Großprojekt auf der Schiene: Wie die Deutsche Bahn die Strecke Hamburg–Berlin bis 2026 fit für die Zukunft machen will.

Zug auf Strecke Hamburg Berlin

Auf der Strecke zwischen Berlin und Hamburg soll es nach der Generalsanierung weniger Verspätungen geben.

Foto: Deutsche Bahn AG / Volker Emersleben

Zwischen Hamburg und Berlin rollen täglich hunderte Züge. Rund 470 Verbindungen im Fern-, Regional- und Güterverkehr machen den 280 Kilometer langen Abschnitt zu einem der am stärksten genutzten Korridore im deutschen Bahnnetz. Doch ab August 2025 ist Schluss damit – zumindest vorübergehend.

Die Deutsche Bahn sperrt die gesamte Strecke für neun Monate. Der Grund: eine umfassende Generalsanierung. Ziel ist es, die Infrastruktur zu erneuern, den Bahnbetrieb zu stabilisieren und langfristig weniger Reparaturbedarf zu haben. Fahrgäste, Pendler*innen und Unternehmen müssen sich in dieser Zeit auf erhebliche Umwege und Verzögerungen einstellen. Auch im Güterverkehr dürften die Auswirkungen spürbar sein.

Ein Projekt mit vielen Baustellen

Die Generalsanierung betrifft nahezu alle technischen Bereiche der Strecke: Gleise, Weichen, Fahrleitungen, Stellwerke, Bahnhöfe und Mobilfunktechnik. Zwischen dem 1. August 2025 und dem 30. April 2026 wird in drei Bauabschnitten gleichzeitig gearbeitet: Hamburg–Büchen, Büchen–Dergenthin und Dergenthin–Berlin.

165 Kilometer Gleise tauscht die Bahn komplett aus, weitere 61 Kilometer werden instand gesetzt. 249 neue Weichen kommen hinzu, sowohl auf Hauptgleisen als auch auf Nebenstrecken. Auf insgesamt 47 Kilometern längt die Bahn neue Fahrdrähte über den Gleisen, also die Oberleitungen.

Geplante Maßnahmen bei der Generalsanierung Hamburg–Berlin (1.8.2025–30.4.2026)

• 165 km Gleise werden vollständig erneuert
• 61 km Gleise werden instand gesetzt
• 249 neue Weichen werden eingebaut
• 25 km Fahrdraht werden komplett getauscht
• Weitere 22 km Oberleitung werden erneuert
• 6 neue Stellwerke entstehen, 19 weitere werden modernisiert
• Aufbau von 5G-Funkmasten zur Einführung von FRMCS
• Sanierung und Modernisierung von 28 Bahnhöfen
• Verlängerung von Bahnsteigen für längere Regionalzüge
• Sanierung einer Brücke in Ludwigslust (Baujahr 1850)
• Neue Lärmschutzwände bei Wohltorf/Aumühle
• Vegetationsarbeiten zur Sturmsicherheit entlang der Strecke

 

Technik von gestern – neue Stellwerke und FRMCS

Ein besonderer Fokus liegt auf der Leit- und Sicherungstechnik. Noch heute werden manche Stellwerke auf der Strecke mit Disketten betrieben, wie Julian Fassing, Projektleiter der Generalsanierung, berichtet. Diese Anlagen stammen teils aus den 1980er-Jahren.

Im Zuge der Arbeiten werden 19 Stellwerke modernisiert und sechs komplett neu gebaut. Ziel ist die Vorbereitung auf die spätere Umstellung auf ETCS, ein europaweit standardisiertes digitales Zugsicherungssystem. Vollständig eingeführt werden soll dieses System aber erst in den 2030er-Jahren.

Parallel errichtet die Bahn Funkmasten für das sogenannte Future Railway Mobile Communication System (FRMCS), das auf dem Mobilfunkstandard 5G basiert. Damit soll nicht nur der Bahnbetrieb zukünftig effizienter laufen, sondern auch der Handyempfang im Zug verbessert werden. Die 15 Meter hohen Masten werden entlang der gesamten Strecke aufgebaut.

Gleisbauarbeiten

Nichts geht mehr: Zwischen Hamburg und Berlin sollen 165 Kilometer Gleise getauscht werden.

Foto: Deutsche Bahn AG / Bauüberwachung

Ersatzverkehre und Einschränkungen für Fahrgäste

Während der Bauzeit wird die komplette Strecke für den Personen- und Güterverkehr gesperrt. Das hat Folgen: ICE-, IC- und Flixtrain-Züge werden über Stendal und Uelzen umgeleitet. Diese Umwege führen zu längeren Fahrzeiten – durchschnittlich 45 Minuten mehr. Zudem halbiert sich das Angebot im Fernverkehr: Statt alle 30 Minuten fährt nur noch einmal pro Stunde ein Zug zwischen Hamburg und Berlin.

Einige Verbindungen entfallen komplett. So halten zum Beispiel keine Fernzüge mehr in Ludwigslust oder Wittenberge. Auch die EC-Züge zwischen Hamburg und Prag verkehren nur noch zwischen Berlin und Prag. Reisende von Hamburg nach Rostock müssen ebenfalls mehr Zeit einplanen, denn die Züge fahren über Lübeck und Bad Kleinen.

