Eigentlich sitzen Karin Neuefeind und ihr Mann im Sommer gerne in ihrem Garten in Oberkassel. Wilder Wein rankt dort an der Hauswand, ein Sonnenschirm spendet Schatten zwischen Oleanderbusch und Hochbeet. Doch das Sitzen im Freien haben sich die beiden mittlerweile abgewöhnt. „Sonst habe ich gerne Gäste eingeladen, momentan traue ich mich das schon fast nicht mehr“, sagt Neuefeind. An sonnigen Tagen verleiden die Tigermücken dem Ehepaar das Draußensein.

Damit büßen sie an Lebensqualität ein, finden die beiden. Denn Neuefeind und ihr Mann kümmern sich liebevoll um den Außenbereich, pflanzen Rhabarber, Erdbeeren und Küchenkräuter. Der Garten ist gepflegt, mögliche Brutstätten für Mückenlarven finden sich hier nicht. Nur ein kleiner Untersetzer mit Wasser steht auf einer Mauer. „Das ist für die Vögel, und wir wechseln es täglich“, gibt ihr Mann zu verstehen.

Er beobachtet gerne Insekten, kann sie sogar mit der Hand fangen. So waren die beiden überhaupt erst auf die Tigermücke aufmerksam geworden. Sie schickten das Foto eines Exemplars an einen Experten. Der bestätigte, dass es sich um die Asiatische Tigermücke handelt. Neuefeinds Erfahrung nach unterscheiden sich die Tiere von heimischen Mücken: Sie sind schon am frühen Abend aktiv, wenn es noch hell ist – und lassen sich schwerer töten, findet die Anwohnerin.

Gut vernetzte Nachbarschaft in Oberkassel

Während sie von den Mücken berichtet, kommen zwei Nachbarinnen und setzen sich dazu. Es ist ein kühler Nachmittag; in den Tagen zuvor hat es geregnet. Nur eine einzelne Tigermücke lässt sich blicken. Die Tiere kommen vor allem bei warmem Wetter, weiß Neuefeind. Die Nachbarschaft sei gut vernetzt, in einer Whatsapp-Gruppe tauschen sich die Anwohnerinnen und Anwohner über allerhand aus – auch über die Tigermücke. Dort geben sie Hinweise, was zu tun ist, um die Population gering zu halten. „Aber alle erreicht man damit nicht, deshalb wäre es gut, wenn die Stadt aktiv wird“, so Neuefeind.

Gedanken machen sich die Nachbarinnen etwa um das verlassene Grundstück einer alten Gärtnerei. Hierzu erklärt das Presseamt der Stadt Bonn: „Die Stadt hat das Grundstück einer alten Gärtnerei, Königswinterer Straße 610, erworben.“ Auf dem verwilderten Gelände wurden bei einer Begehung mögliche Brutstätten der Tigermücke entdeckt. Nach der geplanten Rodung sollen Mückenfallen aufgestellt und die Nachbarschaft erneut per Flyer über geeignete Maßnahmen informiert werden.

Insektenspray hilft nur bedingt

Annette Schwalb, die gleich nebenan wohnt, hat keine Probleme mit den Mücken. Die Nachbarin auf der anderen Seite berichtet aber ebenfalls von Tigermücken und zeigt das Foto eines Tieres. Um sich zu schützen, greift sie zu Insektenspray, bevor sie mit Gästen in den Garten setzt. Karin Neuefeind hat damit allerdings ihre eigenen Erfahrungen gemacht: „Sie finden immer genau die Stelle, die man vergessen hat einzusprühen.“

Schon im vergangenen Sommer machten die Mücken den Aufenthalt im Garten zur Herausforderung. Deshalb wandte sie sich Anfang September 2024 mit einem Schreiben an die Stadt, erhielt jedoch keine Antwort. Im März dieses Jahres schrieb sie erneut. Daraufhin habe sie eine Rückmeldung erhalten. Das bestätigt das Presseamt: „Es gab eine ausführliche schriftliche Beratung zu empfohlenen Maßnahmen mit Hinweis auf die in Erstellung befindliche Informationsseite der Stadt“, so ein Sprecher der Stadt.

Aktuell stehe das Gesundheitsamt im direkten Kontakt mit der Anwohnerin. Neuefeind bekam Anfang vergangener Woche einen Anruf. „Gerade kommt Bewegung rein“, sagt die Anwohnerin. Auch ihr wurde von den geplanten Mückenfallen berichtet.

So funktionieren die Mückenfallen

Verantwortlich für das Aufstellen ist das Team von Timo Falkenberg. Der Experte für Medizinische Geographie forscht am Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit der Uniklinik Bonn. Er berichtet, das Gesundheitsamt der Stadt Bonn habe bereits im vergangenen Jahr Kontakt zu ihm aufgenommen. Im Rahmen eines Promotionsprojektes werde das Institut in Kürze zwölf Mückenfallen, so genannte Gravid Aedes Traps (GAT Traps) in Oberkassel aufstellen. Diese helfen bei Bekämpfung der Asiatischen Tigermücke, in dem sie weibliche Mücken anlocken und einfangen, bevor sie ihre Eier ablegen können. Die Fallen in dem Pilotprojekt sollen sowohl in privaten Gärten als auch auf städtischen Flächen aufgestellt werden.

Anhand der gefangenen Tiere werden Falkenberg und seine Kollegen untersuchen, ob es sich um Exemplare der Asiatischen Tigermücke handelt. Zudem prüfen sie, ob in der Mückenpopulation bereits Krankheitserreger auftauchen. „Die Wahrscheinlichkeit dafür ist allerdings sehr gering“, so Falkenbergs Einschätzung, die auch das Robert-Koch-Institut teile. Wenn es jedoch eine Population gibt, die Krankheiten übertragen kann, reiche bereits ein infizierter Reisender, und die Krankheit könne sich schnell ausbreiten.

Wie lange die Untersuchung der Population dauert, hängt laut Falkenberg von der Anzahl der gefangenen Mücken und der Laborarbeit ab. Er rechnet damit, gegen Ende des Jahres Ergebnisse vorweisen zu können. Laut der Stadt stößt das Projekt auch im Rhein-Sieg-Kreis und in anderen Kreisen in NRW auf Interesse, sodass hier Kooperationen oder Nachahmer-Projekte stattfinden werden.

„Wichtig ist, dass die Informationen frühzeitig ans Gesundheitsamt gehen und die Bevölkerung informiert wird“, sagt der Wissenschaftler. Denn die Stadt könne die Population nicht alleine kontrollieren. Der Erfolg hänge maßgeblich von der Kooperation der Bürgerinnen und Bürger ab.