungen der Preisdruck und die gestiegenen Kosten der Transformation klar zu Buche schlagen. Hauptgründe sind unter anderem die verzögerte Anlaufkurve neuer E-Modelle, hohe Produktionskosten und nicht zuletzt Zölle auf aus China importierte Fahrzeuge, namentlich den Cupra Tavascan.
Der deutsche Markt bleibt für Seat und Cupra zwar ein wichtiger Treiber, jedoch müssen sich beide Marken zunehmend gegen Wettbewerber aus Frankreich, Südkorea und insbesondere China behaupten, deren Preis-Leistungs-Angebote und Innovationszyklen mitunter schneller ausfallen. Entscheidende Stellschrauben sind Kostensenkungen, die Optimierung der Lieferkettn sowie technologischer Fortschritt – wobei besonders bei Cupra der Image- und Technologietransfer aus dem Volkswagen-Konzern ganz wesentlich ist.
Ausblick: Von der Nische zur Relevanz?
Für die zweite Jahreshälfte 2025 geben die jetzt steigenden Quartalszahlen, eine anziehende Produktion und die fortlaufende Modelloffensive Anlass zu vorsichtigem Optimismus – vor allem für Cupra. Seat hingegen wird sich in Deutschland weiter auf sein Stammgeschäft konzentrieren müssen und dieses aller Voraussicht nach zugunsten der Elektromobilitätsstrategie noch weiter eindampfen.
Entscheidend für den dauerhaften Erfolg bleibt, wie gut es gelingt, neue – auch preiswertere – Elektromodelle nach Deutschland zu bringen, die sowohl Privatkunden als auch den weiterhin wichtigen Flottensektor bedienen. Perspektivisch dürfte Cupra in Deutschland weiter wachsen, Seat dagegen seine Rolle als günstige Verbrenner-Marke schritweise verlieren. Die große Aufgabe bleibt, bezahlbare Elektromobilität und ein klar differenziertes Markenprofil ohne überzogene Erwartungen an das Wachstum nachhaltig zu vereinen.
Continue Reading