Während China oder der Mittlerere Osten mutig experimentieren und neue Geschäftsmodelle aufbauen, verlieren sich viele europäische Unternehmen in Prozessen, Abstimmungen und Absicherungen. Die Folge ist nicht Ideenmangel, sondern ein Umsetzungsdefizit. Doch wer im globalen Wettbewerb bestehen will, braucht mehr als technologische Kompetenz: Gefragt ist strategische Entschlossenheit

» Michael Babilon-Teubenbacher, Vorstand der CPC Unternehmensmanagement AG

Während europäischen Unternehmen noch Gremienrunden einberufen und Prozesslandkarten optimieren, bauen Unternehmen in China oder dem Mittleren Osten längst neue Geschäftsmodelle auf. In rasantem Tempo. Ohne großen Anlauf. Dafür aber mit klarer Zielorientierung, Mut und Konsequenz in der Umsetzung und der Bereitschaft, früh aus Fehlern zu lernen. Diese Diskrepanz ist einerseits ein Thema für Führungsetagen. Doch sie ist auch ein wirtschaftlicher Realitätstest, der zeigt: Europa fehlt es nicht an Ideen, aber einer zeitgemäßen Umsetzungskultur.

Strategische Entschlossenheit statt technokratischer Vorsicht

Ein Blick nach Asien und in den Mittleren Osten zeigt, was möglich ist, wenn strategische Entscheidungen auch tatsächlich entschlossen umgesetzt werden. Und wenn Digitalisierung nicht als reines IT-Thema, sondern als Chance für Geschäftsmodellinnovation verstanden wird. Dort werden Plattformen zunächst geschaffen, um interne Abläufe zu optimieren und Effizienz zu steigern. Doch viele dieser Lösungen entwickeln sich schnell weiter, hin zu eigenständigen Geschäftsmodellen, die weit über das eigene Unternehmen hinaus Mehrwert stiften. Aus einem internen Werkzeug wird so ein marktfähiges Produkt, das neue Erlösquellen erschließt und die Wettbewerbsposition stärkt. Die Fähigkeit, mutig zu starten und unterwegs zu lernen, statt auf Vollständigkeit und Risikofreiheit zu warten, macht den Unterschied.

Europa scheitert nicht an Ideen – sondern am „Wie“

Was diese Entwicklungen zeigen: Die entscheidende Ressource ist nicht Technologie. Es ist die Fähigkeit zur schnellen, fokussierten und lernbereiten Umsetzung. In den meisten europäischen Unternehmen herrscht kein Mangel an Innovationsgeist. Auch nicht an analytischer Exzellenz. Der Engpass liegt in der Konsequenz: Wenn die Entscheidung gefallen ist, geht es nicht selten zurück in neue Abstimmungsrunden, Machbarkeitsanalysen oder politische Rückversicherungen.

Das hat Gründe. Aber nicht diejenigen, die häufig genannt werden. Es ist kein reines Strukturproblem. Europäische Unternehmen sind nicht per se schwerfälliger als andere. Und es ist auch kein Mentalitätsproblem im klischeehaften Sinne – kein Mangel an Intelligenz, Einsatz oder Ideen. Aber es ist eine Frage der Haltung zur Umsetzung: In vielen Fällen fehlt nicht der Wille, sondern die Konsequenz. In China etwa wird, sobald eine Entscheidung gefallen ist, mit beeindruckender Klarheit gehandelt. Auch ohne vollständige Sicherheit. Risiken werden in Kauf genommen, der Weg entsteht im Gehen.

Der Unterschied im Umgang mit Regulierung

Ein oft genanntes Gegenargument: Europa sei durch strengere Datenschutzgesetze stärker eingeschränkt. Das ist nur bedingt stichhaltig. Auch China hat inzwischen strengere Datenschutzregelungen eingeführt. Doch der Umgang mit ihnen ist ein anderer. Während europäische Unternehmen häufig sehr vorsichtig agieren und sich teils selbst zusätzliche Einschränkungen auferlegen, nutzen asiatische Unternehmen bestehende Spielräume strategisch. Nicht illegal, aber pragmatischer, interpretierender.

In Europa dagegen wird Regulierung häufig als starre Grenze gesehen, nicht als Rahmen, wie vielleicht ursprünglich vom Gesetzgeber gedacht war. Diese Unterschiedlichkeit im Umgang mit Unsicherheit und Normen macht einen großen Teil der Geschwindigkeitsdifferenz aus.

Was Europa lernen kann, ohne sich selbst zu verleugnen

Was Europäer von China und dem Mittleren Osten lernen können: Entscheidungen müssen zur Umsetzung führen, nicht zur nächsten Diskussionsrunde. Perfektion kann warten, Lernen darf früher beginnen. Iterative Entwicklungen, die sich gemeinsam mit dem Kunden weiterentwickeln, sind erfolgreicher als lange durchgeplante Konzepte. Und: Transformation braucht Ressourcen – finanziell, personell und organisatorisch. Vor allem aber braucht sie die Priorität der Unternehmensführung.

Europa muss nicht werden wie China oder die Vereinigten Arabischen Emirate. Seine Stärken – Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung, Transparenz, langfristiges Denken – sind essenziell und bieten Differenzierung auf globalen Märkten. Aber sie kommen nur zur Geltung, wenn man sie mit strategischer Klarheit und mutiger Umsetzung kombiniert.

Europas Stärken nutzen – aber richtig

German Engineering ist kein Auslaufmodell. Deutsche Ingenieurskunst bleibt ein globaler Benchmark. Aber ohne Geschwindigkeit verliert auch Präzision an Wert. Der modulare Fahrzeugbau bei Volkswagen oder die Systementwicklungen bei Siemens Energy zeigen: Wenn Exzellenz mit Effizienz kombiniert wird, entstehen Skalenvorteile, die auch global bestehen können. Das sollte der Anspruch sein: nicht technische Brillanz um ihrer selbst willen, sondern als Hebel für skalierbare, schnelle Umsetzung.

Ein Plädoyer für europäische Industriepolitik 2.0

Wenn Europa die Spielregeln globaler Märkte mitgestalten will, genügen Einzelinitiativen nicht. Gefragt sind industriepolitische Kraftprojekte – als gezielte Plattformen für kollektive Innovationskraft. Airbus hat gezeigt, was möglich ist, wenn europäische Akteure ihre Kräfte bündeln. Warum also nicht ein europäisches Digitalprojekt mit derselben Entschlossenheit wie bei Raumfahrt, Luftfahrt oder Energiewende initiieren? Nicht als Konkurrenz zu China oder den USA, sondern als souveräne, eigenständige Antwort.

Die Welt wartet nicht auf Europa – und sie muss es auch nicht. Doch Europa kann erneut zum Taktgeber werden, wenn vorhandene Stärken mit neuer Entschlossenheit verbunden werden. Wirkung entsteht nicht durch bloße Moderation, sondern durch mutige Umsetzung.

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