Im Regionalverkehr ist die Lage noch komplizierter. Viele Linien fallen aus oder verkehren nur abschnittsweise. Die Bahn hat deshalb ein Netz aus Ersatzbussen eingerichtet. Diese Busse fahren unter anderem zwischen Hamburg und Schwerin, zwischen Wittenberge und Berlin sowie auf weiteren 28 Verbindungen. Manche Strecken – etwa Hamburg–Ludwigslust–Wittenberge – starten und enden am Hamburger ZOB. Andere führen nur bis an den Stadtrand, etwa zur U-Bahnstation Steinfurther Allee.

Kritik am Ersatzverkehr

Der Fahrgastverband PRO BAHN kritisiert das Ersatzkonzept deutlich. Besonders die Schnellbuslinie X1 zwischen Hamburg und Schwerin steht im Fokus: Sie verkehrt nur alle zwei Stunden. Das sei zu wenig, heißt es aus den Landesverbänden Schleswig-Holstein/Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern. PRO BAHN fordert einen 60-Minuten-Takt sowie den Einsatz zusätzlicher Busse bei hoher Nachfrage.

Auch die mangelnde Ausstattung der Ersatzbusse sorgt für Unmut. Noch zum Baustart fehlen viele der versprochenen neuen Fahrzeuge. Stattdessen kommen teilweise ältere Busse und Fahrzeuge aus früheren Bauprojekten zum Einsatz. Das erschwert vor allem Pendler*innen aus der Region die Anbindung an Hamburg und Berlin.

Auswirkungen der Streckensperrung Hamburg–Berlin (1.8.2025–30.4.2026)

• Komplette Sperrung der Strecke für neun Monate
• Fernzüge werden über Uelzen und Stendal umgeleitet (ca. +45 Minuten)
• Reduzierung auf eine Fernverbindung pro Stunde
• Wegfall der Halte in Ludwigslust, Wittenberge und Schwerin
• Zahlreiche Regionalzüge entfallen oder enden früher
• 28 Ersatzbuslinien im Einsatz (teilweise mit WLAN und USB-Steckdosen)
• Schnellbus X1 Hamburg Steinfurther Allee – Schwerin nur im 120-Minuten-Takt
• Zusätzliche Umstiege auf U-Bahn/S-Bahn in Hamburg erforderlich
• Güterzüge werden über alternative Korridore (u. a. über Magdeburg) geleitet

 

Bahnhöfe im Wandel – neue Ausstattung und Barrierefreiheit

Insgesamt werden entlang der Strecke 28 Bahnhöfe saniert. Dazu zählen unter anderem Stationen in Wittenberge, Neustadt (Dosse), Schwarzenbek oder Ludwigslust. Neben barrierefreien Zugängen und längeren Bahnsteigen plant die Bahn auch neue Toilettenanlagen, Wetterschutzhäuser und ein verbessertes Leitsystem.

An mehreren Bahnhöfen – zum Beispiel in Müssen, Büchen, Brahlstorf oder Schwanheide – werden die Bahnsteige verlängert. Ziel ist, künftig längere Regionalzüge einsetzen zu können. Auch neue Fahrradabstellanlagen sind vorgesehen. Die Bahnhöfe sollen so schrittweise zu „Zukunftsbahnhöfen“ entwickelt werden.

Arbeiten an der Vegetation – mehr Sicherheit bei Unwettern

Stürme, Starkregen und Trockenheit führen immer häufiger dazu, dass Bäume entlang der Bahntrassen zu einer Gefahr werden. Die Bahn reagiert darauf mit gezielten Rückschnittmaßnahmen. Ziel ist, dass Bäume nicht höher wachsen als ihr Abstand zu den Gleisen beträgt. So soll verhindert werden, dass sie bei Sturm auf die Strecke stürzen.

Die Rückschnittarbeiten beginnen im Oktober 2025. Wo möglich, werden heimische Sträucher und Bäume neu gepflanzt. Auch Biotopverbindungen sollen entstehen, um die Artenvielfalt zu fördern.

Wird die Strecke nach der Sanierung besser?

Der Zustand der Bahnstrecke zwischen Hamburg und Berlin war zuletzt kritisch. Die Bahn selbst vergab die Schulnote 3,7. Nach Abschluss der Generalsanierung soll sich dieser Wert auf 2,3 verbessern. Auch die Zahl der Störungen und Verspätungen soll deutlich sinken. Die Strecke gilt dann für mindestens fünf Jahre als baustellenfrei.

Ob das reicht, um das große Ziel – mehr Pünktlichkeit im deutschen Bahnverkehr – zu erreichen, bleibt abzuwarten. Klar ist aber: Ohne tiefgreifende Eingriffe wird sich der Sanierungsstau auf vielbefahrenen Strecken nicht lösen lassen.

Wie es nach Hamburg–Berlin weitergeht

Schon kurz nach Abschluss der Arbeiten folgt die nächste Großbaustelle. Vom 1. Mai bis zum 10. Juli 2026 wird die Strecke Hamburg–Hannover saniert. Besonders betroffen ist der Abschnitt Lüneburg–Uelzen. Auch dort werden Stellwerke erneuert und ein Ersatzverkehr eingerichtet.

Fahrgäste und Unternehmen müssen sich also auch in den kommenden Jahren auf Einschränkungen einstellen. Die Generalsanierung Hamburg–Berlin ist nur ein Baustein im Gesamtkonzept der Bahn. Insgesamt sollen bis 2030 rund 40 solcher Projekte umgesetzt werden.