Ein Volleyball, drei Völkerbälle, sieben Spieler und Spielerinnen sowie voller Körpereinsatz. Was einst als „Quidditch“ in den Harry Potter-Büchern von J. K. Rowling begann, ist heute eine der ungewöhnlichsten, dynamischsten und progressivsten Sportarten unserer Zeit: das Quadball. In Deutschland ist der Sport längst keine Randerscheinung mehr. Besonders das Team der Augsburger Owls (übersetzt Eulen) gehört zu den festen Größen einer Szene, die sich von der Fiktion emanzipiert hat und sportlich wie gesellschaftlich Maßstäbe setzt.
Vor 15 Jahren noch belächelt, heute ein internationaler Wettkampfsport: Quadball vereint Elemente aus Rugby, Handball und Völkerball zu einem strategischen und vor allem kognitiv herausfordernden Vollkontaktsport. Bei dem seien nicht nur Tempo und Teamwork gefragt, sondern auch Fairness, Respekt und Diversität, berichtet eine, die es wissen muss, die Augsburger Spielertrainerin und Ex-Nationalspielerin Elisa Schenk.
Gespielt wird mit vier zentralen Rollen: Die Chaser (Angreifer) versuchen, den Volleyball durch die drei gegnerischen Ringe zu befördern. Die Beater (Verteidiger) versuchen, die Angreifer mit den Völkerbällen abzuwerfen und dadurch einen Ballverlust zu erzwingen. Der Keeper (Hüter) bewacht in der Defensive die Ringe und darf zur Abwehr sogar durch diese greifen. Ab der 20. Spielminute kommt der Seeker (Sucher) auf das Spielfeld. Der Sucher jagt einer neutralen Person hinterher, mit der Aufgabe, eine „Flag“ an dessen Hose abzureißen. Mit dem Abriss dieser „Flag“ ist das Spiel beendet und möglicherweise auch entschieden. Bei all diesen Bewegungen müssen die Spielenden jeweils Besen beziehungsweise Kunststoffrohre zwischen den Beinen tragen, diese erhöhen die koordinative Schwierigkeit. Spätestens seit der offiziellen Umbenennung von „Quidditch“ zu „Quadball“ im Jahr 2022 hat sich die Sportart klar von ihren Fantasy-Wurzeln distanziert – inhaltlich wie rechtlich.
Quadball ist für die Augsburger mehr als nur ein Spiel
Was Quadball besonders macht, ist nicht nur das Spiel selbst, sondern seine Werte. Das Regelwerk besagt, dass nur vier Spieler desselben Geschlechts zeitgleich auf dem Feld stehen dürfen. So ist es auch bei den Augsburg Owls. „Ich kann wirklich sagen, ich wurde toll in die Mannschaft integriert. Wir sind einfach eine tolle Gemeinschaft“, bekennt sich eine der Owls-Spielerinnen zum Team. Bei den Mitgliedern der Mannschaft geht es von der Drittliga-Handballerin bis hin zur Studentin, die durch die Uni-Augsburg auf die Sportart gestoßen ist.
Die Eulen aus Augsburg schlagen sich wacker
Die Augsburg Owls, gegründet 2015 im Hochschulsport der Universität Augsburg, gehören zu den erfolgreicheren deutschen Teams. Die Mannschaft um Spielertrainerin Elisa Schenk und Kapitän Wiglef Rehm, die auch ein Paar sind, ist seit 2018 regelmäßig in den Top Ten der nationalen Ranglisten vertreten und qualifiziert sich seit Jahren für internationale Turniere wie den European Quadball Cup (EQC). Erst 2025 holte das Team dort in der zweiten Division den Vize-Titel in Salou (Spanien) – ihr bisher größter internationaler Erfolg.
Der Grundstein für die sportlichen Wettkämpfe wird auf dem Trainingsgelände des FC Haunstetten gelegt. Zweimal die Woche wird trainiert. Denn auch auf nationaler Ebene gibt es einen Spielbetrieb. So gehen die Augsburg Owls auch in der Süd Liga an den Start und messen sich dort mit Teams aus München, Karlsruhe und weiteren Mannschaften. „Um die Anreise möglichst lohnenswert zu machen, kommen an einem Wochenende mehrere Teams gleichzeitig zusammen, so werden gleich meist zwei aufeinanderfolgende Spieltage abgehalten“, berichtet Karolin Seifert, die Koordinatorin der Süd Liga – auch zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit der Owls.
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Nationalspieler Michael Simpson in Aktion wurde mit der deutschen Quadball-Mannschaft Vize-Weltmeister.
Foto: Wiglef Rehm
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Nationalspieler Michael Simpson in Aktion wurde mit der deutschen Quadball-Mannschaft Vize-Weltmeister.
Foto: Wiglef Rehm
Dieses Jahr kletterte man auf Rang zwei, was die Qualifikation für den Deutschen Pokal zur Folge hatte, bei dem man auf dem achten Platz landete. Und auch bei der deutschen Quadball-Nationalmannschaft sind die Eulen mit Beater Michael Simpson vertreten. „Einmal im Monat kommen rund 50 erweiterte Kader-Mitglieder für die Nationalmannschaft zum gemeinsamen Training zusammen. Für die internationalen Turniere wird der Kader dann auf 25 Spieler und Spielerinnen gekürzt“, beschreibt er den Nominierungsvorgang. Mitte Juli war es dann so weit: Simpson durfte als Teil des deutschen Kaders an der in Belgien stattfindenden Weltmeisterschaft teilnehmen und kann sich nun sogar Vize-Weltmeister im Quadball nennen.
Quadball befindet sich zwischen Rückschritt und Aufbruchstimmung
Doch trotz all dieser Professionalisierung der Szene ist Quadball in Deutschland momentan schwierig einzuordnen. Seit Corona könne man einen leichten Abfall von Aktiven im Sport spüren, meint Seifert. „Viele Teams schließen sich aufgrund von Mangel an Quadballinteressenten zu Spielgemeinschaften zusammen“, so Seifert. Allerdings gibt es laut ihr auch positive Entwicklungen: „Der Sport entwickelt sich trotzdem weiter auf der Ebene der Jugendarbeit. In diesem Jahr findet zum ersten Mal eine Jugendmeisterschaft im Quadball statt.“
Ob ein Catch (Fang) der sogenannten Flag durch den Sucher das Spiel entscheidet, hängt von der Punktedifferenz ab. Aber das eigentliche Ziel im Quadball ist größer: Die Spielenden wollen einen Sport gestalten, der Leistung, Respekt und Vielfalt verbindet. Deshalb ist Quadball längst mehr als nur ein Kuriosum für Harry-Potter-Fans, denn auf dem Feld zählen für die Teams Kondition, Strategie und der Wille, etwas zu bewegen.
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Kristian Ortelli
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